Stadion Hammer Park gesperrt

Fundierter und weniger aussschweifend hat Christoph das Thema beschrieben.

Leichtathletikstadien gehören in Deutschland zu einer aussterbenden Art. Als Fan des FCK habe ich mich ja auch immer über die einmalige Athmosphäre des Stadions gefreut. Ähnlich wird es in Hamburg den Fans von St. Pauli ergangen sein. Doch beide sowohl der Betze‘ als auch das Millerntorstadion wurden ursprünglich als originäre Fußballstadien gebaut. Das unterscheidet sie von vielen Stadien in Deutschland, die im Zuge von Umbaumaßnahmen seit den 90ern zu Fußballstadien umgebaut wurden.

Das Hamburger Volksparkstadion (heute SOFFIN-Arena) gehört zu den Stadien, die mit der Umbenennung in eine Arena sich gleichzeitig von dem direkten Wettkampf zwischen einzelnen Athleten verabschiedeten und sich zu rein kommerziellen Unterhaltungstempeln wandelten, in denen sich das Leben nur noch um den Ball dreht. Diese steuerfinanzierte Subventionsmaßnahme zur Monopolisierung des Fußballs in großen Stadien wird von allen Bürgern, die Steuern zahlen, finanziert, selbst von denen, die weder Sport treiben noch sich dafür interessieren. Als Leichtathlet empfand ich echte Wehmut als dem ehemaligen Stuttgarter Neckarstadion, immerhin Austragungsort einer der besten Leichtathletik-WMs aller Zeiten sowie von Leichtathletik EM und 3 Leichtathletik-Weltfinalen, die Laufbahn auf Drängen von Daimler und dem Vfb gestrichen wurde und daß, wo das Stuttgarter Leichtathletikpublikum den Ruf hatte, besonders begeisterungsfähig und sachverständig zu sein. Viele andere Laufbahnen, Diskus – und Weitsprunganlagen verschwanden unbemerkt aus dem Frankfurter Waldstadion ebenso wie die Hochsprungmatten aus dem Niedersachsenstadion in Hannover. Selbst das Olympiastadion in München stand in Gefahr, die Leichtathletik ebenso wie seinen Status als Ikone der Architektur zu verlieren und konnte die Leichtathletik nur deshalb retten, weil es stattdessen die nirgendwo sonst so arroganten Fußballer verlor.

Während das Stadionrund immer mehr zu einem Arenenrechteck wird und bald nur noch das Berliner Olympiastadion als großes Leichtathletikstadion in Deutschland zur Verfügung steht, schreitet der Abbau der Leichtathletikplätze auch im Kleinen immer weiter voran.

Das Stadion am Hammer Park, einer der wenigen verbliebenen Leichtathletikstützpunkte in Hamburg, ist jetzt auch bedroht. Weil die Stadt Hamburg die Trainingsanlage nicht mit den notwendigen Ressourcen ausstattet, ist eine fachgerechte Betreuung und Wartung der Anlage derzeit nicht gegeben. Daß die technischen Mittel zum Räumen der Bahn ebenso wie ein Platzwart vorhanden sind, ist für die Stadt kein Anlaß die Leichtathletikanlagen zu räumen und den Leichtathleten ein Training wie bspw. in der Jahn-Kampfbahn zu ermöglichen. Auch die Dusch- und Umkleidemöglichkeiten stehen der Leichtathletik nicht zur Verfügung. Nachdem die Stadt zunächst eine unbürokratische Verbesserung in Aussicht gestellt hatte, erfolgte jetzt mit der offiziellen Sperrung ein Zementieren des bisher nur schlecht organisierten Status Quo. Wohin das führen soll, ist zunächst noch unklar.

Wenn man all das bedenkt, was der Leichtathletik in den letzten Jahren widerfahren ist, liegt die Befürchtung nahe, daß die Stadt Hamburg das, was sie mit dem Raubbau der Leichtathletikanlagen des Volksparkstadions begonnen hat, am Hammer Park fortsetzen will und einen klitzekleinen Teil der beim Volkparkstadion zu Lasten der Leichtathletik verprassten Steuergelder erneut auf Kosten der Leichtathletik einsparen will.

Besonders schade empfinde ich das dies in einem Moment passiert, wo die Leichtathletik einen zusätzlichen Aufwind erfahren hat. Im TH Eilbeck, welcher bisher auf der Anlage am Hammer Park trainieren konnte, steigen bspw. die Zahlen der Mitglieder der Leichtathletik seit Jahren an. Daß gerade die Leichtathletik eine gute Sportart ist, um den Körper ganzheitlich zu trainieren und viel für die Sportlichkeit von Kindern und Jugendlichen tut, interessiert die Stadt dabei anscheinend ebenso wenig, wie die eindeutig positiven Auswirkungen auf die Gesundheit und die Vielzahl an Läufern in Hamburg.

