Beliebigkeit

So langsam mache ich mir Sorgen über den Geisteszustand von Angela Merkel. Ich halte schon lange einen Mindestlohn für wünschenswert, um die schlimmsten Ausbeutungen zu verhindern, bzw. um zumindest eine rechtliche Basis gegen sie zu haben. Dass meine Vorstellungen von einem Mindestlohn insbesondere in der Höhe nicht unbedingt denen der SPD oder der Linken entsprechen, ist wieder ein anderes Thema.

Doch jetzt kommt unsere Kanzlerin nach mehreren Jahren, in denen sie sich vehement gegen den Mindestlohn gewehrt hat und wünscht sich genau diesen!? Grundsätzlich begrüße ich natürlich, wenn Menschen sich überprüfen und bereit sind ihre Meinung zu ändern. Dann müssten sie aber auch bereit sein ihren Meinungsumschwung zu erklären und wieso sie ihren vorherigen Standpunkt jetzt für falsch halten. All das passiert bei Merkel natürlich nicht.

All das ist auch schon beim Atomausstieg passiert. So glaubhaft Merkel als Atombefürworterin war, so unglaubhaft ist sie als Atomgegnerin gewesen, auch weil sie keinen Fehler zugegeben hat. Dieses Verhalten, bei dem Merkel ihre Ansichten um 180 Grad dreht, mutet einfach nur grotesk an. Falls es das Schnappen nach der Wählergunst ist, wird dieses schiefgehen, weil Merkel erneut nicht glaubhaft ist. Stattdessen fährt sie ihren Kurs der politischen Beliebigkeit fort. Damit hinterlässt sie ihr Kabinett, ihre Partei und die Bevölkerung ratlos.

Psychologisch würde man ihr Verhalten nach meiner laienhaften Einschätzung als schizophren einstufen.

Unpräzise Hacker

Wieso ist der vom CCC analysierte „Bundes-Trojaner“ eigentlich ein Trojaner? Sicher hat sich dieser Begriff in der Computer-Terminologie entsprechend eingenistet, so dass die Verantwortung für den Namen nicht beim CCC liegt oder beim bayerischen Innenministerium – der hinterhältige Einsatz dagegen schon.

Politiker, denen political correctness zweimal wichtiger als die Verfassung ist, werden sich wahrscheinlich am Begriff hinterhältig stören. Doch wenn wir die Herkunft des Namens analysieren, wird deutlich, dass Hinterhältigkeit in der Natur des Trojaners liegt. Schließlich zieht der Name eine Analogie zum Trojanischen Pferd, in dem sich nach Odysseus Idee die Griechen nach Troja einschlichen, was wohl ohne Frage als hinterhältig bezeichnet werden kann. Falls irgendein Politiker dies bestreitet möge er mir bitte erklären, was Odysseus damit anderes gemacht hat, als einen Hinterhalt für die Trojaner zu legen.

Im Sinne der historical correctness oder der literarischen correctness – je nachdem ob man die Ilias als historischen Bericht oder als Poesie einstuft – ist die Bezeichnung Trojaner also eindeutig falsch. Schließlich war das trojanische Pferd kein Trojaner, sondern ein Werk der sie belagernden Achaier. Unter diesem Begriff wird die Gesamtheit der Griechen in Homers Werk genannt. Das Volk ihres Anführers Agamemnon sind die Mykener. Zum Wohle aller Klugscheißer dieser Welt sollte man daher von einem Bundes-Achaier oder einem Bundes-Mykener sprechen. Wenn man dagegen den Namen auf den listigen Odysseus zurückführt, was ja wiederum zu einem Viren konzipierenden Hacker passen würde, und das Spionageprogramm nach seinem Volk benennen, wäre es natürlich der Bundes-Ithaker.

Sprachlos – Ratlos

Manche Ereignisse lassen einen ratlos zurück. Der Schrecken, den unfaßbare Ereignisse wie das Erdbebendesaster in Japan hinterlassen, macht manchen sprachlos. Andere leider nicht. Sie finden eine Sprache, die inadäquat ist, weil sie entweder vorschnell schwafeln, ohne tatsächlich etwas zu wissen, oder weil sie das dortige Unglück zu instrumentalisieren versuchen. In beiden Fällen ist es besser, sprachlos zu bleiben.

Gerade in dieser Situation fühle ich auf mulmige Art und Weise an meinen Leitspruch von Sokrates erinnert: „Ich weiß, daß ich nichts weiß“. Gerne ergänze ich diesen Satz mit: „und ich gehe davon aus, daß das auch für alle anderen gilt“. Sicher gibt es Experten, die die Situation deutlich besser als ich und viele andere einschätzen können, doch ich fürchte, daß niemand, auch vor Ort, weiß, wie kritisch die Situation des Unglücks wirklich ist.

Was ich jedoch bis zu einem gewissen Grad verwerflich finde und weswegen ich lieber sprachlos bleibe, ist die Geschwindigkeit, mit der wir uns von dem Leid, der Gefahr und den Sorgen der japanischen Bevölkerung entfernen und stattdessen versuchen, Projektionen in unsere eigene momentan nicht akut bedrohte Gesellschaft zu treffen.

Ich will keineswegs, eine grundsätzliche Diskussion über die atomare Energieversorgung verbieten, doch sind meine Gedanken und mein Mitgefühl bei den akut bedrohten Japanern. Ich wünsche Ihnen, daß das atomare Desaster so glimpflich abläuft, wie es irgend möglich ist und daß die Menschen in Japan nicht noch mehr unerträgliches Leid erfahren. Bezüglich allem anderen bleibe ich lieber sprachlos.

KT die 2.

Er lässt mich nicht los.

