Bundestagswahl 2009 – die letzte

Der aufmerksame und ausdauernde Leser mag sich ziemlich sicher sein, was ich gewählt habe. Ich weiß jetzt nicht, ob es ihn arg enttäuscht, wenn ich mein Wahlgeheimnis dermaßen lüfte, daß ich nicht SPD gewählt habe. Der aufmerksame und ausdauernde Leser kann sich sicher nicht vorstellen, daß ich die zukünftige Regierung gewählt habe. Und hierbei irrt er nicht. Als überzeugter Wechselwähler innerhalb des links-liberalen Lagers kommt diese Position für mich tatsächlich nicht in Frage.

Wenn ich nun meine Wahlkommentare einstelle, geschieht dies insbesondere deswegen, weil die Wahl vorbei ist. Wir, die wir gewählt haben und noch vielmehr ihr, die ihr nicht gewählt habt, müssen das Wahlergebnis akzeptieren. Daß die Wahlbeteiligung bei gerade mal 70,8% lag und damit jeder Vierte von Euch nicht gewählt hat, finde ich besonders erschreckend. Gerade die Nichtwähler sind doch dafür verantwortlich, daß sich ein „Weiter So.“ und ein „Vorwärts in den Abgrund“ in der Politik halten kann. Wem die Zahl 70,8% noch nicht genug erschreckt hat, dem kann ich mit weiteren Zahlen dienen. Während in Hamburg der Schnitt erreicht wurde, lag die Wahlbeteiligung in meinem Stadtteil bei 60,8% und in Billbrook bei gerade einmal 40,6%, was den 42,2% aus meinem Wahlbezirk ziemlich nahe kommt.

„Mehr Demokratie wagen.“ hieß es einmal bei Brandt, und er meinte damit die Abkehr von einem obrigkeitsorientierten Denken und das Kappen der letzten autoritären Institutionen der BRD. Heutzutage scheinen sich die Bürger immer weniger bereit Demokratie zu wagen. Sie trauen sich nicht einmal mehr zur Wahl. Eine APO existiert auch nicht mehr, seitdem die Demonstrationskultur erschlafft ist und verballhornisiert wurde. In den letzten Jahren hörte man Philosophen und wissenschaftliche Politologen von der Demokratisierung durch das Internet faseln, doch ich fürchte diese Utopie existiert nur in ihren Träumen.

Das Internet ist ein weiteres Medium, dem es allenfalls gelingt, die ohnehin Interessierten noch besser mit Informationen zu versorgen. Gleichzeitig ist es aber auch ein weiteres Medium, das für Ablenkung und Zerstreuung sorgt. Es ist wirklich eine der Sachen, die mich am Nachdenklichsten stimmen, daß seit dem Umzug von Bundestag und Regierung in die Hauptstadt nach Berlin eine viel größere Transparenz in der Politik eingekehrt ist und der Bürger viel besser über die Skandale der Republik informiert wird, während gleichzeitig die Konsequenzen aus diesen Enthüllungen minimal sind. Die Barschelaffäre wäre heutzutage keine Affäre mehr, sondern ein nettes Anekdötchen, für das sich Uwe Barschel einmal kurz und reumütig entschuldigt hätte und anschließend weiter gemacht hätte und noch schlimmer, trotzdem wieder gewählt worden wäre. Die lethargische Gesellschaft, die dies mit sich machen läßt, und es durch sein Nichtstun sogar unterstützt, macht mich fast noch betrübter als die dreistdummen Politiker. Ob dies ein Zeichen von Dekadenz oder ein Zeichen von Dummheit oder noch etwas anderes ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist das daran Verzweifeln auch nur ein Zeichen meiner Arroganz.

Wenn ich à la Schröder in meinen letzten beiden Kommentaren etwas nachgetreten habe, tut mir dies natürlich nicht leid. Ich beabsichtige auch zukünftig, nicht die Klappe zu halten und die Politiker zu beschimpfen, ungeachtet davon, ob sie in der Regierung oder in meinem Flügel der Opposition sitzen. Ich werde also auch zukünftig meinen unabhängigen unparteiischen Senf zu aktuellen politischen Fragen abgeben, allerdings sicher nicht mehr so gehäuft wie vor der Wahl – schließlich ist dies „noch ein Wein-Blog“. Das Label unter dem ich dies tue, steht auch noch nicht fest. Eine erste Idee lautet „Legislaturperiode 09-??“, eine andere Möglichkeit wäre „Die Zuckerpuppe von der Schwarzgeldtruppe – Episode 2.0“, aber das wäre geklaut vom Starkbieranstich auf dem Nockerlberg. Für Vorschläge bin ich auf jeden Fall offen, solange nicht „Ähngieeeeeee“ im Titel vorkommt, schließlich ist immer noch nicht endgültig geklärt, ob Mick Jagger den Song nur geschrieben hat, um David Bowies damalige Frau ins Bett zu kriegen. „Iiiiimaaaahn“ wäre da heutzutage wohl doch eindeutiger.

Sollten keine guten Vorschläge eingehen, und mir auch nichts Besseres einfallen, kann ich mich natürlich immer noch an den aktuellen Themen orientieren, etwa „Gesundheitsfond geschlossen – Krankenhäuser auch“.

Solltet Ihr an dem Treiben der Politiker in den nächsten Jahren doch zu sehr verzweifeln, möchte ich Euch das Motto der Website ins Gedächtnis rufen. Kein Alkohol ist auch keine Lösung.

Bundestagswahl 2009 – die 12.

Manchmal überholen einen die Ereignisse ja. Während ich gestern meine Halbweisheiten und wilde Spekulationen niederschrieb und dabei mir nicht einmal die Zeit nahm, die Nachrichten zu schauen, folgte die SPD dem von mir prognostizierten Kurs und begann mit der Enddemontage.

Natürlich kann ich jetzt im Nachhinein leichthin sagen, daß die Personalwechsel mich nicht überraschen. Ich kann argumentieren, daß ja bereits am Wahlabend die Jusos zwar noch freundlich aber doch sehr deutlich und bestimmt klarmachten, daß sie einen Richtungswechsel fordern und zwar auch einen personellen. In der Tat bin ich dann auch gar nicht von der Tatsache des Rückzugs von Münte überrascht, sondern nur von der Geschwindigkeit, mit der sich die personellen Wechsel vollziehen. Wahrscheinlich ist der Schock einfach zu groß, als daß die Altgedienten länger als einen Abend an der Macht kleben konnten, zumal sich ja auch ihre alten Kompagnons Struck, Schily und Riester mit dieser Wahl von der politischen Bühne zurückzogen und ihnen damit keine Unterstützung anbieten konnten. Man wird sehen müssen, wie lange Steinmeier als Fraktionsvorsitzender durchhält.

Interessanterweise hatte der Cicero im Vorfeld der Wahl für den Fall dieses desaströsen Wahlergebnisses genau das jetzt eingetretene Szenario entworfen mit dem umstrittenen Gabriel als Vorsitzenden, der streitbaren Nahles als starker Generalsekretärin in den Startlöchern und Steinmeier als Fraktionsführer.
Für die SPD insgesamt bedeutet diese neue Konstellation einen Sprung in Richtung Beliebigkeit und nach links. Man wird sehe, was es bringt, und Schlaueres bringe ich dazu auch nicht zustande.
Ich weiß ja nicht, ob man sich jetzt um Gabriel und Nahles Sorgen machen sollte, schließlich ist die Verweildauer von Vorsitzenden und Generalsekretären bei SPD in den letzten Jahren eher kurz, und die Amtsinhaber waren im Anschluß extrem verschlissen. Man denke nur an den unglücklichen Beck. Lehnen wir uns einfach zurück und lassen sie ihr Spiel spielen.