Berlin-Marathon Teil 2 und Schluß

Hier machten die Zuschauer den Veranstalter einen Strich durch die Rechnung und verengten die Fahrbahn. Dies bot Tour de France Stimmung in zweierlei Hinsicht. Erstens bot der enge Kontakt mit frenetisch feiernden Zuschauern einfach eine Gänsehautatmosphäre. Zweitens wurde das Läuferfeld so verdichtet, daß man aufpassen mußte, dem Vordermann oder der Vorderfrau nicht in die Hacken zu laufen.
Eigentlich bereits seit km 2 war das Wetter der Gegner der Läufer. Ich kann mich nicht entsinnen bei einem Marathon schon so früh mit dem Schwitzen begonnen zu haben. Die offiziellen Temperaturen waren wahrscheinlich gar nicht so hoch, aber die Sonne knallte ziemlich gnadenlos auf uns herunter und man konnte ihr natürlich nicht 42 km lang ausweichen. Viel Trinken war also angesagt. Sonst nehme ich auf den ersten 20km gerne nur 2 Versorgungsstellen wahr. Hier nutzte ich zumindest alle 5 km einen Versorgungsstand. Berlin zeichnet sich dadurch aus, daß ab km 10 alle 2-3 km ein Versorgungsstand am Streckenrand steht.
Die nächste Abzweigung führte uns in Richtung km 15 und zum Kottbusser Tor. Ich bin ja überzeugt, daß wenn Alfred Döblin heute Berlin Alexanderplatz schreiben würde es Berlin Kottbusser Tor heißen würde. Die Trostlosigkeit dieser Gegend im Herzen des pulsierenden Kreuzbergs hat etwas sehr Trauriges und zugleich schaurig Faszinierendes. Zwei der Dreimal, die ich jemand am hellichten Tag gesehen habe, der sich auf offener Straße einen Schuß setzt, was für mich mit das abstoßenste und zugleich verzweifelste Bild menschlichen Daseins aufzeigt, kamen in dieser Gegend vor. Und doch hier in Kreuzberg kriegt man die besten Döner Deutschlands.
Bei km 15 stand eine 1:10:46 als Bruttozeit auf der offiziellen Uhr. Meine Rechenkünste hatten offensichtlich schon einen leichten Sonnenstich abbekommen, denn ich ging davon aus, auf eine 3:20 zuzulaufen. Als ich nun auf dem Kottbusser Damm den im Schottenkostüm verkleideten Zug- und Bremsläufer für 3:15 passierte, wollte ich ihm schon zurufen, daß das mit 3:15 nichts wird, aber ich konnte meine Häme dann doch zurückhalten, wahrscheinlich weil die mathematische Region meines Gehirns doch einen sachten und nur unterbewußt vernehmbaren „das stimmt nicht“-Impuls sendete.
Am Hermannsplatz konnte ich endlich erkennen, wofür eigentlich die MLPD steht, die entlang der Strecke viele Plakate plaziert hatte. Es ist nicht, wie von mir spekuliert, die Nachfolgepartei der APPD, der anarchistischen Pogo Partei Deutschland, sondern die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands, die damit wirbt Kapitalismuskritik im Original zu liefern. Es mußte ja einen Grund geben, wieso die Partei bei mir im Wahl-O-Mat durchgefallen war. Am Hermannsplatz bogen wir ab auf einen klaren Westkurs in die Hasenheide, der sich über fast drei km in die Gneisenaustraße fortsetzte. Hier überkam mich wieder etwas wie die reine Freude am Laufen. Es war einer dieser Momente, in denen man mit sich selbst und dem Lauf an sich zufrieden ist und ihn einfach nur genießt. So ging es durch die Yorckstraße in brutto 1:33:12 an km 20 vorbei. Damit war ich, was mir zu dem Zeitpunkt nicht bewußt war, die zweiten 10km in exakt 45:00min gelaufen und damit viel zu schnell, was mir schon allein deshalb eher präsent war, da meine Muskeln doch sich das erste Mal, wenn auch noch auf harmlose Art und Weise bemerkbar machten.
Jeder Läufer hat ja eine unterschiedliche Antwort darauf welcher Punkt in einem Marathon besonders kritisch ist. Meistens kann man sich auf die Strecke nach km 30 oder 35 als Größtem Gemeinsamen Nenner einigen, und sicher ist jeder Lauf anders. Ich stelle immer wieder, gerade in Berlin, fest, wie wichtig die km 20-25 sind. Der Läufer ist in einen gewissen Trott geraten, kommt mit seinem Tempo noch relativ gut klar und gerät in Gefahre es sich gemütlich zu machen, was angesichts der tollen Stimmung an Potsdamer- und Grunewaldstraße eigentlich verwunderlich ist. Aber gerade hier gerät der Läufer in Versuchung das Tempo zu verschleppen, so daß dies in der Vergangenheit für mich ein Punkt war, an dem ich mich aus Gruppen gelöst habe und versuchte das Tempo zu forcieren und gleichzeitig Probleme hatte, es überhaupt zu halten. Die Strecke führt in diesem Abschnitt durch die Martin-Luther-Straße am Rathaus Schöneberg vorbei streng nach Süden in die Hauptstraße, ein Straßenname, der mich in einer Stadt wie Berlin jedesmal schmunzeln läßt. Leider drosselte ich mein Tempo nur unmerklich und passierte die 25km-Marke in brutto 1:55:54, was 22:42 für die letzten 5km bedeutete.
Kurz darauf wieder auf Westkurs Schöneberg verlassend und nach Dahlem einlaufend, traf ich auf Till Teuber aus Hamburg, der für die Lebensfitness e.V. lief und wir liefen für 1,5 km zusammen. Er erzählte mir, daß es bei ihm jetzt schon der 19. Berlin-Marathon war, er ebenso untrainiert war wie ich, sich ähnlich wie ich deshalb an den 3:30 orientierte und ebenso eigentlich zu schnell lief, aber es gleichfalls nicht tragisch fand. Er hatte mitbekommen, daß Haile wohl 30 Sekunden unter Weltrekordkurs lag, und wir konnten spekulieren, ob er jetzt schon im Ziel war. Wieder alleine lief ich durch die Lentzeallee. Früher, als das Ziel noch in der Tauentzienstraße lag, war dieser Streckenabschnitt den Läufern geradezu verhaßt. Damals kam man hier auf die magischen 35km zu durch die ganz leicht aber doch bemerkbar ansteigende Lentzeallee, die sich endlos lang bis zum Wilden Eber hinzieht. Die Zuschauer wußten das, und so wie der Anstieg verhaßt, war der Wilde Eber bei den Läufern beliebt, hatte man hier doch das Ende des Anstiegs erreicht, und traf auf eine Masse an Zuschauern die eine bombastische Stimmung verbreiteten. Heute passiert man km 28 und der an und für sich harmlose Anstieg ist immer noch eine Qual. Geblieben sind auch, und das ist den Einwohnern Dahlems hoch anzurechnen, die Zuschauermassen. Am wilden Eber ist eine Bühne für eine ausdauernde Tanzgruppe aufgebaut, die hier zu heißen Sambaklängen eine Wahnsinnsstimmung macht. Durch die Rheinbabenallee ging es jetzt Richtung Nordwest und am Hohenzollerndamm hatten wir den westlichsten Punkt der Strecke erreicht. Jetzt ging es den langen Hohenzollerndamm entlang bis zum Fehrbelliner Platz bei km 32. Km 30 erreichte ich nach brutto 2:18:21, womit ich zwischen km 25 und 30 exakt eine Sekunde langsamer lief als zwischen km 15 und 20. Die km-Zeiten pendelten sich auf 2 Sekunden genau um 4:30 min ein, trotz des Anstiegs der Lentzeallee.