Woran liegt das? Wahrscheinlich vor allen daran, daß ich ihm nicht verzeihen will. Wieso habe ich solche Schwierigkeiten ihm zu verzeihen, obwohl ich bereits geschrieben habe, daß ich es tue? Ich denke, zum Großteil ist es eine Stilfrage. Die Entschuldigung von KT, gerade weil er sich durch sie wieder als Musterschüler ins rechte Licht gerückt sieht, ist bestenfalls viertklassig. Ich vermisse das Eingeständnis des Offensichtlichen, das KT auch bereits zu Beginn der Affäre völlig klar gewesen sein muss, wenn er nicht unter arger Realitätsverzerrung leidet. „Ja, ich habe betrogen! Bitte verzeiht mir.“ Es sind diese Worte, die ich vermisse und wegen derer Abstinenz es mir so schwer fällt, ihm zu verzeihen. Gleichwohl verstehe ich, warum er sie nicht sagt. Das Eingeständnis des Betrugs scheint der Punkt zu sein, an dem er als Minister für seine Partei und die Öffentlichkeit nicht mehr tragbar erscheint.

Und genau das sehe ich anders. Ich halte einen ehrlichen reuigen Betrüger durchaus dafür geeignet, ein verantwortungsvolles Amt zu bekleiden, denn jeder hat eine zweite Chance verdient. Aber leider bleibt KT m.E. ein unehrlicher Betrüger, weil er den Betrug nicht gesteht. Genau deshalb wirkt seine Reue aufgesetzt. Da mein Herz dies erkennt und mein Verstand dem Herz recht gibt, ist es verdammt schwer, KT zu verzeihn. An dieser Stelle sehe ich auch den Vergleich zu Joschka Fischer als sinnvoll, dessen Reue für die Schläge gegen einen Polizisten echt wirkte. (Gleichwohl hätte er wegen der Visa-Affäre zurücktreten müssen – „Oberster Zuhälter der Nation“ war die eine Sternstunde von Michael Glos)

Die Verteidigungsstrategie der Union macht es für mich zusätzlich schwierig. Die Union ist erpicht darauf, die Personalie Guttenberg zu einer politischen Frage zu machen. Das ist falsch. Hier geht es nicht um Macht, sondern darum, was sich eine Person als Politiker erlauben darf.
Daß die Strategie der Union beinhält, die Diskussion als eine Medienkampagne abzuwerten, führt deswegen in die Irre, weil es gerade das arrogante, herablassende Verhalten von KT war, das diese Diskussion immer weiter angeheizt hat. Genau deswegen ist die Frage auch jetzt nicht einzig: „Muß er zurücktreten oder nicht?“ sondern: „Was hat er alles angestellt? Und wann gibt er es endlich richtig zu?“
Daß die Union sich wie ein lebendes Bollwerk vor KT schmeißt, mag man ja als ehrenhafte Treue ansehen, doch gleichwohl sollte sich die Union fragen, welche Prinzipien sie gerade opfert, um ein unehrenhaftes Verhalten zu decken.

Genau hier möchte ich einmal ansetzen und betrachten, was der Verzicht auf echte Konsequenzen alles legitimiert. Gehen wir zur Casa Fischer bzw. der Visa-Affäre zurück. Wessen hatte sich Fischer schuldig gemacht? Fischer hatte sein Amt als Außenminister nicht mißbraucht, aber er war auch nicht seinen Amtspflichten nachgekommen und hatte sich bei der Aufklärung der Affäre höchst unkooperativ gezeigt. Ich werde nicht vergessen, daß Fischer nicht zurückgetreten ist, und es wird ewig ein Schandfleck auf seiner Weste bleiben. KTs Dissertation hat mit dem Verteidigungsministerium originär nichts zu tun. Insofern kann er die Casa Fischer abtun.

Gehen wir zu dem von mir über alles gehassten Roland Koch über. Was war Kochs Vergehen? Oder besser, was war das Vergehen, wegen dem er m.E. zurücktreten hätte müssen? Koch hat die Schwarzgeldkonten schließlich nicht selbst geführt und auch nicht beauftragt. Aber er hat davon gewußt und nichts gesagt. Schlimmer noch: Er hat sein Wissen geleugnet und sich unter Tränen für die „brutalstmögliche Aufklärung“ ausgesprochen, wodurch er sich als schlimmstmöglicher Lügner entlarvt hat. Lügen also – hier sind wir wohl bei KT an der richtigen Stelle. Und damit meine ich insbesondere die Lügen, nachdem der Verdacht hochkam. Dennoch sind KTs Lügen deutlich persönlicher, vielleicht menschlicher; und weil er sich zuvor deutlich weniger schlimme Skandale als Koch geleistet hat – kann man ihm vielleicht noch irgendwie verzeihen.

Die Union hat sich über Vergleiche mit Berlusconi beschwert. Sex mit Minderjährigen hatte KT nicht. Diese danach unter Zuhilfenahme seines Amts und dreister Lügen aus dem Polizeigewahrsam herausgeboxt auch nicht. Das Recht zu seinen Gunsten geändert, so daß frühere Vergehen nicht mehr strafbar sind, hat er auch nicht. Ich unterstelle KT mal, daß er anders als die meisten Bundesbürger seine Steuern ordentlich bezahlt hat und sich auch hier nichts zu vozuwerfen hat. Weiterhin unterstelle ich ihm mal, dass er kein Unternehmen unter dubiosen Umständen aufgebaut hat und keine Kontakte zur organisierten Kriminalität hat. Insofern ein klarer Punkt für KT, doch es geht bei den Vergleichen wohl auch eher darum, dass wir in Deutschland keine römischen Verhältnisse wollen (wie ja schon Westerwelle gesagt hat…) und es nicht ganz zu Unrecht heißt: „Wehret den Anfängen“.