Bundestagswahl 2009 – die 11.

Eine weitere Wahlanalyse zu machen, bringt eigentlich nichts. Schließlich haben die Profis schon so viel darüber geredet, daß es nur noch Zufall sein kann, wenn man etwas nennt, was sie noch nicht erwähnt haben. Ich habe ihnen gegenüber den Vorteil, daß ich niemandem nach dem Maul reden muß und sie alle beleidigen kann, was ich dann auch sehr gerne tuen will.

Fangen wir an mit der christdemokratischen/christsozialen Legende des barmherzigen Samariters, welcher trotz kältester Temperaturen, für die FDP noch seinen Mantel teilt und ihr seine Zweitstimme gibt. All die Hinweise von CDU und CSU auf das Stimmensplitting gingen am Kern der Sache vorbei.
Anders als in der Vergangenheit mußten die Unionswähler diesmal nie ernsthaft bangen, daß die FDP die 5%-Hürde nicht überspringen würde. Von Leihstimmen an die FDP kann daher nicht die Rede sein. Die FDP-Wähler wollten auch wirklich die FDP wählen! Oder sie betrachteten die FDP zumindest als das kleinste Übel. Daß die FDP-Wähler, eine Regierung von Frau Merkel wollten und ihre Stimme gesplittet haben, dürfte kaum zu bestreiten sein, doch für diese Leihstimme bei der Erststimme hätten sich die Unionspolitiker, insbesondere die Inhaber der 21 Überhangmandate, eigentlich bedanken müssen. Daß sie stattdessen versuchten, diese Wähler zu vereinnahmen, deutet für mich daraufhin, daß die Union die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt hat oder erkennen will. Daß auch sie einen Erosionsprozeß durchlebt und ein für eine Volkspartei sehr schlechtes Ergebnis einfährt, will sie offensichtlich noch nicht wahrhaben. Die Argumente der Union erinnerten mich sehr an die Sprüche nach der Bayernwahl 2008, als die CSU-Granden, das schlechte Ergebnis mit einem den Wähler verarschenden Gefasel von der Bandbreite des bürgerlichen Spektrums schönzureden versuchten.

Vielleicht ist das Ergebnis der CSU von „nur“ 42% ja eine der positiven Aspekte. Es wirkt fast so, als befreie sich der Freistaat von seiner Sonderrolle und komme langsam in einer liberalen Bundesrepublik an.

Besonders enttäuscht hat mich am Wahlabend der Erfolg der CDU in Schleswig-Holstein. Wer einen Carstensen oder einen Koch wählt, soll bitte nicht so heuchlerisch sein zu glauben, er würde einen Bush, einen Berlusconi, einen Haider oder einen Le Pen nicht wählen. Er würde! Und wahrscheinlich viele noch Schlimmere auch. Aber ich vergaß, wir haben es mit der seit Adenauer vom rheinischen Katholizismus geprägten CDU zu tun. Heucheln ist ihnen eine zweite Haut geworden. Solange es die CDU nicht aus eigener Kraft schafft, Leute wie Carstensen und Koch von der politischen Bühne zu verweisen, wird sie für mich unwählbar bleiben. Doch es stimmt mich sehr traurig, daß diese linken Scharlatane (link nicht links) noch immer ihre Wähler und außerdem Koalitionspartner finden. An diesen Tagen scheint mir die Diktatur des Terrorregimes von KeinAlkoholistauchkeineLoesung.de doch eine durchaus interessante Alternative, von der alle profitieren könnten. Die ersten Maßnahmen wären auch schon feststehen: Abschaffung der Sektsteuer und Befreiung des Weins von der Mehrwertsteuer.

Na ja zurück aus der traurigen politischen Landschaft meines Nachbarbundeslandes zum Berliner Kabarett. Nebenbei, ich glaube ja, daß der Niedergang des politischen Kabaretts damit zu tun hat, daß die Phantasie der Kabarettisten so etwas wie die Realität sich gar nicht ausdenken könnte.
Ähnlich ging es mir um 18 Uhr als die erste Prognose bekanntgegeben wurde. Ja, ich hatte erwartet, daß es eine knappe Sache zwischen Schwarz-Gelb und dem Rest würde und mich inhaltlich, wenig begeistert, auf eine Fortsetzung der großen Koalition eingestellt. Ich hatte auch erwartet, daß die SPD nicht gut abschneiden würde, doch das was dann als Prognose veröffentlicht wurde, konnte ich selbst bei der ersten Hochrechnung kaum glauben. Natürlich hatte ich die Umfragen der vergangenen Wochen und Monate zur Kenntnis genommen, doch wahrscheinlich ging es der SPD-Spitze genauso wie mir, ich hatte nicht erwartet, daß es wirklich so schlimm kommen würde. Sicher an 30% habe ich nicht geglaubt, doch 22-23%, das ist derart bitter, daß mir dafür noch immer die Worte fehlen. Im Nachhinein muß ich so etwas wie Bewunderung für die rhetorischen Fähigkeiten von Steinmeier bekunden, denn er hat unglaublich viele Worte für das Ergebnis gefunden, auch wenn sie an mir, der immer noch fassungslos vorm Fernseher saß, vorbei gerauscht sind.

Wenn man analog zu CDU/CSU die Ergebnisse von LINKE und Grüne als linkes oder soziales Spektrum für sich vereinnahmen würde, täte das Ergebnis ja gar nicht so schlecht aussehen, doch dies verdeutlicht vielleicht ein Problem der Linken für die Zukunft. Ähnlich wie in Italien steht der konservative Flügel recht geschlossen zusammen, während die Linke dabei ist zu zersplittern. Für viele in der SPD wird, wie ja auch das Scheitern in Hessen gezeigt hat, eine Koalition mit der LINKE eine nicht gangbare Lösung sein, und für viele SPD-Wähler wird eine Kooperation der SPD mit der LINKE ein Grund sein, ins konservative Lager (zurück) zu wechseln, wie Hessen ja überaus deutlich gezeigt hat, wobei das persönliche Verhalten der Spitzenkandidatin hier sicher zusätzlichen Treibstoff für einen Wechsel bot. Gleichzeitig ist für viele SPD-Wähler eine an der Mitte und an einer realistischen, zeitgemäßen Politik ausgerichtete SPD eine Partei, die ihre Wurzeln verloren hat, und sie wechseln zur LINKE. Ein Zusammenkommen von LINKE, SPD und Grüne kommt mir auf Landesebene immer noch befremdlich und auf Bundesebene unmöglich vor.

Die SPD steckt in der Zwickmühle. Einerseits rückt die CDU mehr zur linken Mitte, um sich gegenüber der FDP abzugrenzen. So drückt die CDU die SPD aus der linken Mitte. Andererseits greift der SPD die LINKE die Wähler auf der linken Seite ab und zieht die SPD nach links.

Ich fürchte, daß die SPD sich daher in der nächsten Legislaturperiode deutlich nach links bewegt, so daß die Grünen bei der nächsten Wahl die einzige Partei des linken Flügels sein werden, die eine realistische Politik betreiben können. Dabei kommt die Befürchtung hoch, daß den Grünen dann eine Jamaika-Koalition auf einmal näher ist als Rot-Rot-Grün.