Die Strecke am Hohenzollerndamm ist mit die langweiligste des gesamten Marathons. Vorbei an westdeutschen Plattenbauten, Bürogebäuden und so gut wie keinem Publikum läuft man nach Nordost bis es am Fehrbelliner Platz durch die Brandenburgische Straße in die Konstanzer Straße geht. Mir wurde klar, daß ich meinen Psychotrick von langen Trainingsläufen noch gar nicht angewandt hatte. Dort rede ich bei km-Marken vor mich hin „Nur noch 10 km“, auch wenn es noch weit mehr als 10 km sind, und auch wenn es schon längst keine 10 km mehr sind. Jetzt waren es weniger als 10 km, so daß ich auf diesen Trick nicht mehr bauen konnte. Das Erreichen des 33-km-Schilds versetzte mich dennoch irgendwie in Hochstimmung, war ich doch immer noch gut auf den Beinen. Das mich hier in der Konstanzer Straße vor der freundlichen Cornelia Apotheke meine Familie und deren Bekannte feierten verstärkte dieses Hochgefühl noch. Da ich mich recht gut fühlte, und die Zeit ja auch wirklich keine Rolle spielte, erlaubte ich mir hier auch einige Späßchen mit meinen Lieblingszuschauern. Ich konnte meiner Tante ansehen, daß sie das neunte Jahr in Folge die Aufputschmittel vergessen hatte. Da ich mich ohnehin noch gut fühlte, entschied ich mich dazu, einfach weiter zu laufen und sie nicht nach irgendwelchen Mittelchen kramen zu lassen. O.K., eigentlich sollte ich über dieses Thema keine Witze machen, aber seit wann besitze ich guten Geschmack?
Ziemlich genau ab hier nahm die Kulisse wieder zu. Als ich kurz darauf auf den Kudamm einbog, war es wieder phantastisch, wie viele Menschen hier an der Kurve und entlang beider Seiten des Kudamms standen. Das war Athmossphäre pur. Km 34 und 35 wurden mit 4:22min und 4:23min dann auch die schnellsten km meines Laufs.
Das was jetzt kommt möchte ich unter ein Zitat aus dem Film „Spiel auf Zeit“ mit Nicholas Cage stellen. Die Schlüsselszene, in der Box-Champion auf Kommando zu Boden geht, um von einem gleichzeitig stattfindenden  Attentat abzulenken, wird durch das Kommando „Jetzt kommt der Schmerz“ eingeleitet.
Jeder Läufer kennt die Geschichten vom Mann mit dem Hammer, entgegnet routiniert, daß das ja stimme, aber das Training von langen Läufen ja das A und O sei und blablabla. Ich hatte in meiner knapp bemessenen Vorbereitung nur einen Lauf über 35km. Und jetzt kam, pünktlich wie die Maurer, der Mann mit dem Hammer. Er drosch auf mich ein und schrie mir mit einer widerwärtig lachenden Visage ins Gesicht: „Jetzt kommt der Schmerz.“ Die noch ausstehende Strecke könnte ich also mit einer permanenten Wiederholung des Worts Auuu beschreiben, doch dies würde nicht ganz stimmen, denn es waren nicht die Muskeln die schmerzten, sondern die allgemeine Erschöpfung. Wenn also einer der Leser einen passenden Ausdruck für Röcheln kennt, können wir an dieser Stelle den Bericht damit gerne an dieser Stelle zu Ende führen.
Hier am alten Ziel beim Wittenbergplatz traf ich auf einen Läufer mit Shirt-Aufdruck „Projekt 2:99 – Hauptsache unter 3“. Ich munterte ihn auf, und beruhigte ihn, daß er sein Projektziel locker erreichen wird. Bis km 38 konnte ich mich noch ein wenig mit den Bands am Straßenrand ablenken. Ihnen Dank und Applaus zu spenden, gab auch mir noch einmal einen kleinen Auftrieb. Getränkestände dagegen hatten schon länger einen zweischneidigen Charakter. Natürlich brauchte man das Wasser, wegen des Wetters zur Abkühlung und zum Ausgleich des Flüssigkeitsverlusts, doch direkt nach dem Trinken lag die Flüssigkeit zunächst schwer im Magen.
Ab km 38 half dann nichts mehr. Die Verlockung stehen zu bleiben, eine kurze Strecke nur zu gehen, wurde immer größer, und ich nahm von der Umgebung eigentlich nichts mehr war. Von dem Anlauf zum Potsdamer Platz habe ich nur noch einen kurzen Blick auf das Sony-Center im Gedächtnis. Daß ich an der neuen Nationalgalerie und an der Philarmonie vorbeilief, war mir sicher irgendwie klar. Hätte man mich hier nach dem Weg dahin gefragt, hätte ich wohl noch in eine Richtung zeigen können, gleichwohl habe ich diese Gebäude, wie all die anderen besonderen Gebäude von Mitte, an denen ich jetzt vorbeilaufen sollte nicht wahrgenommen. Es war kein Tunnelblick, es war keine Trance, in der ich mich balancierte, es war einfach nur ein permanentes Fallen in den nächsten Schritt, das mich weiter voran trieb. Gefühlt stand ich. Hätte man mich gefragt, hätte ich vermutet eine 5:30min zu laufen. Tatsächlich war es nur unwesentlich langsamer als zuvor. Zwischen km 35 und 40 benötigte ich 23:03min also 45 Sekunden mehr als auf den 5 km zuvor. Dies war der drittlangsamste 5km-Abschnitt des Laufs. Damit hatte ich alle 5km-Abschnitte zwischen 22:18min und 23:22min durchgezogen. Km 40 gab mir noch mal einen leichten Push. Wie bei jeder Marke seit km 36 versuchte ich mich an meine Heimstrecke zu erinnern und wie lächerlich das war, was jetzt noch kommt, und daß ich ja schon längst auf dem Rückweg der Standard 16km-Strecke war. Dazu begleiteten mich wie meistens Musikstücke, obwohl ich keinen I-Pod dabei hatte. Besonders angetan hatte es den musikalischen Regionen meines Gehirns gerade auch in dieser kritischen Phase Udo Lindenbergs schöner Song „denn ich mach mein Ding“ (ich tu, als ob ich sing).
Wie gesagt an Gebäude kann ich mich nicht erinnern, nur an eine kurze Kopfsteinpflasterpassage in der Oberwallstraße.
Das Erreichen von Unter den Linden war so etwas wie ein vorgezogenes Finish. Ja, jeder Meter auf dieser sich furchtbar lang hinziehenden Straße tat noch weh, aber irgendwie hatte sich doch die Gewißheit durchgesetzt, daß ich das jetzt durchziehe und mich von nichts mehr abbringen lasse. Der Anblick des Brandenburger Tors wird für mich immer etwas Magisches besitzen, und so entsinne ich mich doch an ein Bauwerk auf diesen letzen Metern, dessen Durchquerung ich fast so sehr ersehnte wie Millionen anderer Deutsche 20 Jahre zuvor.
Es ist noch immer so, daß mich beim Durchlaufen des Brandenburger Tors nicht der Stolz über die eigene Leistung bewegt, sondern die Freude hier überhaupt durchlaufen zu können. Es gibt einfach kein würdigeres Ziel für den Berlin-Marathon. Das Brandenburger Tor setzt einfach Emotionen frei.
Aus einem für mich unerfindlichen Grund freute es mich besonders diesmal das Tor in der Mitte quasi durch die Hauptöffnung zu durchqueren. Hinter dem Brandenburger Tor warteten noch ein paar letzte Meter und eine grandiose Stimmung der begeistert anfeuernden Zuschauer auf uns Läufer.
Direkt unter dem 42km-Schild sah ich dann einen tragisch Gescheiterten, der von Sanitätern auf eine Trage bewegt werden sollte. Aus seinem Gesicht sprach noch der Wille die letzten 195 Meter zu schaffen, doch sein Körper sprach eine andere Sprache. Der wollte partout nicht mehr. Ich möchte nicht wissen, wie viel andere, insbesondere bei den langsameren Läufern, den hohen Temperaturen Tribut zollen mußten, doch so kurz vor dem Ziel ist es natürlich besonders bitter. Ich habe ja zwei Vereinskameraden, die für Krämpfe, Zerrungen, etc. auf den letzen Metern berühmt berüchtigt sind, gerade auch dann wenn Sub3 eigentlich schon im Trockenen war, doch ein so bitteres Scheitern ist ihnen zumindest erspart geblieben. Sie konnten sich immer noch ins Ziel schleppen.