Kommen wir zu einem möglicherweise überraschenden Vergleich, an den sich der Ein oder Andere vielleicht auch schon nicht mehr erinnert: „Der Briefbogen- oder Einkaufswagen-Affäre“. Es gab eine Zeit, in der Jürgen W. Möllemann Wirtschaftsminister dieser Republik war. In dieser Zeit empfahl er auf einem Briefbogen des Wirtschaftsministeriums Handelsketten, einen Chip als Pfandmarke für Einkaufswagen, der in der Firma eines angeheirateten Vetters hergestellt wurde. Skandalös war nicht die Empfehlung an sich, sondern daß durch die Verwendung eines offiziellen Briefbogens das Amt mißbraucht wurde, da Möllemann im Amt eine ihm nahe stehende Person begünstigt hatte. Hier werden wir auch bei KT fündig. KT hat sein Amt als Bundestagsabgeordneter mißbraucht, indem er beim Parlamentarischen Staatsdienst Gutachten beauftragte, die er privat für seine Dissertation verwendete. Was unterscheidet die beiden Affären? Zwei Fakten: Zum Einen kann man Möllemann unterstellen, daß in der Hektik des Büroalltags aus Versehen etwas abgezeichnet wurde oder aus Versehen auf dem falschen Briefbogen gedruckt wurde, während man bei KTs Beauftragung der Gutachten wohl doch von einer bewußten Handlung ausgehen kann. Es sei denn er leidet wie bereits oben geschrieben unter totalem Realitätsverlust, was ihn als Politiker untragbar machen würde. Gravierender ist aber der zweite Unterschied: Möllemann ist ohne allzu langes Wenn und Aber zurückgetreten.

Also liebe Union, bitte denkt noch einmal nach. Euer Festhalten an KT heißt, daß ihr einen Minister unterstützt, der weniger Anstand besitzt als Jürgen W. Möllemann…

KT

Da hat der Junge ja grad nochmal die Kurve gekriegt. Dabei hatte ich gerade begonnen, mich auf ihn einzuschießen.  Ich zitiere mal aus einem begonnenen Sonett, das jetzt doch Fragment bleiben wird.

An deinem Selbstgefallen
kann wirklich alles abprallen

(Weitere mögliche Reimziele: abknallen – schwallen – nachhallen – Gefallen – festkrallen – schallen)

Jeder weiß du bist wirklich klug
Ein (Adels-)titel ist für dich nicht genug

Reimziel: Betrug

Also ein bisschen enttäuscht bin ich jetzt schon, mich nicht weiter meiner Gehässigkeit hingeben zu können, aber andererseits bin ich auch froh, jetzt wieder nach einer weiblichen Muse ohne gegelte Haare suchen zu können.

Diejenigen, die sagen, daß wir dringendere Probleme als die Rechtmäßigkeit eines Doktortitels haben, haben natürlich Recht. Aber ich finde, daß es trotzdem ein wichtiges Thema war. Erstens ging es um die Redlichkeit eines Politikers, der eine sehr verantwortungsvolle Position innehat. Zweitens ging es um ein schlechtes Vorbild für alle, die eine selbstständige Arbeit verrichten wollten. Drittens ging es darum, dass KTs Dissertation und die Benotung mit Summa cum laude eine Beleidigung an alle Akademiker darstellt, die wirklich hart für ihren Titel arbeiten mußten und sich mit Doktorvätern herumschlagen mußten, denen ihre Arbeit nicht genügend Neues bzw. Eigenes enthält. Ich kann die Liste der Gründe, wieso eine öffentliche Diskussion über dieses Thema wichtig war, locker weiter ausdehnen.

Letztendlich war es auch KTs Verhalten, das die Diskussion angeheizt hat. Meines Erachtens hat es ganz schön lange gedauert, bis er sich endlich einsichtig gezeigt hat, und seine ersten Statements waren eben an Arroganz und Selbstgefälligkeit kaum zu überbieten. An dieser Stelle war es wichtig, ihm und allen anderen Politikern auch zu zeigen, daß man ihnen so ein Verhalten nicht durchgehen läßt, bevor das noch weiter einreißt. Mit seiner späten Einsicht hat KT mich milder gestimmt, und ich halte es an dieser Stelle mit dem Vaterunser: Wie auch wir vergeben… Dennoch steht KT jetzt auf Bewährung. Er hat spätestens jetzt seine zweite Chance bekommen.

Ich hoffe, daß KTs Verhalten der breiten Öffentlichkeit die Augen geöffnet hat und sie anfangen, seine Entscheidungen kritischer zu hinterfragen, denn seit seinem Antritt im undankbaren Amt des Verteidigungsministers zu einem undankbaren Zeitpunkt überzeugt er mich nicht, angefangen mit seinen Entscheidungen in der Kunduz-Affäre. Aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt bin ich erstmal froh, daß er doch noch die Kurve gekriegt hat.

Denk ich an den Euro in der Nacht…

Vielleicht wäre der zwanghafte Europäer Heinrich Heine erbost zu lesen, wie ich seine Worte vergewaltige, aber die derzeitgen Entwicklungen der Eurozone und insbesondere die Reaktionen der Politik sind in der Tat geeignet, die Bürger Deutschlands und Europas um den Schlaf zu bringen.

Fangen wir mal hinten an, sprich heute, und kämpfen uns zurück bis zu den Maastrichtbeschlüssen.

Bei dem von den Eurostaaten verabredeten Programm handelt es sich mitnichten um ein Stabilisierungspaket. Ziel der Maßnahmen ist eine wirksame Drohgebärde gegen Spekulanten. Dies klingt vielleicht noch schön und gut, doch was steckt hinter dieser Phrase der Politiker?

Eigentlich geht es den Politikern darum, den Staatsbankrott einzelner Länder der EU-Zone zu verhindern, indem durch das 750 Milliarden Paket klargestellt wird, daß in der EU das Prinzip „Alle für Einen“ gilt und die „gesunden“ Staaten dem Einen in Not geratenen mit günstigen Krediten aus diesem 750 Milliardenpaket zur Seite springen.

Lassen wir für einen Augenblick außen vor, woher diese 750 Milliarden eigentlich kommen und widmen uns der viel interessanteren Frage, wieso es dazu kommen soll, daß ein Staat Europas in die Notsituation kommen kann, auf diese 750 Milliarden zugreifen zu müssen.