Das zwar positive aber gleichzeitig auch belanglose Abschneiden der Grünen verdeutlicht wohl auch ihre Sonderrolle. Die mit der Agenda 2010 unzufriedenen SPD-Wähler wollen nicht zu den mitschuldigen und ebenfalls der Mitte verpflichteten Grünen wechseln sondern zu den radikalen Spinnern der LINKE. Wenn die Grünen dem linken Flügel einen Dienst erweisen wollen, müssen sie versuchen die Erosion der SPD in der Mitte aufzufangen. Diese Wähler muß sie auffangen, bevor sie zu CDU und FDP wechseln oder der Wahl fern bleiben. Dies ist für die Grünen wahrscheinlich auch das realistischte Wachstumsszenario.

Es wird dem ausdauernden Leser nicht entgangen sein, daß mir der Wahlausgang überhaupt nicht gefällt. „Warum?“, mag er fragen. „Wir hatten doch schon 16 Jahre Schwarz-Gelb, ohne daß die außer der Schwarzgeldaffäre und dem damit verbundenen Verrat am Grundgesetz etwas Schlimmes gemacht hätten.“ Das Schlimme ist erstens, daß sie damals wirklich nichts gemacht haben, insbesondere nichts um die spätestens Mitte der 90er absehbaren negativen Folgen der Einheit für die Sozialsysteme Deutschlands abzumildern. Es bedurfte der Agenda 2010 um hinter Schwarz-Gelb aufzuräumen.

Doch ich will gar nicht in der Vergangenheit wühlen, sondern in meine Kristallkugel schauen. „Die Politik soll sich wieder an den Leistungsbringern orientieren und diese belohnen.“ So heißt es. Dabei bleibt die Frage, wer denn die Leistungsbringer sein sollen. Früher nannte man sie Besserverdienende, doch das erwies sich als rhetorisches Eigentor.
Deswegen umwarben bei dieser Wahl alle Parteien außer der LINKE die sogenannte Mitte und umtanzten sie wie das goldene Kalb. Zurecht haben sich viele SPD-Wähler an dieser Stelle wohl gedacht, wer noch an die Unterschicht und die Schwachen der Gesellschaft denkt. Auch deshalb mußte sich die SPD immer wieder der kritischen Frage nach der sozialen Gerechtigkeit stellen.

Und genau an dieser Stelle kommt ein häßlicher Sprung in meiner Kristallkugel. Gefühlt sehe ich Deutschland momentan an einem Scheidepunkt. Gefühlt beobachte ich, daß der Aufstieg aus der Unterschicht in die Mitte immer seltener wird, während der Abstieg aus der Mitte in die Unterschicht häufiger wird. Neben der Verschlechterung der sozialen Bewegungsdynamik scheint in der Unterschicht eine enorme Resignation und Frustration eingekehrt zu sein. Während viele der SPD-Granden beachtliche Aufstiegskarrieren hinter sich haben und stets danach gestrebt haben, sich aus ihrem ursprünglichen Milieu hochzuarbeiten, wird diese Chance heutzutage in der Unterschicht scheinbar nicht mehr wahrgenommen.
Ich bin der naiven Überzeugung, daß Deutschland immer noch ein Land ist, in dem für jeden, der sich bemüht, der sich abrackert und der nicht komplett auf den Kopf gefallen ist, echte Aufstiegschancen bestehen. Die Einführung von Studiengebühren, Rückzahlung des Bafög etc. haben diese Aufstiegschancen sicher verschlechtert, und es muß der Rot-Grünen Regierung vorgeworfen werden, daß das Fördern des von ihr zurecht propagandierten Fordern und Fördern immer noch nicht richtig greift, doch unter Schwarz-Gelb habe ich nicht die Hoffnung, daß hier angesetzt wird. Eine Politik, die sich an den „Leistungsträgern“ orientiert, ist dazu geeignet Frustration und Resignation bei denen, die schwerst schuften und trotzdem auf Unterstützungsleistungen angewiesen sind, zu verstärken. Meine Kristallkugel sagt mir, daß sich die soziale Schere in den nächsten 4 Jahren weiter ausweitet. Die Kristallkugel sagt vier Jahre verlorene Zeit voraus, in denen Jugendliche aus den Unterschichten weiterhin nicht abgeholt werden und ihnen keine Perspektive aufgezeigt wird. Das ist der wesentliche Grund wieso ich echte Angst vor vier Jahren Schwarz-Gelb habe. Die 16 Jahre unter Kohl kamen zu einem Zeitpunkt als es Deutschland richtig gut ging und wir leben konnten wie die Maden im Speck.

Jetzt sind Lösungen für die Unterschicht gefragt. Wie schafft man es auch den Hoffnungslosen eine Perspektive zu geben. Darauf hat noch kein Politiker eine Antwort gegeben. Die geforderte Erhöhung von Hartz IV wirkt an dieser Stelle fast so höhnisch wie der absurde Spruch „Reichtum für Alle“. „It’s not just the economy – stupids“ möchte ich den Politikern jeder Partei, aber insbesondere denen der zukünftigen Regierung, die sich den alten Spruch besonders zu eigen gemacht haben scheinen, zurufen, doch meine Stimme ist vermutlich zu leise, um bei ihnen Gehör zu finden.

Meine abschließende Prognose für die nächsten vier Jahre ist daher, daß die Auswandererreportagen ihre Einschaltquoten massiv ausweiten. Wen dies frustriert, dem sei das Motto der Website nahe gelegt: „Kein Alkohol ist auch keine Lösung.“ Cheers!

Bundestagswahl 2009 – die 10.

Das Volk hat gewählt, und die Ergebnisse stehen fest.

Für KeinAlkoholistauchkeineLoesung.de stelle ich bedauernd und mit großer Sorge fest: Das Wahlziel wurde ganz klar verfehlt. Tatsächlich ist es 6 Parteien gelungen, die 5%-Hürde zu überspringen und in den Bundestag einzuziehen. Daß das Verfehlen dieses großen Ziels nicht an den Lesern gelegen hat, ist mir selbstverständlich bewußt. Für Euren unermüdlichen Einsatz, der Euch selbst in die Altersheime der Republik geführt hat, wo Ihr den dortigen Bürgern zur Hand gegangen seid, damit diese zittrigen Finger nicht aus Versehen das Kreuz an der falschen Stelle machen, möchte ich mich daher an dieser Stelle ganz ganz herzlich bedanken.

Ohne Eure Begeisterung und Euren Zuspruch hätte wahrscheinlich auch ich Zweifel an der Erreichbarkeit dieses Ziels gehabt. Doch das Glitzern in Euren Augen und das abwechselnde enthusiastische Skandieren der Parolen von MLPD, Rentner- und Familienpartei hat mich immer wieder aufgebaut und an eine gute Zukunft für unser Land glauben lassen.

Mit großer Sorge sehe ich nun die Tortendiagramme der Sitzverteilungen und das, was  mich beunruhigt ist nicht, daß die eine Hälfte der Torte bereits weggegessen ist, schließlich wäre der wissenschaftlich korrekte Begriff „grafisch modifiziertes Halbkreisdiagramm“.  Nein meine große Sorge rührt daher, daß ich sehe, daß die Parteien trotz all unserer Bemühungen noch immer in der Gesellschaft verankert sind. Der Anteil unserer Fraktion, der Sonstigen, mit 6% spiegelt nicht die Eindrücke wieder, die ich in den letzten Jahren auf den Marktplätzen der Republik gehört habe.  Dort habe ich immer nur wüste Beschimpfungen der Politiker und der Parteien gehört, neben denen ich mich wie ein Waisenknabe anhöre. Das Ziel, die Parteien zu bestrafen, war bei all meinen Gesprächspartnern unmißverständlich.