Nach einem so traurigen Ende, kann ich dennoch ein positives Fazit ziehen. Mein Fuß hat gehalten! Ich habe keine Schmerzen in den Bändern verspürt. Nach dieser Maximalbelastung kann ich das Thema Bänderanriß damit wohl ad acta legen. Außerdem kann ich den Lauf durchaus als erfolgreiche Generalprobe für zukünftige Angriffe auf bessere Zeiten ansehen. Denn ich habe mein Ding durchgezogen und bin durchgelaufen, trotz der großen Verlockung gerade bei einem Lauf, bei dem es um nichts ging, der Bequemlichkeit nachzugeben. Die Zeit ist selbstverständlich nebensächlich. Sie dürfte aber das Maximum des an diesem Tag Möglichen sein. Ein besonderes Lob möchte ich meinen Beinen spenden, die vom 1. Km an intuitiv ahnten, was mein Körper tatsächlich drauf hatte, obwohl mein Kopf ihm eine solche Zeit verbieten wollte. Ein bißchen Anarchie im eigenen Körper paßt auch gut zu Berlin. Ich freue mich auf jeden Fall auf nächstes Jahr. Der Berlin-Marathon bleibt einfach das Maß der Dinge.

Berlin-Marathon Teil 1

Was kann man noch Neues über den Berlin-Marathon schreiben, wenn man ihn das neunte Mal läuft? Glücklicherweise habe ich bisher noch nicht über ihn geschrieben, so daß ich tun kann, als wäre es das erste Mal.
Die Aufregung des ersten Mals wie vor 8 Jahren war natürlich verflogen, aber die Frage der freundlichen Helferin bei der Startnummernausgabe: „Sie kennen sich ja aus?“ hat mich dann doch etwas verblüfft. Ich habe aber nicht gefragt, woran sie erkannt hat, daß ich Wiederholungstäter war.
Daß die Laufzeit, für die mich im Dezember angemeldet hatte, eine Utopie darstellte, war mir natürlich bewußt, aber ich hielt mich für mündig genug, mich selbständig in einen hinteren Startblock einzuordnen.
Neu war, daß die Startnummernausgabe diesmal im stillgelegten Flughafen Tempelhof stattfand und dort ebenso reibungslos ablief wie in den Jahren davor im E-Werk und bei der Messe. Offensichtlich wollen die Organisatoren, daß man Berlin auch abseits der Marathonstrecke kennenlernt. Schade nur, daß es der Stadt nicht gelingt, dauerhaft eine vernünftige Nutzung für das alte Flughafengelände zu finden. Hier wäre doch einmal der Raum für großflächige Utopien im Herzen der Stadt. Doch wahrscheinlich haben die Politiker unserer heutigen Zeit zu viel Angst und zu wenig Geld für waghalsige Projekte.
Wegen des eingestellten S-Bahn-Betriebs zwischen Zoo und Lehrter Bahnhof nahm ich diesmal die U-Bahn zum Potsdamer Platz, was einen etwas längeren Fußmarsch zum Startgelände erforderte. Die bereits hier strahlende Sonne veranlaßte mich dazu, viel Wasser vor dem Start zu trinken, an das ich diesmal glücklicherweise gedacht hatte. Auf ein Einlaufen verzichtete ich dagegen. Schließlich galt es für mich, nicht eine magische Zeit zu erlaufen, sondern einfach nur heil durchzukommen. Ich wollte also mehr oder minder mein Trainingstempo durchlaufen und hatte mir eine Zielzeit von 3:30 gesetzt, ohne daß deren Einhaltung für mich eine Bedeutung gehabt hätte, aber doch zumindest eine Orientierungshilfe bieten sollte, damit ich nicht übermäßig schnell laufe.
Was ich, wie in jedem Jahr, bemängeln kann, ist der von der Organisation künstlich herbeigeführte Stau beim Verlassen des Startgeländes zum Zugang zu den Startblöcken. Die Verengung des Weges durch eine mäßig breite Öffnung der Absperrung sorgt jedes Jahr für Stau und Ungemach. Hier könnte man sich durchaus mal, anhand Verhaltensstudien zur Öffnungsdurchquerung von Menschen mit kompetativem statt unterstützendem Verhalten orientieren oder noch schlichter, einfach die Öffnung breiter machen, anstatt in panischer Angst zu leben, daß Unbefugte auf das Startgelände gelangen könnten.
Statt gemäß Startnummer nach Startblock B entschied ich mich in die Mitte des Blocks D zu gehen. Das schien meiner Zielzeit angemessener. Wie meistens versuchte ich mich so kurz vor dem Start zu entspannen. Ich machte die Augen zu, und ging so drängenden Fragen nach wie: „Habe ich auch das Bügeleisen ausgemacht?“ Nein, im Ernst, es gelang mir dieser kuriose Mischmasch zwischen die Umwelt vergessen, und sich auf ein harmloses Detail der Umwelt konzentrieren gelang mir recht gut. Als Musik spielten die Veranstalter Ravels Bolero und dazu sagten ausländische Sprecher so schöne Sätze wie „Hartelijk welkomen bij de Real-Berlin-Marathon“. Dies war das Detail an dem ich mich festhielt. Ich fand den Moment deshalb so schön, weil er etwas vereinigendes mit den Menschen der unterschiedlichsten Stationen hatte, die hier am Start waren und Spaß am Laufen haben wollten. Die Veranstaltern, die den Lauf ja unter dem Motto 20 Jahre Wiedervereinigung stellen wollten, mögen von diesem Gedanken auf die Idee gebracht worden sein. Ich meine aber mich zu entsinnen, daß diese Begrüßungszeremonie auch in den Jahren zuvor stattfand, nur dann eben von mir erfolgreich ausgeblendet wurde. Diemal riß mich ein Franzose aus der Konzentrations- und Ablenkungsphase, der mir auf den Rücken klopfte und mir bedeutete, daß sich das Feld aufgrund einiger niedergerissener Absperrbänder ein paar Meter nach vorne bewegte.
Bevor ich nun zu dem Lauf komme, der aus mir unbegreiflichen Gründen von einem Sportartfremden, nämlich dem Fußball-Bundestrainer Joachim Löw, gestartet wurde, möchte ich noch ein kleines Detail vorweg schicken, daß mir in gewissen Punkten es unmöglich macht, den Lauf so zu schildern, wie ich ihn tatsächlich live wahrgenommen habe.
Seit Monaten will ich mir eigentlich eine neue Sportuhr kaufen, weil die Anzeige meiner Uhr, während des Trainings häufig nicht ablesbar ist. Wie gut das Display zu entziffern ist, ist sehr unterschiedlich. Wenn die Uhr etwas Organisches an sich hätte, würde ich sagen, es liegt an der Tagesform, wahrscheinlicher eher an den Wetterumständen, welche die Stromversorgung mehr oder weniger begünstigen. An diesem Tag konnte ich die Anzeige sehr schlecht entziffern, um nicht zu sagen – gar nicht. Zwischenzeitlich war es kurzfristig minimal besser, aber dann beschlug das Display, und es ging wirklich gar nicht. So viel also zur Orientierung an der 3:30, die ja bekanntlich die angenehmste Laufzeit ist, da man einfach stur einen 5er-Schnitt durchlaufen muß.
So lief ich also mehr oder minder blind los, was die Zeit anbelangt und mit mehr oder minder offenen Blick für die Sehenswürdigkeiten Berlins. Bereits direkt nach dem Start auf der Straße des 17. Juni wurde ziemlich klar, daß es schwer werden würde, viel zu sehen. Sicher gab es hier außer den Bäumen des Tiergartens nicht viel zu sehen, und die frontal vor einem stehende Goldelse war dann doch schwer zu übersehen, doch mehr als auf die Siegessäule mußte ich auf darauf achten, den Läufern in meinem Umfeld auszuweichen, die von vorne auf mich zukamen. Soviel also zu der Mündigkeit anderer Läufer sich richtig einzuordnen. Ich kam mir auf jeden Fall wie in einem billigen Computerspiel der 80er vor, in dem man mit seinem Raumschiff durch irgendwelche Tore fliegen mußte. Wie damals kamen mir auch hier die Tore viel zu eng vor und die Geschwindigkeit, mit der sie auf mich zukamen, viel zu hoch. Wenigstens hatte ich neben Pfeiltaste Links und Pfeiltaste Rechts (Hatte mein Orthopäde mir nicht von seitlichen Bewegungen abgeraten?) einen weiteren Steuerparameter, nämlich die eigene Geschwindigkeit. Ich benötigte für den ersten Kilometer, wie ich am späten Abend, als ich die Aufzeichnung meiner während des Laufs nicht lesbaren Uhr kontrollierte fast perfekte 4:55min. Weiter auf der Straße des 17. Juni ging es nun in Richtung Ernst-Reuter-Platz vorbei an einem Flohmarkt, der hier am künstlichen Charlottenburger Tor eigentlich immer stattfindet, wenn ich mich in dieser Gegend befinde, aber natürlich nicht mal ansatzweise mit dem Marché aux Puces in Paris vergleichbar ist. Am Ernst-Reuter-Platz verengerte sich die Laufstrecke auf drei Fahrstreifen. Hatte sich die Dichte des Läuferfelds gerade etwas entspannt nahm sie hier unvermeidbarerweise wieder zu. Dies muß man den Streckenplanern in Berlin wirklich hoch anrechnen: Die Strecke geht fast ausschließlich durch große Straßen und auch wenn das Feld manchmal arg dicht ist, es läßt sich immer noch laufen, und es gibt keine abrupten Wechsel der Richtung. Auch am Ernst-Reuter-Platz, wo wir von West nach Nord-Nord-Ost in die March- und Franklinstraße abbogen, war die Kurve sehr sanft. Bei km 3 bot sich mir ein schönes Bild. Die Marchstraße fällt zunächst langsam ab, um dann zur Brücke über den Landwehrkanal wieder anzusteigen. Dadurch konnte ich das Feld auf einer Länge von mehreren Hundert Metern vor mir laufen sehen. Diese Läufermassen vor mir zu erblicken, war ein herrliches Motiv.
Kurz vor km 4 überquerten wir, von mir unbemerkt, zum ersten Mal die Spree und bogen ab nach Osten nach Moabit. Bei km 5 hatte ich Gelegenheit auf eine von den Veranstaltern aufgestellte Laufzeituhr. Sie zeigte 0:24:54 an, also eigentlich perfekt. Ich rechnete jedoch aus, daß wenn ich eine Minute gebraucht hatte, um über die Startlinie zu kommen, ich tatsächlich 24:00 gelaufen wäre und somit eher auf eine 3:23 als auf eine 3:30 zulief, doch die Zeit war ja nebensächlich, und ich stempelte diese Überlegung als „Interessant. Im Auge behalten ab.“ Tatsächlich benötigte ich 1:32 Minuten, um über die Startlinie zu kommen.
Vorbei an der durch seine berühmten Insassen aus der SED-Führungsriege bekannten Knast Moabit ging es also weiter. Bei km 6 hatte ich einen kurzen Moment Glück und konnte auf meiner Uhr eine 4:33 erraten, was mir dann doch viel zu schnell war, zumal mir mein Gefühl richtigerweise sagte, daß die Kilometer zuvor auch nicht wesentlich langsamer waren. Ich beschloß eine strategische Pinkelpause hinter der Staatsanwaltschaft an den Brückenpfeilern der nicht fahrenden S-Bahn zu machen, um dadurch den Rhythmus zu verlieren und Tempo raus nehmen zu können.
Bei km 7 waren wir, diesmal beiläufig von mir registriert, erneut über die Spree und an der Rückseite des Kanzlerinnenamtes vorbei gelaufen (endlich paßt die neue Rechtschreibung einmal). Wir befanden uns auf Höhe der herrlich altmodischen Schweizer Botschaft. Die Schweizer Botschaft nimmt eine merkwürdige Position in dem Platz zwischen Reichstag und Kanzleramt ein. Sie paßt weder zu der modernen Architektur des Kanzleramts noch zu dem bombastischen und durch die Kuppel himmlisch erhöhten Monumentalbau Reichstag noch zu der Größe der freien Fläche des Platzes, und doch möchte ich dieses Gebäude in seiner Schlichtheit gerade an diesem Platz nicht missen. Es holt den Beobachter einfach zurück auf den Teppich und erinnert eher an ein Fort, indem das Schweizer Bankgeheimnis bis zur letzten Pistolenkugel gegen die Kavallerie verteidigt wird. An diesem herrlich einfachen Haus sollte ich also meinen bis dato langsamsten km mit 5:10 laufen. Auf meiner Uhr erkannte ich nur die 5, was mir angesichts der freiwilligen Pause immer noch schnell, zumal ich bei der erneuten Überquerung der Spree, die hier ja ihren berühmten Bogen schlägt, Läufer, die mein Tempo liefen, etwas von 4:40 reden hörte, was keine wesentliche Temporeduzierung meinerseits indizierte.
Die Reinhardtstraße hinunter bot sich erneut das Bild der vor einem laufenden Massen. Am Ende der Straße liegt der Friedrichstadtpalast. Jedes Jahr wieder träume ich beim Anlauf auf das Theater davon, daß die Revuegirls an der Straße stehen und Cancan tanzen. Jedes Jahr wieder halte ich meinen Blick auf das Theater gerichtet, was mich häufig die hiesige Kurve nach Norden und das dort befindliche km 8 Schild übersehen läßt, und jedes Jahr werde ich enttäuscht. Wenn schon nicht die Revuegirls so möchte ich an dieser Stelle doch die unzähligen Bands, Trommlertruppen, Tänzerinnen und die begeistert Anfeuerung spendenden Zuschauer loben. Sie machen den Berlin-Marathon Jahr für Jahr zu einem großartigen Ereignis.
Der Abzweig in die Friedrichstraße ist eigentlich eine Art Schikane im technischen Sinn, biegt man doch kurz darauf wieder nach Osten ab. Hierbei kommt die Schikane im metaphorischen Sinne, biegt man doch in die Torstraße und nicht in die Oranienburger Straße. Beim Schönhauser Tor erreichten wir km 10. Die offizielle Uhr zeigte 48:12, was mir verdeutlichte, daß ich irgend etwas mit einer 23 vorne dran auf den letzten 5km gelaufen war. 23:18 um präzise zu sein. Auf jeden Fall recht schnell, insbesondere, wenn man meine Pause bedenkt.
Nachdem die Torstraße in die Mollstraße übergegangen war, bogen wir nach Süden in die Otto-Braun-Straße ab, wo wir uns quasi am Fuße des Alex befanden, als wir erneut Richtung Osten in die Karl-Marx-Alle abbogen. Am Kreisverkehr des Strausberger Platz machten wir eine 270°-Drehung und änderten die Richtung gen Süden in die Lichtenberger Straße. Hier wurde mir wieder einmal deutlich, wie sehr Metropolen wie Paris und auch Berlin das Prinzip der Sichtachse berücksichtigen. Schon aus über einem km Entfernung erblickt man die Michaeliskirche, einen durchaus mächtigen Bau. Durch die lange Anfahrt, bzw. Anlaufen, bei dem einem das Bauwerk immer größer erscheint, gewinnt es langsam an Mächtigkeit im Unterbewußtsein des Betrachters. Interessanterweise findet man diese Sichtachsen selten in gewachsenen Städten, die meist deutlich verwinkelter sind, aber viel mehr in Prestigestädten, in denen Herrscher ihre Macht demonstrieren wollten.
Schon ein kleines Stück vor der Michaeliskirche nahmen wir eine kurze Rechts-Links-Schikane durch die Köpenicker Straße in die Heinrich Heine Straße.