Für die Finanzierung seines Haushalts zieht ein Staat von seinen Bürgern Steuern ein. Langen die Steuern nicht zur Begleichung der Ausgaben des Haushalts, muß der Staat diese Ausgaben anderweitig decken – durch Schulden. Der Staat gibt also Staatsanleihen aus, die er durch Zinszahlungen tilgt. Die Höhe der Zinszahlungen, die der Staat an seine Gläubiger zu zahlen hat, richtet sich dabei genau wie bei privaten Schuldnern auch nach seiner Glaubwürdigkeit als Schuldner. Geht der Gläubiger sicher davon aus, daß der Staat den Kredit zurückzahlt, ist er bereit sich mit einem geringen Kredit zu Frieden zu geben. Macht er sich dagegen Sorgen, ob sein Kredit zurückgezahlt werden, wird er einen Risikoaufschlag verlangen aus Angst darum, daß er einen Ausfall des gegebenen Kredits mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu beklagen hat und Geld verlieren könnte.

Muß jetzt ein Staat für die Begleichung seiner Zinszahlungen neue Schulden aufnehmen, gerät er langsam in eine Schuldenfalle. Ratingagenturen beurteilen, inwieweit die Finanzierung eines Staats auf soliden Füßen steht, indem sie die Fähigkeit des Staats Steuern zu erheben gegen seine Verpflichtungen als Leistungserbringer und Schuldner stellen. Nimmt das Gewicht auf der Waagschale der Verpflichtungen stärker zu als das Gewicht auf der Schale der Steuern setzen sie die Bonität des Staats herab. Der Markt reagiert, wie es jeder potentielle Gläubiger tun würde. Er verlangt für zukünftige Kredite vom Staat einen Risikoaufschlag. Ist ein Staat in so einer Situation bereits zur Tilgung seiner Schulden darauf angewiesen, neue Kredite zu jetzt schlechteren Konditionen aufzunehmen, sitzt er ganz tief in der Schuldenfalle, die durch die noch höheren Zinszahlungen sich weiter verschlechtern würde. Der Markt merkt dies und verlangt einen noch höheren Risikoaufschlag…, bis es dem Staat unzumutbar erscheint, zu diesen Konditionen Schulden aufzunehmen.

Jetzt würde ein Privatmann mit seinen Gläubigern über Stundungen, Streckungen etc. reden und möglicherweise in der Insolvenz landen. In derInsolvenz wird der Privatmann gnadenlos auseinander genommen, muß das letzte Hab und Gut den Gläubigern überlassen, bis am Ende der Gläubiger vor die Tatsache gestellt wird, daß er einen Teil seines Geldes nicht zurückbekommt. Dieser Teil der Schulden wird dem Privatmann tatsächlich erlassen.

Die Staaten Europas, die in eine solch unangenehme Situation kommen, wollen stattdessen auf die reichen Verwandten zugehen und diese Kredite zu günstigeren Konditionen aufnehmen lassen, auf die die Staaten in Not dann aus dem „Stabilisierungsfond“ zugreifen können. Soweit der Plan, und jetzt hab ich doch gesagt, woher das Geld kommt, obwohl ich dazu eigentlich viel später kommen wollte.

Wichtig ist mir an dieser Stelle vor allem eins. Wie konnte es azu kommen, daß ein Staat in diese Situation kommt? Es ist ähnlich wie beim Privatmann – Fehleinschätzungen der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung, unternehmerisches Pech und das Leben über den eigenen Verhältnissen dürften die Hauptgründe sein.

Was tut Europa dagegen, daß ein Staat überhaupt in diese Situation kommt? Der alte Finanzminister Waigel würde sagen: eine Menge. Die Maastricht-Kriterien(max. 60% des BSP als Gesamtschulden und max. Defizit des Haushalts von 3% durch Neukredite) sind Zeichen eines soliden Wirtschaftens. Staaten, die diese Kriterien erfüllen, geben dem Markt ein Signal, daß sie vertrauenswürdige Schuldner sind und erhalten Kredite zu günstigen Krediten. Gleichzeitig erweisen sie sich auch als vertrauenswürdige Schuldner, indem sie solide mit dem Geld umgehen.

Auch wenn ich jetzt bei Maastricht angelangt bin, bin ich noch lange nicht fertig, sondern drehe die Uhr zurück auf Krisenzeit, also den 11.05.2010, wo wir feststellen, daß es Staaten in der Eurozone gibt, welche die Maastrichtkriterien nicht erfüllen und sich für die Teilnahme am Euro eigentlich nie qualifiziert haben, weil sie diese nur durch Fälschen der eigenen Bilanzen erlangen konnten.

Wenn jetzt diese Staaten in die Situation geraten, daß ihre Bonität von Ratingagenturen herabgesetzt wird und daß ihre Neukredite teurer werden, ist dies zunächst einmal ein Zeichen, daß der Markt ihnen auf die Schliche gekommen ist und ihnen nicht mehr traut.

Die Regierungen Europas haben lange hin und her laviert, wie sie mit dem Sündenfall Griechenland umgehen sollen. Sie haben sich m.E. für die schlechteste Lösung entschieden. Griechenland muß nicht das Gespräch mit seinen Gläubigern suchen und einen eigenen Weg finden, mit seinen Schulden umzugehen, an dessen Ende durchaus ein Teilerlaß der Schulden stehen könnte. Ein Ausstieg aus dem Euro wird Griechenland auch „verwehrt“, obwohl dieser Griechenland die Kontrolle über seine Währung zurückgeben würde und mit der Abwertung der eigenen Währung ein Instrument zur Verfügung stellen würde, die Schuldenlast neuer Schulden weniger drückend zu gestalten.

Der Regierung Griechenlands ist es hoch anzurechnen, daß sie so glaubhaft vermittelt hat, einen harten Sanierungskurs einzuschlagen, das im eigenen Land ein Bürgerkrieg begonnen hat. Diese harte und kompromißlose Haltung gegenüber der eigenen Bevölkerung war es wohl, welche die Regierungen Europas bewogen hat, Griechenland mit günstigen Krediten zur Seite zu stehen, wobei ich dies im Gegensatz zu der Mehrheit als Bärendienst an Griechenland empfinde.