Während die Politiker noch nach den Gründen für das Abschneiden ihrer Parteien suchen, bin ich schon weiter. Die intensive Ursachenforschung für das doch deutliche Verfehlen des Wahlziels ist eindeutig:

Die Briefwähler sind schuld!

Sie hatten einfach nicht die Geduld am Briefkasten darauf zu warten, daß ein anderer Briefwähler vorbeikommt und diesen zu fragen, was er gewählt hat und dann, ihm dankend, das eigene Kreuz eine Zeile tiefer zu machen. Diese Schmarotzer sollten sich wirklich einmal überlegen, was sie unserem Land und unserer Demokratie schuldig sind. Weder sind sie bereit, ihre Zeitplanung darauf einzurichten, am Wahltag ins Wahllokal zu gehen und dort mit ihrem Vor- und Nachwähler ihre Zweitstimme abzustimmen, noch schaffen sie es, bei strömenden Regen durchschnittlich 27 Stunden auf den nächsten Briefwähler an ihrem Briefkasten zu warten.

Da sich das unverantwortliche und eigensinnige Verhalten der Briefwähler wahrscheinlich nicht ändern läßt, werde ich vor der nächsten Wahl gut überlegen, entsprechende Schritte vorzuschlagen, um die erfolgreiche Abgabe der Stimmzettel per Briefwahl zu verhindern. Spontan denke ich an Aktionen, wie das Absägen aller Briefkästen ab dem Zeitpunkt des Versands der Wahlunterlagen. Sitzblockaden vor den Postfilialen erübrigen sich, da die Post bis in 4 Jahren ohnehin ihre letzte Filiale geschlossen hat.

Wie Ihr seht, liebe Mitstreiter, bin ich nicht gewillt, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern denke an die Zukunft und daran, wie wir unsere Position stärken können. Auch wenn wir diesmal nicht erfolgreich waren, werde ich weiterhin meine Stimme erheben gegen alles, was mir nicht paßt und bitte Euch mich auch weiterhin auf diesem Kurs zu begleiten.

Ich habe bereits mein Versäumnis eingestanden, an die Briefwähler gedacht zu haben, dieses elende undemokratische Gesindel, doch das ist leider nicht genug. Meine Wahlanalyse hat eine zweite schwerwiegende Fehleinschätzung zu Tage gebracht. Der Aufruf zum Stimmensplitting, Erststimme für den Kandidaten Eurer Wahl und Zweitstimme in Abhängigkeit von dem, was der Vordermann gewählt hat, war möglicherweise für einige Wähler doch zu kompliziert. Von dem unverständlichen Politikerkauderwelsch im Wahlkampf derart verwirrt, daß sie nicht mehr wußten, was links und was rechts ist, haben sie einfach beide Kreuze in einer Zeile gemacht, was den großen Parteien natürlich in die Hände gespielt hat. Ich verspreche, daß ich für die nächste Wahl auch eine Lösung für diese minderbemittelten Wähler finde. Am besten wäre es wahrscheinlich, für sie eine Anleitung herauszugeben, wie sie ihre Stimme ungültig machen, aber das muß mein Kompetenzteam zunächst noch einmal durchleuchten.

Euch rufe ich zu. Seid stolz auf das Erreichte. Zu den offensichtlichen 6% dürfen wir durchaus auch je rund 4% der 6 im Parlament vertretenen Parteien als unsere Wähler betrachten. Damit kommen wir bereits in diesem Jahr auf 30% der abgegebenen Stimmen und sind bereits jetzt die stärkste Partei, auch wenn wir leider doch im Bundestag sitzen. Dennoch sind die binnen so kurzer Zeit erreichten 30% für mich nicht nur ein Ansporn, es beim nächsten Mal wieder zu versuchen, sondern auch ein Zeichen, daß wir auf einen guten Weg sind. Deshalb rufe ich Euch zu: „Weiter so! Laßt uns nicht aufgeben! Wir werden das Diktat der Parteien durchbrechen!“

Ich danke Euch.

Bundestagswahl 2009 – die 9.

Das Projekt Bundestagswahl konnte ich in den letzten Tagen leider nicht mehr so forcieren, wie ich es mir gewünscht hätte. Der Berlin-Marathon und andere Aufgaben haben mich doch in Beschlag genommen, so dass mir leider die Zeit gefehlt hat, die Lage der Nation zu erörtern. Hinzu kam natürlich, daß mir unsere Politiker keine Steilvorlagen gegeben haben, die ich routiniert verwandeln konnte.

Dies soll mich selbstverständlich nicht daran erinnern, mich ab morgen 18:00 im Katzenjammer zu ergehen allen anderen Wählern außer mir wüste Krankheiten zu wünschen und die Politiker für ihre Engstirnigkeit und Dummheit zu beleidigen. Die vorigen Artikel mögen für dieses Vorhaben als Fingerübung betrachtet werden.

Da ich mir schon länger sicher bin, wie ich meine Stimme verschenke, möchte ich die immer noch Unentschlossenen noch einmal auf zwei Services aufmerksam machen. Neben dem bekannten Wahl-O-Mat (bei dem die CDU sich bei der Frage nach kostenlosem Erststudium tatsächlich auf einer neutralen Position eingestuft hat) auch den Abgeordnetencheck, für diejenigen, die noch keinen persönlichen Kontakt mit den Kandidaten ihres Wahlkreises hatten.

Die offizielle Wahlempfehlung von KeinAlkoholistauchkeineLoesung.de lautet: Morgen zwischen 8 und 18 Uhr das nächstgelegene Wahllokal aufsuchen, einen Stimmzettel abholen, ein Kreuz in der linken Spalte machen und ein Kreuz in der rechten Spalte machen. Dabei nach Möglichkeit nicht die rechten Parteien und ihre Kandidaten wählen. Vom ursprünglichen Plan den Vorwähler zu fragen, wo er sein Kreuz in der rechten Spalte gemacht hat, und das eigene eine Zeile tiefer zu machen, sehe ich keineswegs ab, aber da die täglichen Leserzahlen noch immer nicht die 10-Mio-Marke geknackt haben,beurteile ich die realistische Erfolgschance dieses Vorhabens mittlerweile etwas kritischer.

Bundestagswahl 2009 – die 8.

Nach den Ereignissen des heutigen Tags im bayrischen Ansbach fallen mir viele Möglichkeiten, den Beitrag von gestern fortzusetzen, aber ich halte das für wenig geschmackvoll.

Das was mich an solchen Tragödien neben der grausamen Tat an sich am meisten stört, ist daß die Täter gewinnen. Durch die mediale Präsentation wird dieser Irrsinn tatsächlich ihr Tag. Die Opfer, für die dies der mutmaßlich schlimmste Tag ihres Lebens ist, bleiben dagegen außen vor und werden zur bloßen statistischen Masse. Sicher wäre es falsch, die Opfer und ihre Angehörigen in ihrem Schmerz und ihrer Wut noch durch eine Zurschaustellung zu belästigen, aber ich empfinde es einfach als perfide, daß dem Täter die große Bühne geöffnet wird.

Erneut kann ich die Frage, was das mit dem Wahlkampf zu tun hat nicht vernünftig beantworten. Vielleicht nur das, daß keine Partei eine echte Lösung zur Verhinderung dieser Taten anbietet. Wahrscheinlich ist das auch zu viel von ihnen verlangt. So zynisch das klingen muß, es gibt im Leben ein gewisses Restrisiko, das man nicht eliminieren kann. Wenn es zuschlägt ist es immer tragisch, doch die Verhinderung solcher Tragödien kann wohl nicht Aufgabe der Politik sein. Damit habe ich schon viel zu viel für heute geschrieben.