Leichtathletik-WM Tag 9

Ich muß gestehen, ich verspürte schon am letzten Tag der WM Katerstimmung. So schaute ich mir den Marathon der Frauen diesmal im Fernsehen an, auch da ich so mehr vom Verlauf des Rennens mitbekommen konnte als direkt an der Strecke. Mocki lief einen schönen Lauf, doch leider war sie am Anfang doch etwas zu defensiv. Sicher hätte sie auch sonst nichts mit dem Ausgang des Rennens zu tun gehabt, aber vielleicht hätte sie ein paar Plätze weiter vorne landen können. Wie dem auch sei, der von Rußland eröffnete Vierkampf mit China, Japan und Äthiopien, aus dem Rußland als erster mit Seitenstechen aussteigen mußte, war sehr spannend und bot viele Wechsel in der Führung. Daß die Chinesin, die als letzte attackierte, erfolgreich war, gibt Mocki in ihrer Strategie vielleicht doch recht.

Daß für Deutschland an diesem Abend nichts zu holen war, war eigentlich von Beginn an klar. Schließlich gab es auch nur noch 2 Finale mit deutscher Beteiligung. Doch das war nicht schlimm; die deutschen Athleten hatten uns in den vergangenen Tagen mit einem wahren Medaillenregen verwöhnt. Enttäuschungen gab es eigentlich keine, dafür jede Menge postiver Überraschungen.

Ich weiß nicht, woran es liegt, daß ich jetzt über so wenig von diesem Abend schreiben will. Vielleicht an der wehmütigen Stimmung, weil ich wußte, daß diese großartige Veranstaltung an diesem Abend zu Ende gehen sollte und irgendwo im Unterbewußtsein schon ahnte, daß mich am  nächsten Tag die Arbeit erwartete.

Faszinierend war der 5.000m-Lauf. Vor der WM hieß es ja noch Bekele würde nur über die 10.000m starten, doch nun war er auch über 5.000m dabei. Es überraschte, daß er sich von Anfang an sehr aktiv an der Führungsarbeit beteiligte. Noch überraschender war es, daß der Lauf trotz dessem oder sogar deswegen sehr langsam war. Bekele schien sich voll auf seinen Endspurt zu verlassen. Ob er so etwas noch einmal wagt, weiß ich nicht, denn das Duell, das ihm Bernard Lagat aus den USA bot, war grandios. Lagat hatte Bekele auf der Zielgeraden schon überholt, als dieser noch ein paar allerletzte Körner Kraft mobilisierte und Lagat niederrung. Wahrscheinlich war Bekele nach den vielen Wettkämpfen nicht mehr zu einer Topzeit in der Lage und entschied sich daher für diese Taktik. Meinen Glückwunsch dafür, daß sie aufging – wenn auch nur hauchdünn.

Daß auch das 800m-Rennen der Männer mit Mbulaeni Mulaudzi von einem südafrikanischen Mann gewonnen wurde, bot natürlich reichlich Anlaß zum Schmunzeln, wobei ich mich bei Caster Semenya für diesen unangbrachten Witz entschuldigen möchte. Es war ein spannendes Rennen, bei dem ich den Eindruck hatte, daß der stärkste Läufer, der eingeklemmte Amine Laalou, leider nicht entscheidend in den Zielsprint eingreifen konnte.

Diese Beobachtung wird beim 1.500m-Rennen der Frauen interessant. Hier möchte ich nicht in der Haut der Jury stecken. Ja, Natalia Rodriguez hat Gelete Burka umgestoßen, und jeder im Stadion hat es gesehen. Was nicht jeder erkannt hat, ist, daß Burka nicht konsequent innen lief, also eine Art Minimalschlupfloch bzw. zumindest den Anreiz zum Innenpassieren für Rodriguez bot. Wäre Burka ganz innen gelaufen, stellte sich die Frage nicht und Rodriguez gehörte, wie von einigen Zuschauern praktiziert, ausgepfiffen. Meines Erachtens trägt Burka durch den von ihr praktizierten Laufstil jedoch eine gewisse Mitschuld. Die Entscheidung zur Disqualifikation der Ersten Rodriguez halte ich jedoch für konsequent. In der Vergangenheit wurden Läufer bereits für deutlich geringeren und unabsichtlichen Körperkontakt disqualifiziert.

Die Begeisterung bei den 4*400m der Frauen wirkte diesmal etwas weniger stark, und daß obwohl ich diesmal auch aufstand – es war ja immerhin ein Finale. Zu deutlich war wohl, daß das deutsche Quartett hier nichts mit der Entscheidung zu tun hatte.

Mit den 4*400m der Männer und einem überlegenen Sieg der amerikanischen Staffel um Kerron Clement ging die WM dann für mich zu Ende. Auf die Abschlußfeier verzichtete ich dann doch, um meine Abreise etwas einfacher zu gestalten.

Es waren herrliche Tage, wunderschöne Wettkämpfe, eine friedliche und begeisternde Atmosphäre. Es gab unterhaltsame Athleten, große Kämpfe und beeindruckende Leistungen. Die Leichtathletik hat alles gezeigt, was sie zu bieten hat, und wer das neun Tage lang verfolgt hat, ist aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Gerade deshalb ist es schade, daß so wenig Besucher da waren. Gerade bei jungen Zuschauern hätte dieses Ereignis eine ungeheure Begeisterung auslösen und sie für die Leichtathletik faszinieren können. Mir hat es auf jeden Fall so gut gefallen, daß die EM 2010 in Barcelona einen sehr ernsten Gedanken wert ist, in der Hoffnung dort ebenso heitere Tage zu verbringen.

Leichtathletik-WM Tag 8

Nicht deutete an diesem Tag auf den Regen des Vortag hin. Bei für die Zuschauer angenehmen Temperaturen und Sonnenschein startete der Marathon der Männer um 11:45, was für die Läufer dann natürlich schon fast zu spät war. Für mich bot es genug Zeit, um nach einem morgendlichen Lauf an die Strecke zu kommen. Ob es nun gut war, daß der Marathon komplett in der Stadt verlief und sein Ziel am Brandenburger Tor statt im Stadion hatte, oder nicht, ist eine schwierig zu beantwortende Frage.
Die vier Runden boten den Zuschauern die Gelegenheit, die Läufer häufiger hautnah zu sehen. Dies war in Göteborg aber auch möglich trotz Zielankunft im Stadion. Andererseits waren so keine Zuschauer im Stadion und dafür mehr Zuschauer an der Strecke, welche die Läufer zusammen mit den ohnehin marathonbegeisterten Berlinern anfeuern konnten. Aus eigener Erfahrung weiß ich auch, wie geil ein Zieleinlauf durch das Brandenburger Tor ist, wobei ich mich als Deutscher dabei natürlich auch emotional stark an das Tor gebunden fühle. Für den Zuschauer von Nachteil war jedoch die geringe Anzahl an Leinwänden entlang der Strecke, so daß man den Marathon eigentlich nur am Brandenburger Tor durchgängig verfolgen konnte. Auch nervig waren die unnötig strengen Streckenposten, die ein Überqueren der Straße fast unmöglich machten, obwohl es große Zeitfenster zwischen den Läufern gab. Solche Kontrollen würde ich mir mal bei einem vollen Marathonfeld wünschen.
Mit einigen anderen stand ich an der Siegessäule und machte es mir in den, da das Feld immer weiter auseinanderriß, stetig kürzer werdenden Pausen auf dem Rasen bequem. So hatte ich zwar einen sehr faulen und beschaulichen Vormittag, erfuhr von dem Sieger Kirui aber erst aus dem Fernsehen mit deutlicher Verspätung.

Im Anschluß an den Marathon erfolgte übrigens auf der gleichen Strecke ein 10km-Rennen für Hobbyläufer, der sogenannte Champions-Run, von dessen Organisation mir Mitlaufende sehr Schlechtes berichteten. Schade eigentlich. Schließlich gibt es in Berlin wahrlich genug Know-How, um große Laufveranstaltungen zu organisieren. Mich hatte insbesondere der Preis gestört, den ich als Abzocke empfand. Den Lauf als Charity-Run zu bezeichnen, empfand ich als zusätzlichen Hohn. Von den 27€ Startgeld gingen sage und schreibe 2€ an eine Hilfsorganisation, deren guter Name damit so in den Schmutz gezogen wurde, daß ich ihn lieber nicht nennen will. Hätte der Lauf das Gleiche gekostet und wären 12€ an eine Wohltätigkeitsorganisation gegangen, wäre ich wahrscheinlich gerne gelaufen. Immerhin ist mir so das Chaos erspart geblieben.

Der Abend sollte der Abend der Verletzten werden. Doch das konnte zunächst noch niemand wissen. Zunächst sah es so aus, als sollte es vor allem der Abend werden, an dem das Olympiastadion tatsächlich nahezu vollständig gefüllt war. Aber obwohl es seit Wochen hieß, daß dieser Abend ausverkauft sei, blieben doch noch vielleicht 5.000 Plätze frei. Auf jeden Fall war es ein anderes Publikum, das mir etwas weniger Leichtathletik-versiert und etwas mehr national begeistert erschien. Natürlich wurden auch in den Vortagen, die deutschen Athleten besonders angefeuert – auch von mir – aber die Relationen zu dem Anfeuern fremder Athleten schien zu stimmen und gewährte auch diesen einen fairen Beifall für gute Leistungen sowie Unterstützung bei dem Erzielen solcher. Das Publikum war eben auch überaus sportlich. So leid es mir tut und so sehr ich damit wohl auch eine Einzelmeinung verkörpere: die 4*400-Staffel der Frauen war für mich beinahe der negative Höhepunkt. Für den Vorlauf der deutschen Staffel stand das ganze Stadion die volle Zeit. Sicher war das eine tolle, vielleicht sogar einzigartige, Stimmung, aber wenn ich das mit dem müden und nicht mal ernsthaft bemühten Applaus für den frisch gebackenen Weitsprungweltmeister Dwight Phillips vergleiche, möchte ich mich bei diesem eigentlich für das Publikum entschuldigen.