Der Markt reagierte leider nicht, wie von den Politikern gewünscht. Er brach weiter ein, und der Kurs des Euro gegenüber dem Dollar gab deutlich nach. Offensichtlich war die Kreditzusage an Griechenland nicht geeignet, den Markt davon zu überzeugen, daß die in Teilen Europas ausgegebenen Anleihen noch sicher waren. Hinzu kommt, daß ein Sparpaket, wie in Griechenland die Aussichten der Wirtschaft auf Wachstum dämpft, und genau diese bestimmen zum größten Teil den Wert von Aktien. Der Einbruch des europäischen Markts besaß also neben dem Vertrauensverlust eine gewisse rationale Logik auf die Ereignisse.

Aus Panik vor einer sich ausbreitenden Panik am Markt handelten die Politiker in Panik und schufen das Stabilisierungspaket als Maßnahme gegen die Panik.

Und genau das ist es. Renate Künast sprach von einer Brandschutztür. Kein schlechtes Bild. Es sagt aus, daß ein Brand in einem Staat ausgebrochen ist, und wir die Tür verriegeln, damit nur dieser Staat verbrennt. Unabhängig von ihr fiel mir ein anderes Bild ein, das an Griechenlands Brandkatastrophen erinnert. Das Stabilisierungspaket ist eine gewaltige Investition in die Aufrüstung der Feuerwehr. Investitionen in den Brandschutz und Brandverhütungsmaßnahmen bleiben aber aus.

Frau Merkel reiste letzte Woche zu einem EU-Gipfel mit markigen Forderungen, einem Land gegebenfalls das Stimmrecht zu entziehen, falls es gegen die Maastricht-Kriterien verstoße. Unbemerkt ließ sie diese Idee wieder fallen und zauberte stattdessen das Stabilisierungspaket aus dem Hut.

Dabei ging ihre Forderung in die richtige Richtung. Das Einhalten der Maastricht-Kriterien ist ein Zeichen soliden Wirtschaftens. Die derzeitige Krise muß die Fragen aufwerfen. Wie können wir die Einhaltung der Maastricht-Kriterien besser kontrollieren und uns nicht wieder hinters Licht führen lassen? Was für Maßnahmen muß ein Staat über sich ergehen lassen, wenn er die Kriterien nicht erfüllt? Kann ein Ausschluß aus dem Euro eine Konsequenz sein?  Reichen die Maastricht-Kriterien aus, oder sind sie zu weich? Brauchen wir weitere Indikatoren, die ein solides Wirtschaften des Staats signalisieren und seine Stabilität garantieren? Die Antworten auf diese Fragen sind es, die die langfristige Stabilität der Eurozone und der ihr zugehörigen Staaten garantieren.

Daß diese Fragen nicht angegangen werden, sondern stattdessen ein gigantischer Zaubertrick vorgenommen wird, erfüllt mich mit großer Sorge um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands und Europas. Ich bin beinahe geneigt der Bild-Zeitung zuzustimmen, als diese heute titelte: „Wir sind wieder mal die Deppen Europas.“ Sicher haben alle vom Euro profitiert – gerade auch der ehemalige Exportweltmeister Deutschland, dessen Außenhandel durch den Euro massiv erleichtert wurde.

Aber mir ist bis jetzt noch nicht nahe gebracht worden, wie die Schwierigkeiten eines Staats der Eurozone den Euro selbst in Schwierigkeiten bringen können. (Wer die Antwort hat, darf gerne einen Kommentar schreiben). Im Gegenteil, hätte man Griechenland seine Schwierigkeiten selbst lösen lassen, hätte man m.E. die Glaubwürdigkeit des Euros und der Unabhängigkeit der europäischen Zentralbank gestärkt.

So hat man durch die Hilfe an Griechenland das geschaffen, was man in der Wirtschaftwissenschaft „moral hazard“ nennt. Und zwar in vielfältiger Weise. Die Griechen können nun versucht sein, ihre Sparanstrengungen weniger rigoros zu gestalten, weil sie sich ja auf ihre Nachbarn als Spender, (O.K. das ist polemisch, Gläubiger bzw. Bürgen ist korrekt) verlassen können. Die anderen gefährdeten Staaten Europas sind weniger geneigt, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen, weil sie ja sehen, daß Griechenland geholfen wurde. Und die Gläubiger sind gerne bereit, unsoliden Staaten der Eurozone Geld zu günstigen Konditionen zu leihen, da sie sich auf die anderen Staaten Europas verlassen. Die günstigen Konditionen sind wiederum dazu geeignet, mehr zu leihen, als man verkraftet. Da fragt man sich, wo das enden soll.

Der Finanzmarkt hatte dies durchschaut, und genau deswegen reagierte er auf die Griechenlandhilfe negativ. Mit dem Stabilisierungspaket wurde ihm jetzt eine solche Masse an Geld entgegengestellt, daß er die Verbindlichkeiten erstmal als sicher ansieht und kurzfristig beruhigt ist, weil er jetz weiß, daß Europa im Brandfall eine gute Feuerwehr hat.

Leider verstärkt das Stabilisierungspaket das oben erwähnte Moral hazard nur noch weiter. Und in der Tat hatte ich den Eindruck, daß keiner von Europas Staatsführern jetzt noch gewillt ist, darüber zu sprechen, was die Ursachen der Krise waren, und wie das Aufkommen dieser Brände verhindert werden kann.

M.E. machen es sich die Politiker zu leicht, wenn sie die Spekulanten als die bösen Brandstifter hinstellen(Bei anderer Ansicht bitte einen begründeten Kommentar). Die Spekulanten hatten einen gewaltigen Anteil an der Finanzmarktkrise, und es war schockierend und beängstigend zu erkennen, welche Dimensionen ihr Anteil am Marktgeschehen eingenommen haben und wie Spekulanten geeignet sind, die Entwicklungen des Markts in extremere Richtungen zu verschärfen. In der aktuellen Krise waren sie aber m.E. allenfalls das – ein Verstärker. Die Reaktion des Markts auf die Aktionen der Politik ist für Ökonomen m.E. schlicht und einfach eins – nachvollziehbar. Angesichts der Tatsache, daß ein Staat der Eurozone vor dem Bankrott steht, erscheinen diese Reaktionen nicht einmal übertrieben.