Bundestagswahl 2009 – die 7.

Schon ein paar Tage her, daß ich mich zur Wahl äußerte. Dies liegt aber weniger am Thema selbst, als am Mangel an Zeit zum Schreiben und an Netzwerkproblemen.

Montag habe ich die Debatte der drei kleinen Kandidaten gesehen. Auch wenn die Debatte etwas hitziger war, als die der Elefanten Steinmeier und Merkel, war sie zugleich auch noch langweiliger. Ich kam mir vor, als würde ich gerade einer ganz normalen Talkshow folgen, inklusive den üblichen Schwanzvergleichritualen und der ewigen Frage, wer am unauffäligsten den anderen Wort ins Wort fallen kann, gleichzeitig aber natürlich wegen seiner brillanten rhetorischen Beiträge doch und zwar ausschließlich positiv auffällt. Wie meistens lautete die Antwort auf diese rhetorische Frage „Keiner.“

Diesmal fing die Debatte mit dem aktuellen Thema des Münchner S-Bahn-Mords an bzw. dem Thema der Verrohung der Gesellschaft oder zumindest der Jugend an. Es war interessant, wie sich die Antworten der drei Politiker glichen mit ihren Forderungen nach mehr Polizei und konsequenterer Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Strafmaßes. Wenn ich mal davon absehe, daß ersteres Ländersache und zweiteres Sache der glücklicherweise unabhängig von der Politik agierenden Richter ist, bleibt für mich doch eine generelle beklemmende Beobachtung. Alle wollen, daß der Gärtner die Heckenschere nutzt, um das Unkraut kleinzuschneiden, doch keiner fragt sich, wie er es an der Wurzel bekämpft. Stattdessen wird für Düngemittel wie Fernsehen und Computerspiele ein Verbot gefordert. Nicht, daß ich hier falsch verstanden werde, ich halte diese landwirtschaftlichen Maßnahmen nicht für falsch, aber erstens mangelt es dann doch meistens an einer konsequenten Umsetzung, wohl auch weil die Politiker selbst nicht restlos von ihnen überzeugt sind, und zweitens führen diese Maßnahmen am Kern des Problems vorbei.

Ich glaube nicht, daß die Gewalttätigkeit und Verrohung der Gesellschaft ein Problem allein unserer Zeit ist. Schon immer gab es sinnlose und mutwillige Gewalt, und es gab genug Zeitpunkte in der menschlichen Geschichte, wo es Gegenden gab, wo schon ein falscher Blick langte, um verdroschen zu werden oder Schlimmeres. Die Frage, die ich daher stelle, ist, wieso es gelungen ist, so lange Zeit eine so ruhige und friedfertige Gesellschaft zu erreichen und am Leben zu erhalten?

M.E. hat dieser erreichte und jetzt auf dem Spiel stehende Zustand der Gesellschaft etwas mit Perspektiven und mit Integration zu tun.

Wer weiß, daß eine Gesellschaft ihm Chancen bietet, solange er sich an die Regeln hält und daß er etwas verliert, wenn er sich nicht an die Regeln hält, der hält sich eher an die Regeln, als derjenige, der ohnehin nicht zu verlieren hat. Härtere Strafen können daher nur dann erfolgreich sein, wenn der Bestrafte auf der anderen Seite eine Perspektive hat. Diese vermeintlich zugenommene Bereitschaft zur Gewalt und zur Verrohung im Allgemeinen rührt m.E. in erster Linie daher, daß diese Jugendlichen von der Gesellschaft alleine gelassen werden und ihnen keine Perpektive aufgezeigt wird, wie sie ihr Leben in den Griff bekommen können.

Neben fehlenden Perspektiven ist fehlende Integration ein zweites Kernproblem, daß zu unbegreiflichen Gewaltexzessen geführt hat. Es gibt Menschen, die zwar in der Gesellschaft im Allgemeinen zurecht kommen, in ihrem speziellen häuslichen sozialen Umfeld aber vereinsamen und isoliert leben. Der gesunde Menschenverstand sage einem, daß diese Menschen naturgemäß viel anfälliger für irgendwelche extremen Szenarien, psychische Probleme und Wahnvorstellungen sind, allein schon deshalb weil sie niemand haben, mit dem sie sich austauschen können und der in der Lage ist ihre fehlgeleiteten Gedanken zu kanalisieren. Daß an dieser Stelle nicht einmal immer Drogen ins Spiel kommen müssen, soll nicht an das Motto der Website erinnern, sondern aufzeigen, wie alleine diese Menschen sind, die nicht einmal Kontakte zu einem Dealer haben. Ob ein Verbot von Ballerspielen wirklich das ist, was diese Jugendlichen zurück in die Gesellschaft führt, wage ich doch anzuzweifeln.

In beiden Fällen, sowohl bei den Perspektiven als auch bei der Integration handelt es sich um individuelle wenn auch nicht vereinzelte Probleme. Diesen Problemen mit irgendwelchen Brachialmaßnahmen zu begegnen, besitzt m.E. wenig Aussicht auf Erfolg. Ich glaube, daß es für diese individuellen Probleme individuelle Lösungen braucht. Ein vernünftiger Streetworker kann hier unter Umständen mehr ausrichten als 5 Polizisten. Es braucht m.E. den Ausbau von sozialen Fördermaßnahmen, aber nicht solchen mit der Gießkanne, sondern solchen, wo die Jugendlichen direkten Kontakt mit Menschen haben, die auf ihre Probleme eingehen und versuchen, ihnen zu helfen. Hierfür gibt es kein Patentrezept, aber es gibt viele erfolgreiche Programme, die um jeden Euro kämpfen müssen oder geschlosssen werden, weil das Geld für ein politisches Prestigeprojekt benötigt wird. Und es gibt viele Ideen für Programme, die man initiieren könnte. Gerade die Vielfalt solcher Programme ist am ehesten geeignet, die Jugendlichen mit ihren individuellen Problemen abzuholen. Aber eine solche Antwort ist wahrscheinlich zu wenig populistisch und zu unkonkret für ein Parteiprogramm.

Was hat das jetzt mit der Debatte von Trittin, Westerwelle und Lafontaine zu tun? Wenig, sie war für mich nur der Auslöser mal wieder über die Kurzatmigkeit politischer Lösungen nachzudenken. Vielleicht schreibe ich morgen noch einmal über die drei, obwohl sie soviel Aufmerksamkeit meinerseits eigentlich nicht verdient haben, aber vielleicht ist auch das ein Kernproblem unserer Politik: Daß der mündige Bürger keine Lust mehr hat sich mit der Politik und den Politikern zu beschäftigen und sie deswegen mit ihrem Mist gewähren läßt.

Bundestagswahl 2009 – die 6.

Ich bin unsicher, welche Bedeutung dem Rededuell zwischen Angela Merkel und Frank Steinmeier beikommt. War der Wahlkampf bei den vergangenen Wahlen durch eine Polarisierung zwischen den Spitzenkandidaten spannender, wirkt er diesmal durch die Gleichartigkeit der nüchtern bis langweiligen Kandidaten eher uninteressant. Die Unterschiede zwischen den Personen sind einfach zu gering. Vielleicht macht dies das Rededuell doch interessant, weil man die kleinen Unterschiede erkennen will.

