Der Ärger ist noch frisch. Als Zuschauer fühle ich mich verarscht, mißbraucht und betrogen. Ob das jetzt ein Klimax oder ein Antiklimax ist, möge jeder für sich entscheiden. Vermutlich ist es nur wahllos aneinandergereiht.
Das 100m-Finale hat mir den Rest gegeben. Wer bei dieser Zeit noch ernsthaft glaubt, daß da kein Doping im Spiel ist, den bewundere ich um sein Vertrauen. Falls Sie als Leser das tun, melden Sie sich bitte bei mir. Vielleicht könnte ich Ihnen noch einen Gebrauchtwagen verkaufen – tadelloser Zustand und unfallfrei versteht sich
So fest wie andere Leute an Jesus Christus glaube ich daran, daß Tyson Gay und Usain Bolt gedopt sind. Und daß, verehrter Leser war ein Klimax. Hat sich eigentlich jemand in letzter Zeit gefragt, wieso die, vermutlich auch vollgepumpten Athleten der letzten Jahrzehnte, ob sie nun Carl Lewis, Leroy Burrell oder Maurice Green hießen, für jede Hundertstel unter 10 Sekunden sich bis ans Äußerste quälen mußten, so sehr, daß man ihnen, die von mir unterstellten Vergehen, fast schon entschuldigen konnte.
Und dann kommt da Usain Bolt und verbessert den Weltrekord zuerst mit offenen Schnürsenkeln und ein Jahr später in einem Wettkampf, in dem er während des Laufs nach der Laufzeit und seinen Nachbarbahnen schaut. Diese Lockerheit, mit der er seine Erfolge erzielt, gepaart mit der Großspurigkeit seines Auftretens, ist es die mich so aufregt. Ich sehe, daß ich als Zuschauer betrogen werde, bzw. glaube es zu sehen (um mich juristisch etwas gegen Puma abzusichern) und fühle mich durch diese blöden kindischen Spielchen und Gesten verarscht. Da ich als zahlender Zuschauer meinen Beitrag an der Weltrekordprämie leiste, fühle ich mich auch mißbraucht, denn dadurch finanziere ich ungewollt dieses biochemische Wettrüsten.
Kommen wir zum Positiven: Unseren Siebenkämpferinnen! Das war echte Dramatik. Jennifer Öser hat mich sehr begeistert. Jessica Ennis war es, die diesen Siebenkampf auf unaufgeregte Art und Weise von Anfang bis Ende souverän dominierte. Doch dahinter kämpften bis zum Schluß sechs Athletinnen um die Medaillen. Öser überzeugte bis zum abschließenden 800-Lauf mit konstant guten Leistungen, ohne in einer Disziplin die anderen Athletinnen zu distanzieren. Beim 800m-Lauf stockte uns Zuschauern der Atem als sie bei 360m stürzte. Was folgte, kann ich als Läufer gut nachvollziehen. In so einem Moment gewinnt die Wut, und es wird dermaßen viel Adrenalin ausgeschüttet, daß man selbst einen Leoparden, ach was sag ich, selbst Usain Bolt, einholen kann. Julia Mächtig wartete auf Jennifer, um sie ans Feld heran zu führen, doch die war zu geladen, um sich auf irgendwelche Taktiken einzulassen. Mit einer unglaublichen Energieleistung wurde sie noch 4. des Laufs und zog noch an der zweitplazierten Polin vorbei. Herzlichen Glückwunsch. Ich ziehe meinen Hut vor sieben so großartigen Leistungen und einem echten Kämpferherzen.
Ebenfalls voller Dramatik war das Kugelstoßen, in dem Nadine Kleinert über sich hinaus wuchs. Daß sie am Ende nur 2. wurde, war bei all den tollen Versuchen, die sie zeigte und bei dem Klasse-Duell, daß sie sich mit der Neuseeländerin leistete nebensächlich. Dieser Wettkampf hat richtig Spaß gemacht und das Publikum begeistert.
Es gebe natürlich noch einiges zu berichten, etwa von den Speerwerferinnen, bei denen sich an diesem Tag die Reihenfolge der besten 3 Deutschen umdrehte und Obergföll ihre Weltjahresbestleistung verlor, oder von dem unglücklichen Charles Friedek, oder von Verena Sailer, einer Deustschen im 100m-Finale, doch von 100m habe ich jetzt erstmal genug.