Viel wäre noch zu sagen, etwa über die Staatsverschuldung Deutschlands, welche die letzten vier Finanzminister nicht in den Griff bekommen haben oder noch wichtiger über die Aufgabe der Souveränität der EZB dadurch, daß diese zukünftig Ramschanleihen Europas aufkaufen muß, was den Maastrichter Stabilitätspakt ad absurdum führt, doch für einen Blog habe ich wohl schon viel zu lange geschrieben. Also bleibe ich bei Heine: Denk ich an den Euro in der Nacht…

Stadion Hammer Park gesperrt

Fundierter und weniger aussschweifend hat Christoph das Thema beschrieben.

Leichtathletikstadien gehören in Deutschland zu einer aussterbenden Art. Als Fan des FCK habe ich mich ja auch immer über die einmalige Athmosphäre des Stadions gefreut. Ähnlich wird es in Hamburg den Fans von St. Pauli ergangen sein. Doch beide sowohl der Betze‘ als auch das Millerntorstadion wurden ursprünglich als originäre Fußballstadien gebaut. Das unterscheidet sie von vielen Stadien in Deutschland, die im Zuge von Umbaumaßnahmen seit den 90ern zu Fußballstadien umgebaut wurden.

Das Hamburger Volksparkstadion (heute SOFFIN-Arena) gehört zu den Stadien, die mit der Umbenennung in eine Arena sich gleichzeitig von dem direkten Wettkampf zwischen einzelnen Athleten verabschiedeten und sich zu rein kommerziellen Unterhaltungstempeln wandelten, in denen sich das Leben nur noch um den Ball dreht. Diese steuerfinanzierte Subventionsmaßnahme zur Monopolisierung des Fußballs in großen Stadien wird von allen Bürgern, die Steuern zahlen, finanziert, selbst von denen, die weder Sport treiben noch sich dafür interessieren. Als Leichtathlet empfand ich echte Wehmut als dem ehemaligen Stuttgarter Neckarstadion, immerhin Austragungsort einer der besten Leichtathletik-WMs aller Zeiten sowie von Leichtathletik EM und 3 Leichtathletik-Weltfinalen, die Laufbahn auf Drängen von Daimler und dem Vfb gestrichen wurde und daß, wo das Stuttgarter Leichtathletikpublikum den Ruf hatte, besonders begeisterungsfähig und sachverständig zu sein. Viele andere Laufbahnen, Diskus – und Weitsprunganlagen verschwanden unbemerkt aus dem Frankfurter Waldstadion ebenso wie die Hochsprungmatten aus dem Niedersachsenstadion in Hannover. Selbst das Olympiastadion in München stand in Gefahr, die Leichtathletik ebenso wie seinen Status als Ikone der Architektur zu verlieren und konnte die Leichtathletik nur deshalb retten, weil es stattdessen die nirgendwo sonst so arroganten Fußballer verlor.

Während das Stadionrund immer mehr zu einem Arenenrechteck wird und bald nur noch das Berliner Olympiastadion als großes Leichtathletikstadion in Deutschland zur Verfügung steht, schreitet der Abbau der Leichtathletikplätze auch im Kleinen immer weiter voran.

Das Stadion am Hammer Park, einer der wenigen verbliebenen Leichtathletikstützpunkte in Hamburg, ist jetzt auch bedroht. Weil die Stadt Hamburg die Trainingsanlage nicht mit den notwendigen Ressourcen ausstattet, ist eine fachgerechte Betreuung und Wartung der Anlage derzeit nicht gegeben. Daß die technischen Mittel zum Räumen der Bahn ebenso wie ein Platzwart vorhanden sind, ist für die Stadt kein Anlaß die Leichtathletikanlagen zu räumen und den Leichtathleten ein Training wie bspw. in der Jahn-Kampfbahn zu ermöglichen. Auch die Dusch- und Umkleidemöglichkeiten stehen der Leichtathletik nicht zur Verfügung. Nachdem die Stadt zunächst eine unbürokratische Verbesserung in Aussicht gestellt hatte, erfolgte jetzt mit der offiziellen Sperrung ein Zementieren des bisher nur schlecht organisierten Status Quo. Wohin das führen soll, ist zunächst noch unklar.

Wenn man all das bedenkt, was der Leichtathletik in den letzten Jahren widerfahren ist, liegt die Befürchtung nahe, daß die Stadt Hamburg das, was sie mit dem Raubbau der Leichtathletikanlagen des Volksparkstadions begonnen hat, am Hammer Park fortsetzen will und einen klitzekleinen Teil der beim Volkparkstadion zu Lasten der Leichtathletik verprassten Steuergelder erneut auf Kosten der Leichtathletik einsparen will.

Besonders schade empfinde ich das dies in einem Moment passiert, wo die Leichtathletik einen zusätzlichen Aufwind erfahren hat. Im TH Eilbeck, welcher bisher auf der Anlage am Hammer Park trainieren konnte, steigen bspw. die Zahlen der Mitglieder der Leichtathletik seit Jahren an. Daß gerade die Leichtathletik eine gute Sportart ist, um den Körper ganzheitlich zu trainieren und viel für die Sportlichkeit von Kindern und Jugendlichen tut, interessiert die Stadt dabei anscheinend ebenso wenig, wie die eindeutig positiven Auswirkungen auf die Gesundheit und die Vielzahl an Läufern in Hamburg.

Ham‘ die ’nen Schatten oder wa‘?

„Wir gründen keinen Schattenhaushalt. Wir gründen einen Nebenhaushalt.“ Als ich diese Worte von Hermann Otto Solms hörte, konnte ich nicht mehr anders. Ich mußte lauthals lachen. So sehr mich die ganze Thematik auch ankotzt, an dieser Stelle mußte ich lachen. Wie viel deutlicher kann sich ein Politiker selbst entlarven?