Was dann kam, fand ich erschreckend in vielerlei Hinsicht. Erschreckend langweilig zum Einen, weil das ganze viel zu zivilisiert war. Ebenfalls erschreckend war es für mich, wie beide das gemeinsam in der großen Koalition Erreichte immer wieder lobten, anstatt den Stillstand zuzugeben. Fast am meisten erschreckend fand ich jedoch das Verhalten der Journalisten. Die Art und Weise der Fragestellung war schon merkwürdig. Investigativer Journalismus zeichnet sich nicht dadurch aus, daß man den Kandidaten ins Wort fällt, daß man in einer Frage eine persönliche Wertung über den Kandidaten mitgibt (Klöppel: „nicht vertrauenswürdig“) oder scheinheilig nach Ministerin Schmidt fragt und angeblich nicht auf den Dienstwagen hinaus will. Für so blöd halten nicht einmal Politiker den Fernsehzuschauer, aber vielleicht kennen die Medienprofis ihr Publikum ja besser.
Noch mehr als das persönliche Auftreten der Journalisten hat mich gestört, daß zwei m.E. zentrale Themen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes komplett außen vor geblieben ist, nämlich Bildung und Integrationspolitik. Gerade vor dem Hintergrund der immer wieder beschworenen und angesprochenen sozialen Gerechtigkeit sind diese Themen von äußerster Bedeutung. Ebenso blieb für mich Fragen nach dem Überwachungsstaat, den der Mann der tausend Augen, Wolfgang Schäuble, aufbauen will, außen vor. Ich will gar nicht bestreiten, daß die diskutierten Themen wichtig waren, aber Bildung und wie man im Bildungssystem jedem Mitglied unserer Gesellschaft die gleichen Chancen sichern will, ist doch die Kernfrage, wenn man beantworten will, wie die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs für jedermann gesichert wird. Und die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs für jeden ist für mich die Basis der sozialen Gerechtigkeit.
Ich kann mir vorstellen, daß Steinmeier das Duell mehr geholfen hat als Merkel. Das liegt nicht daran, daß er besonders gut oder besser als sie war, sondern daran, daß sie genauso farblos wie er daher gekommen ist.
Nur zweimal wagte Steinmeier den Ansatz eines Angriffs. Das erste Mal recht früh als Merkel den Rückgang der Arbeitslosigkeit für die CDU geführte Regierung beanspruchte und das zweite Mal, als er die Steuersenkungen als unrealistisch einstuft.
Bei vielen der angesprochenen Themen waren beide sich dagegen so einig, daß man die Unterschiede fast nur noch in der Wortwahl fand, etwa bei der Beurteilung der Opel-Rettung, dem Afghanistan Einsatz oder den hohen Staatsschulden in Folge der Wirtschaftskrise. Hier zeigte sich wohl auch, daß die gemeinsame Regierung die beiden dazu zwingt, auch jeweils die Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen zu tragen.
Bei vielen Themen wie Mindestlohn, Managergehältern oder Gesundheitswesen zeigte sich das, was bereits frühere Wahlkämpfe zeigten. Die Unterschiede sind marginal. Die Ziele meist die Gleichen.
Persönliche Angriffe blieben aus, auch wenn die Journalisten sich bemühten zaghafte Vorlagen zu geben. So weit sind wir wohl in Deutschland noch nicht. Oder wir müßten Schröder und Seehofer in den Ring holen.
Wesentliche Unterschiede zwischen beiden gab es nur in der Atompolitik und in der Frage nach möglichen Steuersenkungen nach der Wahl, die Steinmeier für unrealistisch hielt.
Bei den zentralen Themen des Abends Wege aus bzw. nach der Wirtschaftskrise blieben beide sehr unkonkret, so daß es Steinmeier auch nicht gelungen ist, die SPD als Garanten für die soziale Gerechtigkeit darzustellen, auch wenn dies erkennbar sein Ziel war. Bei Angela Merkel war es fast bizarr, daß sie zum Schluß das Ziel „Arbeit für alle“ als realistisch bezeichnete, nachdem Steinmeier in den letzten Tagen für das gleiche Ziel nur Hohn und Spott erntete. Wieso die CDU der Garant für Arbeitsplätze ist und nicht die SPD, konnte Merkel aber auch nicht verdeutlichen.
Amüsant war die Position zur sozialen Marktwirtschaft. Merkel outete sich, höchst unerwartet, als Anhängerin der sozialen Marktwirtschaft und sprach davon, daß diese sich in Folge der Krise ändern müsse. Steinmeier widersprach und forderte einen Neustart der sozialen Marktwirtschaft, woraufhin Merkel sagte, die soziale Marktwirtschaft brauche keinen Neustart. Vielleicht verstehe ich das nach der Wahl.
Auffällig war noch, wie sehr die Kanzlerin die Notwendigkeit internationaler Lösungen betonte, vielleicht auch weil sie auf diesem Gebiet ihre größten Scheinerfolge erreicht hat, während der Außenminister immer wieder den Bedarf an nationalen Regelungen ins Spiel brachte.
Aus meiner Sicht ein klares Unentschieden der schlechteren Art. Ein eher langweiliges 0:0.

Bundestagswahl 2009 – die 5.