Wettkampf des Abends war für mich aber weder der 4*400m-Vorlauf noch das Weitsprungfinale sondern der Hammerwurf der Frauen. Anita Wlodarczyk muß es mir verzeihen, daß ich zuerst von der sensationellen Leistung von Betty Heidler schwärme. Sie bot einen wahnsinnigen Wettkampf. Sie fing mit einer Superweite von knapp über 75m an und steigerte sich mit jedem weiteren Wurf bis zur persönlichen Bestweite und neuem deutschen Rekord von 77,12m. Nur ein Wurf von ihr fiel aus der Reihe und blieb knapp unter 75m. Die Größe dieser Leistung wird deutlich, wenn man bedenkt, daß Heidler sich mit jedem ihrer 5 Würfe über 75m die Goldmedaille verdient hätte…, ja wenn nicht die Polin Anita Wlodarczyk in dem einzigen Nicht-Heidler-Wurf des Abends über 75m einen neuen Weltrekord aufgestellt hätte. Abgerundet wurde das Hammerwerfen von einem tollen 4. Platz der zweiten Deutschen Kathrin Klaas, die sich nur knapp geschlagen geben mußte. Fairerweise muß ich betonen, daß der Polin sicher noch weitere gute Würfe zuzutrauen gewesen wären, hätte sie sich nicht bei den Jubelsprüngen über den Weltrekord ihren Knöchel verstaucht. So mußte sie auf weitere Würfe verzichten und bewies aber Humor als sie zur Kür des 6. Versuchs antrat und den Hammer spielerisch aus dem Stand etwa 30m weit warf. Dies war also der erste Teil des Abends der Verletzten.

Der Abend der Verletzten sollte sich beim 4*100m Staffellauf fortsetzen. Die US-Amerikanerinnen sollten diesmal einen besonders schmerzhaften Wechsel erleben. Als die 3. Läuferin Muna Lee den Stab entgegennahm, spürte sie eine üble Verletzung und sprang humpelnd in Richtung Bande. Diesmal waren Sanitäter zur Stelle und mußten sie minutenlang behandeln. Die Staffelläuferinnen bewiesen dabei einen tollen Teamgeist und wichen nicht von ihrer verletzten Kameradin und begleiteten sie auch ins Stadioninnere. Da boten US-Staffeln in der Vergangenheit schon Gelegenheiten für andere Bilder. Als die drei Unverletzten kurz darauf zurück kommen mußten, verabschiedeten sie sich winkend und lächelnd vom Publikum. So sehen die Sieger der Herzen aus.
Durch den Ausfall der US-Staffel konnte die deutsche Staffel sensationell Bronze gewinnen. Für dieses Finale stand ich auch gerne auf. Verena Sailer stürzte dabei ins Ziel und zog sich schwere Schürfwunden zu, so daß sie die Ehrenrunde und die verdienten Standing Ovations mit einem schmerzverzerrtem Lächeln genießen mußte. So viel zum 2. Teil des Abends der Verletzten.

Der dritte Teil des Abends der Verletzten war der Stabhochsprung. Sowohl beim Hochsprung als auch beim Stabhochsprung konnten wir in den vergangenen Tagen Favoriten beim Pokern sehen, die daran teilweise scheiterten. Als Steven Hooker verkündete, erst bei 5,80m einzusteigen, war jedoch klar, daß er mit einem anderen Blatt pokerte als Elena Isinbaeva oder Ariane Friedrich. Hooker hatte Nichts in der Hand und setzte alles auf dieses miese Blatt. Es war nicht überraschend sondern folgerichtig, daß Hooker angesichts der erfolgreichen Konkurrenz seinen Einstieg sogar noch einmal hinaus schob. Die Frage war einfach nur, wieviele Sprünge Hookers schmerzender Körper ihm erlauben würde. Er wußte, daß ihm ein Sprung zum Sieg reichen mußte, und so war es weiterhin konsequent, als der Franzose Mesnil 5,85m übersprang seine zwei verbleibenden Versuche nach 5,90m zu verschieben. Als Hooker dann tatsächlich 5,90m im 1. überquerte, ging ein Raunen durch die Menge. Hooker selbst konnte seinen Triumph nicht fassen und schien fast schuldbewußt, als er den Franzosen Mesnil und Lavillenie gratulierte. Sein Trainer vergrub lange Zeit ungläubig das Gesicht in den Händen. Ein toller Erfolg für den sympathischen Australier.

Für mich gab es einen weiteren Magic Moment an diesem Abend, der das Besondere an Leichtathletik-Weltmeisterschaften beinhaltete. Binnen zwei Minuten warf die Polin Anita Wlodarczyk Weltrekord, stand der Weitspringer Dwight Phillips als Weltmeister fest und gingen die 5.000m Läuferinnen in die letzte Runde, an deren Ende die Kenianerin Vivian Cheruiyot triumphieren sollte. Diese Überschneidung, ja gar das Überschlagen der Ereignisse, war ganz typisch für diese WM, bei dem einem keine Sekunde langweilig war und man immer wieder vom nächsten Ergebnis überrascht wurde. So ging es auch der Wetrekordlerin Anita Wlodarczyk, die nur mit Mühe von den Streckenposten davon abgehalten werden konnte, mitten im Finale des 5.000m Laufs die innere Laufbahn zu überqueren.

Leichtathletik-WM Tag 7

Wie der Vortag, war auch der Freitag sehr vom Wetter geprägt. Morgens wurde ich von einem extremen Gewitter geweckt, bei dem die Blitze in der direkten Umgebung einschlugen. Der gleichzeitige Niederschlag war dann sehr stark, so daß selbst der ausgetrocknete Boden die Feuchtigkeit nicht vollständig aufsaugen wollte.

Ich verzichtete darauf, mir die 50km der Geher anzuschauen, und beschloß lieber selbst laufen zu gehen. Das Wetter war am späten Vormittag so schwül, daß mein Netzhemd bereits nach 10 Minuten am Körper klebte und ich so stark geschwitzt habe, wie zuletzt in der Sauna. Dennoch war dies mein erster Lauf seit der Verletzung, den ich der Kategorie Ausdauer zuordnen kann. Nach 25km in gut 2 Stunden hatte ich fast das Gefühl, daß eine gewisse Normalität im Laufen zurückkommt.

Ich kam ins Stadion, als die erste Qualifikationsgruppe der Speerwerfer zu Ende ging. Ich konnte einen kurzen Schauer über dem Rasen niedergehen sehen, der aber nur ein Vorspiel sein sollte. Nachdem die zweite Gruppe der Speerwerfer sich eingeworfen hatten und die Hochspringer zum Aufwärmen in Stadion gekommen, fing ein langanhaltender heftiger Regen an. Das Programm ging zunächst weiter. Die Hochspringer verkrochen sich unter kleinen Schirmen, während der Anlauf der Speerwerfer immer rutschiger wurde. Die Weitspringerinnen hatten verhältnismäßig Glück, da ihre Anlage durch die Dachkonstruktion geschützter war. Nach zwei Durchgängen wurde die Qualifikation der Hochspringer unterbrochen, während die Hochspringer schon längst wieder in den Katakomben verschwunden waren. Nur die Weitspringerinnen mußten ihren Wettkampf durchziehen.

Nachdem auch die Weitspringerinnen vom Wetter erlöst wurden, indem sie ihre Qualifikation beendeten, kam es zu einer langen Pause und einer deutlichen Verschiebung des Zeitplans. An derem Ende bemühten sich die Helfer die Hochsprung- und Speerwurfanläufe trocken zu kriegen.

Bei den Laufbahnen war nun zu beobachten, daß die äußeren Bahnen trockener waren als die inneren, was uns für das auf Bahn 8 startende DLV-Quartett über 100m optimistisch stimmte. Der Optimismus war jedoch leider nicht gerechtfertigt, da der zweite Wechsel nicht klappte. Der dritte deutsche Läufer war einfach zu früh losgelaufen.

Die Veranstalter bemühten sich jetzt, die Laufwettbewerbe möglichst zügig durchzukriegen. Der interessanteste Wettbewerb war aber natürlich der Hochsprung, der viel Dramatik bot. Der deutsche Raul Spank zeigte dabei einen tollen Wettkampf. Für mich war die Staffelung der Höhen nicht ganz nachvollziehbar. Bei 2,18m zu starten fand ich ganz schön defensiv, so daß die Steigerung auf 2,23m durchaus zu verstehen war. Danach aber bei derart widrigen äußeren Bedingungen die Latte erneut um 5cm höher zu legen, war sehr überraschend. Es kam dann auch zu dem Kuriosum, daß alle zwölf noch im Wettbewerb befindlichen Springer im 1. Versuch die 2,28m rissen und es insgesamt nur vier über diese Höhe schafften. Daß mit der nächsten Höhe von 2,32m erneut eine deutliche Steigerung der Höhe vorgenommen wurde, war bemerkenswert. Der kuriose Wettkampf ging weiter, da alle vier diese Höhe schafften. Daß die Latte nun auf 2,35m gelegt wurde, war jetzt zu erwarten und entsprach auch eher den Abständen, die ich vermutet hätte. Leider scheiterten alle vier an der Höhe. Das Publikum zeichnete sich bei diesem Wettbewerb aber aus. Seine Stimmung war von der Regenpause nicht eingetrübt worden, und es feierte alle Hochspringer. Für Raul Spank muß es eine Gänsehautathmosphäre gewesen sein. Doch das Publikum feuerte auch seinen ärgsten Konkurrenten um die Bronzemedaille, den Polen Sylwester Bednarek unvermindert an. Von einer deutsch-polnischen Rivalität wollte das Publikum also offensichtlich nichts wissen. Ein sehr versöhnlich Abschluß war, daß sich beide am Ende die Bronzemedaille teilten. Daß sich die beiden sofort nach Bedanareks letztem Versuch umarmten, bot die Gelegenheit für eines der schönsten Bilder der WM.