Da ich keine Vorschläge für eine Titelgestaltung bekommen habe, bin ich etwas uninspiriert auf die oben stehende Frage gekommen. Waren die bisherigen Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und FDP noch relativ harmlos, und wurden von mir teilweise bei den Positionen zur Online-Überwachung überrascht positiv aufgenommen, so zeigt sich ausgerechnet an einer Stelle an der ich es nicht erwartet hätte, daß die Schwarz-Schwatz-Gelbe Koalition geneigt ist, meine schlimmsten Befürchtungen zu übertreffen. Statt einen sozialen Kahlschlag durchzusetzen, den ich der Koalition ohne weiteres zugetraut hätte, werden die utopischen Wahlversprechen durch eine mehr als unseriöse Finanzpolitik ermöglicht.

Mußte die SPD nach der Wahl 2005 in die bittere Pille beißen und aus sachlichen Zwängen in die Mehrwertsteuererhöhung einwilligen, so scheint es, als hätten die Politiker vor den Koalitionsverhandlungen diesmal genug rosa Pillen geschluckt, um auf Wolke 77 zu schweben. Leider haben sie es bisher unterlassen, diese Pillen ans Volk zu verteilen, damit dieses ihre Beschlüssen nicht mehr als komplett gaga empfindet. Daß Steuererleichterungen ohne Einschnitte in die Leistungen des Staats und ohne Erhöhung der Nettoverschuldung des Staats nicht möglich sind, ist einfach jedem (!) Bürger klar.

Wer also sagt, Deutschland habe aus der Finanzkrise nichts gelernt, der irrt. Schwatz-Schwatz-Gelb haben offensichtlich noch einmal die ersten Tage der Krise Revue passieren lassen und sich gedacht: „Mensch, das was die IKB da kann, das kann ich auch. Und was die Sachsen-LB kann, schon lang.“ Das Auslagern von unerwünschten Risiken in Tochtergesellschaften, sogenannte Conduits, hat bei diesen Banken, das Risiko, das sie am internationalen Kapitalmarkt eingingen, maßgeblich verschleiert. Als die Subprime-Kredite dann ins Trudeln kamen, mußten sich die Banken plötzlich über Nacht zu ihrer Verantwortung für diese Tochtergesellschaften und den ihnen überlassenen Forderungen bekennen und waren stante pede bankrott.

So ähnlich ist es auch bei dem Schatten…, äh Verzeihung Herr Solms, NEBENhaushalt. Es werden nicht etwa Schulden ausgelagert. Nein, DAS wäre ja unredlich. Es werden Forderungen, also Vermögen, gegen die Arbeitslosen- und Sozialversicherungen ausgelagert. Die Kredite, die als Forderungengen an Arbeitslosen- und Sozialversicherungen aus dem Schattenhau… – Entschuldigung Herr Solms, das Wort hat sich bei mir einfach eingebrannt – die als Forderungen an die Arbeitslosen- und Sozialversicherungen aus dem Nebenhaushalt ausgezahlt werden, finden gemäß der doppelten Buchführung also ihren Gegenpart in einem eigenkapitalähnlichen Konstrukt auf der Passivseite wieder. Worin besteht dieses Konstrukt? Wenn es sich tatsächlich um Eigenkapital handeln würde, müßte dem auf einem anderen Konto, etwa dem Haupthaushalt (gibt es den eigentlich noch Herr Solms?) eine Forderung der Aktivseite gegen den Nebenhaushalt gegenüberstehen. Diese Forderung müßte wiederum durch Eigenkapital oder (ACHTUNG, ACHTUNG) Schulden auf der Passivseite gedeckt sein. Da wir im Haupthaushalt aber natürlich keine neuen Schulden machen wollen, weil Schulden ja schlecht und eine Last für die kommenden Generationen sind, gibt es im Schattenhaushalt – tut mir leid Herr Solms, ich bin hoffnungslos – auf der Passivseite nicht etwa Eigenkapital sondern Schulden stehen. Glücklicherweise haben wir auf der Aktivseite ja Forderungen gegen höchst zuverlässige Kreditnehmer, für die bei Zahlungsunfähigkeit der sichere Hafen des Staats einspringt. Habe ich das richtig verstanden, Herr Solms?

Ganz ehrlich, wer eine solch unrealistische und verträumte Politik gewollt hätte, der hätte auch die LINKE wählen können. Da hätte er den gleichen Quatsch ohne Verarsche bekommen.

Bundestagswahl 2009 – die letzte

Der aufmerksame und ausdauernde Leser mag sich ziemlich sicher sein, was ich gewählt habe. Ich weiß jetzt nicht, ob es ihn arg enttäuscht, wenn ich mein Wahlgeheimnis dermaßen lüfte, daß ich nicht SPD gewählt habe. Der aufmerksame und ausdauernde Leser kann sich sicher nicht vorstellen, daß ich die zukünftige Regierung gewählt habe. Und hierbei irrt er nicht. Als überzeugter Wechselwähler innerhalb des links-liberalen Lagers kommt diese Position für mich tatsächlich nicht in Frage.

Wenn ich nun meine Wahlkommentare einstelle, geschieht dies insbesondere deswegen, weil die Wahl vorbei ist. Wir, die wir gewählt haben und noch vielmehr ihr, die ihr nicht gewählt habt, müssen das Wahlergebnis akzeptieren. Daß die Wahlbeteiligung bei gerade mal 70,8% lag und damit jeder Vierte von Euch nicht gewählt hat, finde ich besonders erschreckend. Gerade die Nichtwähler sind doch dafür verantwortlich, daß sich ein „Weiter So.“ und ein „Vorwärts in den Abgrund“ in der Politik halten kann. Wem die Zahl 70,8% noch nicht genug erschreckt hat, dem kann ich mit weiteren Zahlen dienen. Während in Hamburg der Schnitt erreicht wurde, lag die Wahlbeteiligung in meinem Stadtteil bei 60,8% und in Billbrook bei gerade einmal 40,6%, was den 42,2% aus meinem Wahlbezirk ziemlich nahe kommt.