Wie ich bereits angedeutet habe, war ich früher deutlich mehr an Politik interessiert. Ich hing dem Glauben an, Politik könne etwas verändern. Ich wuchs in der Post-68er Generation auf, sprich bei Eltern, die an Politik glaubten und daran das Politik etwas verändern kann.
Ich glaube, dieser (Irr-)Glaube ist das, was derzeit den größten Beitrag zur Politikverdrossenheit leistet. Für die Generation vor meiner Generation war Krieg eine reale Konstante ihres Lebens. Auch wenn sie den Krieg nicht mehr miterlebt haben, waren die Folgen des Kriegs in Form von Ruinen und Kriegsversehrten und durch Verstorbene zerrissene Familien stets präsent. Krieg schien keine hypothetische Frage zu sein, vielmehr eine reale Bedrohung deren mörderische Existenz in dem nuklearen Zeitalter für eine stetige Beklommenheit sorgte, wenn es um Fragen der Politik ging.
In meiner Generation kommen zerrissene Familien durch Scheidung oder durch einen unglücklichen Schicksalsschlag zu Stand. Wer den Verstand nicht vollständig verloren hat, kommt nicht auf die Idee die Kanzlerin oder den Senator oder den Minister dafür verantwortlich zu machen, daß Mama und Papa sich nicht mehr mögen, oder daß Tante Frieda an Krebs stirbt.
Die unmittelbare und fatale Wirkung der Politik in die Tiefe des Privaten wirkt also längst nicht mehr so präsent wie etwa vor 20 Jahren, als es der Politik vielfach gelungen ist, seit Jahrzehnten zerrissene Familien wiederzuvereinen, weil die Bürger sich im unterdrückten Teil unseres Landes gegen ihre Unterdrückung auflehnten und ihre Freiheit erfolgreich durchsetzten.
Daß diese Wiedervereinigung in dem ein oder anderen Fall vielleicht auch bittere Erlebnisse offenbarte, etwa weil sich der Blutsverwandte den man bisher allenfalls aus Briefen kannte als Arschloch entpuppte oder weil die Träume vom westlichen Schlaraffenland zerplatzten, kann zur Verdrossenheit über die Politik, vorsichtig gesprochen, beigetragen haben.
Schließlich versprach diese blühende Landschaften, garantierte, daß es zu keinen Steuererhöhungen in Folge der Wiedervereinigung kommen würde und noch dazu daß die Rente sicher sei. Ohne die Wiedervereinigung könnte ich mir Westdeutschland tatsächlich etwa auf dem Niveau der Schweiz vorstellen, was hieße, daß sich die dramatischen sozialen Spannungen infolge des demographischen Wandels um vielleicht 10-15 Jahre verschoben hätten (laienhafter Eindruck, besser mutige Unterstellung ohne irgendeinen Beleg). Wie dem auch sei, es sind genau diese dreisten Versprechen, die nichts anderes als unverschämte Lügen waren, die den Glauben an die Politik und an Demokratie massiv untergraben haben.
Belügen lassen konnte man sich auch in einem System, in dem man noch in der festen Sicherheit lebte, daß das allenfalls auf dem Papier unter Druck gewählte Regime einen belog. Daß dies auch in der sogenannten Freiheit passierte, mag für den ein oder anderen Befreiten wie ein Schlag ins Gesicht erschienen sein, insbesondere wenn er gleichzeitig damit konfrontiert wurde, seinen sicher geglaubten Job zu verlieren, von einem westdeutschen Vertreter gutgläubig über den Tisch gezogen zu worden sein und festzustellen, daß die eigenen Beiträge zur Rentenversicherung nicht mehr viel Wert waren. Dies mag die Milde gegenüber den Nachfolgeparteien der SED, PDS bzw. LINKE in den ostdeutschen Ländern vielleicht zumindest teilweise erklären.
Ein wesentlicher Unterschied gegenüber der Welt vor 1990, also vor dem Triumph bei der Fußball-WM, ist der, daß die Welt nicht mehr abgeschottet ist. Der Weltmarkt war damals noch nicht wirklich greifbar. Vielmehr gab es einen sozialistischen und einen kapitalistischen Weltmarkt, die nur rudimentär miteinander in Verbindung standen. In dieser begrenzten Welt gab es Schranken und Grenzen überall. Der regionale Markt besaß eine viel größere Bedeutung, weshalb sich regionale Gesetze viel besser durchsetzen ließen und der Einfluß der Politik auf die Wirtschaft noch viel größer war. Damals kannte man vielleicht noch „Made in Taiwan“ und „Made in Korea“, doch weitere weitaus größere asiatische Staaten schienen in der westlichen Welt nicht existent zu sein.
In der Welt nach 1990 haben wir erlebt, daß die Politik ihre Versprechen nicht erfüllen konnte. Statt blühenden sehen wir verödende Landschaften. Versprechen, Arbeitsplätze zu schaffen, wirken einfach nur hohl, da den meisten klar ist, daß die Abhängigkeit der lokalen Wirtschaft von der Weltwirtschaft und der internationalen Konkurrenz weitaus größer ist, als die von der lokalen Politik.
Dies ist vielleicht die schlimmste Lüge, welcher die Politiker derzeit nicht begegnen, sondern leben. Sie tun so, als hätten sie nach wie vor unbeschränkten Einfluß auf die Dinge, die in diesem Land abgingen, obwohl mittlerweile fast jedem klar ist, wie gering der Einfluß geworden ist. Ich glaube, es ist gar nicht die Diskrepanz zwischen dem, was Politiker versprechen und dem was sie halten, sondern vielmehr die Diskrepanz zwischen dem, was Politiker versprechen und dem was sie überhaupt beeinflussen können, die für eine solche Verzweiflung und Frustration unter den Wählern sorgt.
Ich könnte mir ja sogar vorstellen, mich in eine CDU-Anhängerin zu verlieben und wäre mir dabei sicher, daß Angela Merkels Veto das geringste Übel für den Ausgang unserer Beziehung wäre. Was ich mit diesem völlig unzusammenhängenden Einwurf aufzeigen will, ist, daß für den Wähler der Einfluß der Politik auf seine persönliche Umgebung nicht sichtbar ist. Genauso wenig sieht er die Chance, daß die Politik noch einen globalen Einfluß hat.
Fast tragisch wirkt es auf mich, daß ich derzeit das Gefühl habe eine Wiederholung des Wahlkampfs von 1990 zu erleben. Die CDU verspricht Steuersenkungen oder gar das Blaue vom Himmel, während die SPD für das Bemühen einen Wahlkampf der Ehrlichkeit erneut einen deftigen Tritt in den Arsch bekommt. Vielleicht erklärt diese Belohnung der offensichtlichen Lügen den Drang zum Lügen – der Wähler hat eben wie auch der Mensch im Allgemeinen etwas Selbstzerstörerisches an sich. Kein Wunder, daß die Politiker sich im Wahlkampf nicht auf das realistisch Erreichbare beschränken.

Bundestagswahl 2009 – die 4.

Ich gebe zu, es gibt Tage, da tun mir Politiker leid. Selbst Politiker, die ich eigentlich nicht mag. Es ist schon ein enormer Druck, unter dem sie stehen. Sie führen quasi ein Leben in der Öffentlichkeit und müssen auf jedes Wort, das ihren Mund verläßt, höllisch aufpassen. Ich könnte für den Rest dieses Beitrags das Wort „Scheiße“ 821 mal wiederholen, und es würde niemanden interessieren. Macht ein (Spitzen-)Politiker dagegen eine ironische Bemerkung und wird dabei beobachtet, muß er bereits darauf hoffen, daß der Humor auch wirklich nicht zu übersehen ist, denn alles andere wird gegen ihn verwendet. Wenn schon nicht von der Presse, dann garantiert vom politischen Gegner, gleich ob in einer anderen oder der eigenen Partei.

Die Leser der Website werden gemerkt haben, daß mir das Wort und die Sprache sehr am Herz liegen. Gleichzeitig ist es für mich eine Horrorvorstellung, jedes Wort auf die Goldwaage gelegt zu bekommen. Genau dies mache ich aber, wie wohl die meisten anderen auch, bei Politikern und anderen Personen des öffentlichen Interesses. Es ist unwesentlich, ob ein Interview verkürzt und dadurch sinnentfremdet wird, oder ob ein Zitat aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch erst zu einer frevelhaften Äußerung wird. Ich verlasse mich auf den ersten Anschein, der auf diese Worte strahlt und bemerke nicht, daß derjenige, der sie präsentiert einen Schleier um die Worte legt.

Ich entsinne mich an den Hohn, den Frau Merkel erntete wegen des Verwechseln von Brutto und Netto. Betrachtete man ihre Worte genauer, stellte man zunächst fest, daß sie von einem deutlich komplexeren Kontext sprach als dem zwischen Bruttolohn und Nettolohn und man die Materie sehr gut kennen mußte um ihr Versehen, das es, wie der weitere Teil der Rede deutlich machte, war, überhaupt zu erkennen.

Es gibt Hunderte andere Beispiele, und sicher kennen die meisten eines, bei einem ihrer zu Unrecht verleumdeten Helden oder bei einem schleimigen Politiker, dem es völlig recht geschieht. Ich hoffe, man wird mir jetzt nicht Unverhältnismäßigkeit vorwerfen, aber ich finde diese Praktiken des Kontextentziehens, des Verfälschens, des bewußten Sinnentfremdens und des auf die Goldwaage Legens haben etwas von einer Vergewaltigung. Der Politiker wird wie er da steht, sicher nicht vollkommen unvorbereitet, denn er kennt das Spiel ja, von der Attacke doch überrascht und merkwürdigerweise auch verärgert. Reagiert er nun gereizt oder beleidigt, hat er gleich doppelt verloren, denn er erweist sich nicht nur als unsensibel sondern auch noch als uneinsichtig.