Für schöne Bilder sorgte auch Usain Bolt. Auch wenn ich meine Meinung über ihn nicht revidieren will, kann ich doch auch ein paar positive Sachen über ihn sagen. Bevor die Abendveranstaltung begann, alberte er mit dem Maskottchen Berlino herum, um für Stimmung im Stadion zu sorgen. Anschließend nahm er sich sehr ausführlich Zeit für die Autogrammwünsche seiner Fans und unterbrach das Schreiben der Autogramme erst aus Respekt vor den Geehrten bei der ersten Siegerehrung des Tages. Bei allem, was ich von Usain Bolt halte, komme ich trotzdem nicht umhin, dieses Verhalten tatsächlich als vorbildlich zu bezeichnen, insbesondere für einen Superstar am Tag seines Geburtstags.

Leichtathletik-WM Tag 6

Heute kann ich leider nicht allzu viel zu den Wettkämpfen schreiben, da ich gegen 16 Uhr das Stadion verlassen mußte und anschließend nur noch vom Verlauf der Wettkämpfe erfahren habe, weil Kai mich netterweise per SMS auf dem Laufenden hielt.

In der Vormittagsqualifikation beeindruckend war Betty Heidler, die den Hammer zu einer neuen Weltmeisterschaftsrekordweite warf. Hier dürfte es also noch eine Medaillenchance für Deutschland geben.

Wie bereits am Vortag kam der Zeitplan durch die Zehnkämpfer im Verzug. Auch wenn die Organisation den Zeitplan alles in allem erstaunlich gut einhält, habe ich mich an dieser Stelle doch gefragt, wieso es zu einer so schlechten Kalkulation kommt, und ob man das nicht besser hätte machen können. Am Vortag war die Verzögerung durch den Hochsprung entstanden, also einen zugegebenermaßen unberechenbaren Wettbewerb, dessen Dauer eben insbesondere von der Anzahl der Versuche der Athleten abhängt. Heute entstand die Verzögerung jedoch beim Diskuswurf, einem Wettbewerb, in dem klar ist, daß jeder Athlet drei Versuche hat, und der Wettkampf im Anschluß beendet ist. Dies wirkte dann doch etwas merkwürdig, zumal es mit dem 800m-Vorläufen nur einen Laufwettbewerb gab, auf den die Kampfrichter Rücksicht nehmen mußten, indem sie für kalkulierbare Unterbrechungen sorgten. Es sei auch die Frage erlaubt, ob sich die Zehnkämpfer wirklich eine volle Stunde in bester Mittagshitze für den Stahbhochsprung einspringen müssen. Dies hätte man vielleicht auch verkürzen können. Bis zum Stabhochsprung hatte sich Trey Hardee auf jeden Fall die Führung im Zehnkampf zurückerobert.

Das heute etwas anders war, merkte man direkt beim Betreten des Olympiageländes. Zum ersten Mal gab es Schlangen vorm Eingang und das bereits am Morgen. Das Stadion wirkte insgesamt besser besucht. Gleichzeitig war die Stimmung heute deutlich schwächer als an den Vortagen. Dies hatte meines Erachtens verschiedene Faktoren. Zum einen das Wetter mit sehr hohen Temperaturen, welche die Zuschauer träge machten, dann die Wettkampfgestaltung, bei der es anders als an den Vortagen nur wenig Konkurrenz zwischen verschiedenen Disziplinen gab, so daß der Zuschauer tatsächlich Pausen wahrnahm. Eine Reihe vor mir las jemand sogar die Zeitung. Das wäre an den Vortagen undenkbar gewesen. In der Mittagshitze merkte man dann auch an den Schlangen vor den Fastfood-Ständen, daß heute mehr Zuschauer als an den vergangenen Tagen kamen. Es bleibt zu hoffen, daß der erhöhte Publikumszuspruch die letzten 3 Tage anhält und die Stimmung wieder ansteigt.

Leichtathletik-WM Tag 5

So heute komme ich wohl wieder nicht um das Thema herum. Ich habe mich heute nur einmal über Gold für Deutschland gefreut – bei der Siegerehrung für Steffi Nerius. Leider hat nicht das ganze Stadion gesungen. Vielleicht hatte man angesichts der vielen leeren Ränge, Angst etwas verloren zu klingen.

Robert Harting Äußerungen nach der Quali, finde ich unerträglich. Ein solcher Athlet ist kein gutes Vorbild für unsere Jugend, und vielleicht muß man froh, daß es so viele leere Plätze und so viele nicht anwesende Kinder gab, die seinen Sieg sehen hätten können, falls es nicht der Sieg irgenwelcher Substanzen war. Wer im Falle Robert Hartings von der Unschuldsvermutung spricht, der möge sich an Hartings Forderung nach der Freigabe von Dopingmitteln erinnern. Oder an seinen Trainer Werner Goldmann, bei dem die Suche nach Namen+Doping immerhin auf stolze 39.500 Google-Ergebnisse kommt.  Ein solcher Sportler kann der DLV nicht wollen, und ich hoffe, daß der DLV nach dem WM-Titel Hartings nicht einknickt und diesen plötzlich als Aushängeschild voran trägt.

Schade war natürlich der traurige Abschied von Franka Dietzsch, die in der Quali deutlich ausschied. Ihr hätte ich einen schöneren Abschluß der Karriere gewünscht. Vielleicht haben wir mit der gut aufgelegten Nadine Müller aber auch bereits ihre Nachfolgerin im Ring gesehen.

Der Zehnkampf war natürlich der prägende Wettkampf des Tages. Zunächst sah es ja so aus, als würde Trey Hardee einen Start-Ziel-Sieg verbuchen, insbesondere nachdem er sich im Kugelstoßen um fast 1m gegenüber seiner bisherigen Bestweite verbesserte, doch der Ukrainer Kasyanov bot ihm die Stirn, überholte ihn beim Hochsprung und baute den Vorspung beim 400m-Lauf aus. Das wird sicher ein spannender 2. Tag. Für die deutschen Athleten scheint es mir ein durchwachsener Wettkampf zu sein. Nicht wirklich schlecht, aber es gelingt ihnen leider auch nicht, sich von der Stimmung beflügeln zu lassen. Vielleicht ist der Druck nach dem tollen Wettkämpfen von Julia Mächtig und Jennifer Öser im Siebenkampf zu hoch. Tragisch scheint mir der Wettkampf für den Titelverteidger Roman Sebrle zu verlaufen. Er hielt sich lange gut, und war als letzter Athlet noch im Hochsprung verblieben, mußte dann aber anschließend bereits im ersten 400m-Lauf antreten. Damit haben ihm die Organisatoren keinen Gefallen getan. Sebrle war völlig platt und lag noch lange nach einer hohen 49er-Zeit total erschöpft am Boden.

Viel Gesprächsstoff bietet offensichtlich die 800m-Sieger(in) Caster Semenya. Im Stadion war ihr Geschlecht jedoch kein Gesprächsthema, sondern nur ihr toller Lauf, den sie von vorne laufend und das Tempo sehr hoch haltend souverän gewonnen hat. Dazu zunächst einmal meinen Glückwunsch. Verdammen kann ich sie oder ihn noch an einem anderen Tag.

Das 1500m-Finale war ein taktisches Rennen mit einem spannenden Finish. Ich weiß noch nicht, ob ich mich darüber freuen soll, daß ein eingekaufter Athlet für Bahrain eine Goldmedaille erlaufen hat und daß ein mit dem Paß gelockter Athlet für die USA Bronze. Letztendlich spielt die Nationalität keine Rolle. Den Erfolg sichert sich der Athlet. Genau deshalb freut mich die deutsche Goldmedaille direkt aus dem dreckigen Dopingsumpf kein bißchen, auch wenn Polen uns im Medaillenspiegel sonst natürlich noch mehr abgehängt hätte.

Das 100m Hürden Finale der Frauen bot wieder ein Jamaicanisches Clubsandwich, diesmal aber mit Canadian Bacon in der Mitte statt American Style.

Leider war dies dank Robert Harting nach Sonntag wieder ein Tag, an dem ich sauer nach Hause ging. Den Provokateur Harting wird das vermutlich freuen, aber diese Freude gönne ich ihm sogar. Wenn es etwas Positives daran gibt, daß ich den Donnerstag Abend nicht live im Stadion verfolgen kann, dann wohl, daß ich Hartings Siegerehrung verpasse. Leider halt auch das Hochsprung- und Zehnkampffinale.