„Mehr Demokratie wagen.“ hieß es einmal bei Brandt, und er meinte damit die Abkehr von einem obrigkeitsorientierten Denken und das Kappen der letzten autoritären Institutionen der BRD. Heutzutage scheinen sich die Bürger immer weniger bereit Demokratie zu wagen. Sie trauen sich nicht einmal mehr zur Wahl. Eine APO existiert auch nicht mehr, seitdem die Demonstrationskultur erschlafft ist und verballhornisiert wurde. In den letzten Jahren hörte man Philosophen und wissenschaftliche Politologen von der Demokratisierung durch das Internet faseln, doch ich fürchte diese Utopie existiert nur in ihren Träumen.

Das Internet ist ein weiteres Medium, dem es allenfalls gelingt, die ohnehin Interessierten noch besser mit Informationen zu versorgen. Gleichzeitig ist es aber auch ein weiteres Medium, das für Ablenkung und Zerstreuung sorgt. Es ist wirklich eine der Sachen, die mich am Nachdenklichsten stimmen, daß seit dem Umzug von Bundestag und Regierung in die Hauptstadt nach Berlin eine viel größere Transparenz in der Politik eingekehrt ist und der Bürger viel besser über die Skandale der Republik informiert wird, während gleichzeitig die Konsequenzen aus diesen Enthüllungen minimal sind. Die Barschelaffäre wäre heutzutage keine Affäre mehr, sondern ein nettes Anekdötchen, für das sich Uwe Barschel einmal kurz und reumütig entschuldigt hätte und anschließend weiter gemacht hätte und noch schlimmer, trotzdem wieder gewählt worden wäre. Die lethargische Gesellschaft, die dies mit sich machen läßt, und es durch sein Nichtstun sogar unterstützt, macht mich fast noch betrübter als die dreistdummen Politiker. Ob dies ein Zeichen von Dekadenz oder ein Zeichen von Dummheit oder noch etwas anderes ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist das daran Verzweifeln auch nur ein Zeichen meiner Arroganz.

Wenn ich à la Schröder in meinen letzten beiden Kommentaren etwas nachgetreten habe, tut mir dies natürlich nicht leid. Ich beabsichtige auch zukünftig, nicht die Klappe zu halten und die Politiker zu beschimpfen, ungeachtet davon, ob sie in der Regierung oder in meinem Flügel der Opposition sitzen. Ich werde also auch zukünftig meinen unabhängigen unparteiischen Senf zu aktuellen politischen Fragen abgeben, allerdings sicher nicht mehr so gehäuft wie vor der Wahl – schließlich ist dies „noch ein Wein-Blog“. Das Label unter dem ich dies tue, steht auch noch nicht fest. Eine erste Idee lautet „Legislaturperiode 09-??“, eine andere Möglichkeit wäre „Die Zuckerpuppe von der Schwarzgeldtruppe – Episode 2.0“, aber das wäre geklaut vom Starkbieranstich auf dem Nockerlberg. Für Vorschläge bin ich auf jeden Fall offen, solange nicht „Ähngieeeeeee“ im Titel vorkommt, schließlich ist immer noch nicht endgültig geklärt, ob Mick Jagger den Song nur geschrieben hat, um David Bowies damalige Frau ins Bett zu kriegen. „Iiiiimaaaahn“ wäre da heutzutage wohl doch eindeutiger.

Sollten keine guten Vorschläge eingehen, und mir auch nichts Besseres einfallen, kann ich mich natürlich immer noch an den aktuellen Themen orientieren, etwa „Gesundheitsfond geschlossen – Krankenhäuser auch“.

Solltet Ihr an dem Treiben der Politiker in den nächsten Jahren doch zu sehr verzweifeln, möchte ich Euch das Motto der Website ins Gedächtnis rufen. Kein Alkohol ist auch keine Lösung.

Bundestagswahl 2009 – die 12.

Manchmal überholen einen die Ereignisse ja. Während ich gestern meine Halbweisheiten und wilde Spekulationen niederschrieb und dabei mir nicht einmal die Zeit nahm, die Nachrichten zu schauen, folgte die SPD dem von mir prognostizierten Kurs und begann mit der Enddemontage.

Natürlich kann ich jetzt im Nachhinein leichthin sagen, daß die Personalwechsel mich nicht überraschen. Ich kann argumentieren, daß ja bereits am Wahlabend die Jusos zwar noch freundlich aber doch sehr deutlich und bestimmt klarmachten, daß sie einen Richtungswechsel fordern und zwar auch einen personellen. In der Tat bin ich dann auch gar nicht von der Tatsache des Rückzugs von Münte überrascht, sondern nur von der Geschwindigkeit, mit der sich die personellen Wechsel vollziehen. Wahrscheinlich ist der Schock einfach zu groß, als daß die Altgedienten länger als einen Abend an der Macht kleben konnten, zumal sich ja auch ihre alten Kompagnons Struck, Schily und Riester mit dieser Wahl von der politischen Bühne zurückzogen und ihnen damit keine Unterstützung anbieten konnten. Man wird sehen müssen, wie lange Steinmeier als Fraktionsvorsitzender durchhält.

Interessanterweise hatte der Cicero im Vorfeld der Wahl für den Fall dieses desaströsen Wahlergebnisses genau das jetzt eingetretene Szenario entworfen mit dem umstrittenen Gabriel als Vorsitzenden, der streitbaren Nahles als starker Generalsekretärin in den Startlöchern und Steinmeier als Fraktionsführer.
Für die SPD insgesamt bedeutet diese neue Konstellation einen Sprung in Richtung Beliebigkeit und nach links. Man wird sehe, was es bringt, und Schlaueres bringe ich dazu auch nicht zustande.
Ich weiß ja nicht, ob man sich jetzt um Gabriel und Nahles Sorgen machen sollte, schließlich ist die Verweildauer von Vorsitzenden und Generalsekretären bei SPD in den letzten Jahren eher kurz, und die Amtsinhaber waren im Anschluß extrem verschlissen. Man denke nur an den unglücklichen Beck. Lehnen wir uns einfach zurück und lassen sie ihr Spiel spielen.