Diese ekligen Gemeinheiten und boshaften Unterstellungen sind in der Tat ein Grund, wieso mir Politiker manchmal leid tun können, doch meistens entdecke ich diese Gemeinheiten ja nicht einmal und schimpfe nur über den unverschämten Politiker. Doch Politiker müssen mehr als das aushalten. Sie stehen permanent in der Öffentlichkeit. Jede ihrer Entscheidungen wird von der Öffentlichkeit begutachtet, analysiert und kritisiert. Unschwer kann sich jeder vorstellen, daß es immer eine Seite gibt, die negative Kritik übt. Schlimmer noch ist, daß jede noch so scheinbar kleine Entscheidung Jahre später an die Öffentlichkeit gezerrt werden kann und dieser nach Sensationen hungrigen Masse zum Fraß vorgeworfen werden kann. Den Politiker verspeist sie dann gleich mit. Wobei die meisten unserer Politiker so zäh geworden sind, daß sie nicht gut genug schmecken.

Ich stelle mir häufig den Vergleich mit der Wirtschaft. Manager und Vorstände insbesonderer großer Unternehmen haben häufig jeden Bezug verloren zu dem, was auf der Basis ihres Unternehmens passiert. Gleich fernen Planeten kreisen sie auf einer Umlaufbahn um das Unternehmen und die Mitarbeiter. Sie können sehr viele Fehlentscheidungen treffen, ohne dafür belangt zu werden. Ähnlich wie bei Politikern werden die Mitarbeiter so oder so über sie schimpfen. Doch der Anteil der Manager an dem Erfolg ist üblicherweise so gering, daß es schon erschrickt wie viel Lob sie für die Erfolge anderer einstecken und wie es ihnen andererseits gelingt Mißerfolge auf andere abzuwälzen. Auch bei Managern ist es keineswegs so, daß die besten oder kompetentesten Leute diese Posten gewinnen, sondern häufig diejenigen, die am besten vernetzt sind. Gerade wenn sie sich der eigenen Unzulänglichkeiten zumindest partiell bewußt sind, achten sie darauf Leute empor zu hiefen, die nicht besser sind als sie selbst, um sich nicht in eine Gefahrenposition zu begeben.

Bei Politikern scheint es mir ähnlich zu sein. Es heißt so schön „Hinter einem erfolgreichen Mann steht eine erfolgreiche Frau.“  Hinter einem erfolgreichen Politiker stehen auf jeden Fall einige Berater, Lohnsklaven und willige Gefolgsleute aus dem Parteiendickicht, auf deren Loyalität er sich verlassen kann, da er ihnen schöne (lukrative?) Posten zugeschustert hat. Durch die regelmäßigen Wahle, die einen gemeinerweise absetzen können, ist der Druck und die Furcht vor Konkurrenz fast noch stärker als in der Wirtschaft. Ist man in der Politik daher oben angekommen, hat man sich sicher bereits einige Feinde in der eigenen Partei gemacht, sein Nervenkostüm sehr hart strapaziert und nahezu alle Ideale über Bord geworfen, die einen vielleicht einmal dazu bewogen haben, in die Politik zu gehen. Und genau in diesem Moment, in dem man sich nicht mehr traut, in den Spiegel zu schauen, trifft man auch noch auf eine überaus böswillige Öffentlichkeit, die nach einem echten oder unechten Fehler lechzt. Dabei sind es häufig gar nicht die eigenen Fehler, für die man verantwortlich gemacht wird, sondern die des Staatssekretärs der zum ganzen Überdruß auch noch ein anderes Parteibuch trägt, oder das Versagen irgendwelcher Ministerialbeamter.

Ja, es gibt Tage, da können Politiker mir leid tun.

Montag und Dienstag waren Frau Merkel und Herr Steinmeier in der ARD-Wahlkampfarena, wo sie sich den Fragen der Studiogäste stellten. Von Frau Merkel habe ich leider nur die letzten 15 Minuten gesehen, doch es fiel auf, wie sehr beide Kandidaten von sehr guten Medienberatern auf diese Sendungen vorbereitet wurden. Bei den teilweise renitenten Fragern wäre der Spendenbaron aus Oggersheim an die Decke gegangen und ausfallend geworden. Frau Merkel reagierte konzilant, schloß manche Kritik mit der höflichen Bemerkung, daß man hier eben grundverschiedener Ansicht sei, gab an anderer Stelle zu, einen Punkt noch nicht bedacht zu haben und versprach diesen mitzunehmen und bei der Ausgestaltung von Gesetzen zu berücksichtigen.
Herr Steinmeier begann überaus nervös und verhaspelte sich anfangs ein wenig, obgleich die ersten Frage zur Rente durchaus noch freundlich waren und ihm Chancen boten. Doch der für mich in diesem Wahlkampf bisher noch blasser als Michael Jackson gebliebene Frankie taute auf und wurde immer souveräner. Er versuchte  den Eindruck zu machen, auf den Frager einzugehen, indem er nachfragte und versuchte mehr Details hinter der ersten Frage zu erfahren. Zu offensichtlich war jedoch seine Anbiederung beim Publikum, wenn er bei jedem Gast darauf einging, aus welcher Stadt dieser kam. Gegen Ende wurde er fast staatstragend und sprach einige sehr wichtige und m.E. auch richtige Worte zur Bedeutung der Bildungspolitik und zum Schaffen von Chancen der Bildungsgleichheit insbesondere für Kinder und Jugendliche mit anderem kulturellen Hintergrund. Dieses staatstragende Habitus stand ihm ausgesprochen gut – man sollte es von einem Außenminister aber eigentlich auch erwarten können. Es wäre schön, wenn die Betonung gerade dieses Punktes nicht nur aus der Tatsache rührte, daß Steinmeier sich in Form geredet hatte, sondern auch daraus, daß dies für ihn und die SPD wirklich ein extrem zentrales Thema ist.

Angies Aussagen zum Thema AKW waren irgendwie dazu geeignet mich von meiner eher neutralen Position in dieser Frage in die Arme der eindeutigen AKW-Gegner zu treiben. Wenn ich die Liste der Störfälle betrachte und mir dann gesagt wird, daß wir in Deutschland die sichersten AKWs der Welt haben, kann ich nur sarkastisch lachen, wobei angesichts des Gefahrenpotentials selbst mir das Lachen im Hals stecken bleibt. Statt an eine Verlängerung der Laufzeiten der bestehenden AKWs hätte ich mir ja noch eher einen kompletten Neubau vorstellen können, aber wenn ich überlege, mit wie vielen Fehlern heutzutage noch Software entwickelt wird, sind wir dafür vielleicht nicht reif genug.

Frankie dagegen schaffte es nicht, mir die SPD oder sein Programm madig zu machen. Für einen Politiker ist das schon mal eine ziemlich ordentliche Leistung. Ob aber die Tatsache, daß er die Dame aus Grevenbroich sofort mit Horst Schlämmer in Verbindung brachte, ihm Stimmen kostet, wage ich nicht zu beurteilen. Ich weiß nur, daß der Mann als Außenminister unserer Republik und Kanzlerkandidat offensichtlich immer noch genug Zeit hat, sich irgendwelchen Quatsch im Fernsehen anzuschauen. Womit wir wohl wieder beim Worte auf die Goldwaage legen wären.

Manchmal können Politiker mir wirklich leid tun.

(Aber morgen lasse ich mich nicht mehr von christlicher Gnade leiten und hacke wieder auf sie ein – versprochen)