Leichtathletik-WM Tag 4

Laßt uns chronolgisch vorgehen.

GOLD! STEFFI! GOLD!

Chronologisch sagte ich. Also, es begab sich im Jahre des Herrn.. Na ja so chronolgosich dann auch nicht.

Der Tag fing mit Diskurwurfqualifikation an. Zu diesem Zeitpunkt waren mir Robert Hartings wahnwitzige Äußerungen zum Thema Doping noch nicht bekannt, so daß ich mich mit ihm und über seine direkte Qualifikation freuen konnte. Doch dazu mehr.

STEFFI!

Am Dienstag war es relativ mild, unterstützt durch einen leichten Wind auf den schattigen Seiten sogar fast schon kühl, so daß die billigsten Plätze am Marathontor heute die besten waren, da sie in der Sonne und bei der attraktivsten Quali des Tages dem Hochsprung der Frauen lagen. Nicht nur der Wettkampf auch die Athletinnen waren extrem attraktiv, allen voran natürlich Blanka Vasic. Wenig vom gestählten Körper zeigte dagegen Ariane Friedrich. Ich weiß nicht, was die Beweggründe für ihr sportliches Verhalten an diesem Tag waren und tue ihr vielleicht unrecht, aber mir und auch denen, die mit mir über sie sprachen kam sie wie eine arrogante Diva vor.Ziemlich zu Beginn der bei 1,80m startenden Quali wurde vom Stadionsprecher bekannt gegeben, daß Blanka Vasic erst bei 1,85m einsteigt und Ariane Friedrich sogar erst bei 1,89m einsteigt. Der Wettkampf sprang so vor sich hin und erreichte 1,89m, ohne daß Ariane ihren Trainigsanzug meistens mit zugezogenem Kapuzenpulli, den ich zuvor noch bei keinem DLV-Athleten gesehen hatte, ausgezogen hätte. Stattdessen sah ich sie zu Kampfrichter gehen und kurze Zeit später erfolgte die Durchsage, daß sie auch 1,89m ausläßt. Wenig später ging sie auf Toilette, und während sie im Stadioninneren war, kam die Durchsage, daß sie auch 1,92m nicht springt, sondern direkt bei der Qulifikationshöhe 1,95m einsteigt. Doch bei ihrem ersten Versuch über 1,95m fiel ihr nur die Sonnenbrille nicht aber die Latte. Einen solchen Auftritt kann man sicher auch positiv als Zeichen eines großen Selbstbewußtseins deuten, doch einen Tag nach Isinbaevas Griff in den Klo bei ungünstigen äußeren Bedingungen, hatte es schon eher etwas verrückt bis Arrogantes. Wie dem auch sei, sie bleibt wohl die größte deutsche Medaillenhoffnung. Wenn ich beim Finale dabei sein könnte, würde ich aber Blanka die Daumen drücken, die von 1,85m ab jede Höhe souverän im 1. Versuch nahm.

GOLD! STEFFI! GOLD!

Ja, jetzt ist die Zeit dazu. Als Steffi Nerius ihren ersten Speer hinausschleuderte, war sicher jedem im Stadion klar, daß das schon ein richtig guter Wurf war. Spontan dachte ich: „Das kann schon eine Medaille sein. Mit etwas Glück sogar Gold.“ Dennoch habe ich bis zum Schluß mit ihr gefiebert.Ich freue mich sehr für die sympathische Steffi Nerius, daß sie mit 37 Jahren diesen großen Triumph feiern durfte. Sie erweckte immer den Anschein, eine faire Athletin zu sein, die mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben ist, wie ja auch die Sprüche auf ihren Stirnbändern zeigen. Sie ist wohl die einzige Athletin, die diesem furchtbaren Accessoire einen Sinn gibt. Jetzt darf sie ruhig einmal abheben.

Leider komme ich erst zwei Tage später zum Schreiben und muß bekennen, daß alle weiteren Entscheidungen neben Steffis Triumph etwas untergingen. Einses ist mir aber doch im Kopf geblieben. Es ist sehr interessant, wie das zeitliche Platzieren  von Wettkämpfen, sowie deren Teilnehmer Einfluß auf das Publikum haben. Während Tags zuvor das Dreisprungfinale der Frauen ziemlich unterging, begann diesmal der Abend mit dem Dreisprungfinale der Männer, so daß die Athleten die Gelegenheit bekamen, die Zuschauer für sich zu gewinnen. Die extrovertierten Springer fordertn ihren Applaus und bekamen ihn. Nur wenige Springer fanden wegen gleichzeitiger Wettkämpfe keine Beachtung.

Leichtathletik-WM Tag 3

Aus meiner Sicht wurde der Tag durch den Ausfall von Halima Hachlaf aus Marokko überschattet. Sie fiel beim 800m-Zwischenlauf in der Kurve nach 600m wie vom Blitz getroffen zu Boden. Sie hatte keinen Schlag abbekommen oder war gestolpert, sie sackte einfach nur in sich zusammen und lag reglos am Boden. Einmal noch zuckte kurz ihr rechter Arm, ansonsten war keine Bewegung des Körpers zu kommen.

Es dauerte fast 20 Sekunden bis sich Helfer zu ihr bemühten und sie anschließend auf Händen aus dem Stadion trugen. Ein Arzt war weit und breit nicht in Sicht, und die Aktion der Helfer erweckte eher den Anschein, als wollten sie möglichst schnell die Bahn für den nächsten Lauf frei bekommen. Ich fand es sehr erschreckend, wie die Organisation an dieser Stelle mit der Gesundheit der Athleten umgeht. Noch befremdlicher finde ich, daß auch heute, einen Tag danach, immer noch keine Informationen zu bekommen sind, was mit der Athletin passiert ist.

Es dauerte einige Zeit, bis ich dieses erschreckende Erlebnis kurzfristig verdrängen konnte, und ich bin eher beunruhigt, daß es mir gelungen ist, mich wieder auf die Wettkämpfe zu konzentrieren. Etwa das starke Duell der Hammerwerfer Primoz Kozmus aus Slowenien und Szymon Ziolkowski aus Polen, daß der slowenische Sieger mit hervorragenden 80,84m im letzten Versuch krönte.

Im Stabhochsprungfinale sollte man eigentlich den Triumph der Polin Anna Rogowska feiern, die als einzige 4,75m überquerte, doch wahrscheinlich wird auch im Nachhinein das tragische und doch selbstverschuldete Scheitern der Serienweltrekordlerin Elena Isinbaeva im Mittelpunkt des Erinnerns stehen. Zu sehr hat Isinbaeva den Stabhochsprung der letzten Jahre beherrscht, als daß man ihr ein Scheitern zugetraut hätte. Daß ihr später Einstieg in den Wettkampf ihr letztendlich zum Verhängnis wurde, wird viele womöglich mit Schadenfreude erfüllen. Daß sie nach dem ersten Fehlversuch sofort auf die nächste Höhe überging, wird ihr sicherlich von vielen als arrogante Dummheit ausgelegt. Ich beschränke mich lieber darauf, Anna Rogowska zu ihrem verdienten Sieg zu gratulieren. Schade natürlich für Silke Spiegelburg, daß es nichts mit einer Medaille wurde und sie im letzten Versuch so knapp scheitert, aber sie hat immerhin die Gewißheit, alles versucht zu haben.

Der Dreisprung der Frauen ging leider etwas unter. Neben der überlegenen Titelverteidigerin Yargeris Savigne aus Kuba fiel insbesondere die hübsche Biljana Topic mit neuem serbischen Landesrekord auf.

Die Siegerin des 3000m- Laufs wurde von den spanischen Fans in unserem Block frenetisch gefeiert. Ich mußte doch sehr lachen, als sie im Gefühl des sicheren Siegs vor Glück strahlend sich das extrem unvorteilhafte Stirnband vom Kopf schob. Neben der Glanzleistung von Marta Dominguez, ging das Scheitern der im Vorlauf noch extrem souveränen Gulnara Galkina etwas unter. Ebenso leider auch die tolle Liestung von Antje Möldner, die binnen zwei Tagen zum 2. Mal den deutschen Rekord verbesserte, nach 6 Sekunden am Samstag nun am Montag erneut um 3 Sekunden.

Für Läufer war natürlich der 10.000m Lauf ein echtes Highlight, der insbesondere durch Zersenay Tadese zum Leckerbissen wurde. Der Mann aus Eritrea setzte sich nach verhaltenem Auftakt an die Spitze des Feldes und hielt das Tempo bis zum Schluß hoch, so daß aus einem taktischen Rennen schnell ein echter Ausscheidungslauf wurde. Sehr schön für Tardese auch, daß seine Rechnung aufging. Bis zur letzten Runde hatte er die Spitze auf ein Duo verkleinert. Gegen den Spurt von Keninisa Bekele wäre er vermutlich auch bei einem taktischen Rennen machtlos gewesen. So holte er mit seinem 2. Platz die erste WM-Medaille für Eritrea. Bekele baute derweil seinen Legendenstatus aus und hat mit dem 4. Titel in Folge auch hierbei Haile Gebreselassie eingeholt.

War noch was? Ach ja 100m-Finale der Frauen. Die panamerikanischen Meisterschaften mit US-Amerikanischer Beteiligung gingen an Jamaicas Shelly-Ann Fraser.