Seit Max mich zu einer Best-Bottle-Probe mit einigen anderen Weinfreunden einlud, freute ich mich sehr auf dieses Event. Die im Vorfeld verschickten Weinlisten steigerten diese Vorfreude ebenso wie die Verkündung des tollen Menüs, das uns auf Schloß Hohenstein serviert wurde. Leider läuft im August der Pachtvertrag der Betreiber aus. Genießer sollten sich also überlegen, ob sie nicht im nächsten halben Jahr einen Abstecher nach Coburg und nach Schloß Hohenstein machen wollen, um das einzigartige Ambiente dieser Anlage und wahre Gaumenfreuden zu erleben.
Die Anreise von Hamburg mit der Bahn dauerte statt der avisierten sieben Stunden neun, so daß wir Hamburger eine dreiviertel Stunde zu spät kamen, doch erstaunlicherweise hatten die bereits anwesenden Weinfreunde sich überwinden können, noch keinen Champagner zu öffnen und sich stattdessen mit dem Fingerfood vertraut gemacht.
3-4 Sorten Fingerfood stand im Menü, doch gefühlt waren es mindestens ein Dutzend, überbackene Bruschetta in 2 verschiedenen Sorten, Zander in Petersiliensauce, Karottensüppchen, Paellabällchen, Schafskäse in viel Olivenöl, Carpacciostreifen mit Ruccola, Flugente kann ich an dieser Stelle nennen, ohne annähernd vollständig zu sein. Dazu gab es Sekt, Champagner und englischen Sparkling wine. Als jemand, der kein Schaumweinfreund ist, suchte ich erst gar nicht nach einer Lösung um den Konflikt Fingerfood in der einen Hand, Champagnerglas in der anderen und Notizbuch + Kugelschreiber am Körper aufzulösen, sondern verzichtete auf Notizen.
Für Freunde des Schaumweins wäre dieser Auftakt bereits ein Fest an sich gewesen ebenso wie für mich das grandiose Fingerfood, bei dem sich auch der Service als sehr zuvorkommend erwies.
Als Schaumweine wurden serviert:
Ein Rosésekt von Schloß Sommershausen
Der Camelford Brut Rosé aus England
Ein Jahrgangschampagner von Nicolas Feuilatte
Ein 2000er Jahrgangschampagner von Drappier, der selbst mich mit seiner Kraft und der Struktur seiner Kohlensäure beeindruckte
Ein 89er Heidsieck Monopole Diamant Bleu
Einen 90er Jahrgangschampagner habe ich jetzt m.E. unterschlagen, aber ich habe mit meinen Notizen ja auch erst danach begonnen.
Das mit Hummer Thermidor gratinierten Seeteufelfilet, das von Kopfsalatherzen in Champagnervinaigrette begleitet wurde, schmeckte grandios. Dazu gab es die ersten Weißweine des Abends.
Königbacher Idig Riesling Großes Gewächs 2005, Pfalz, Weingut Christmann
N: Aprikose, grasig, etwas Bortrytis
M: starke Kraft, gute Dichte, feine leichte Mineralik, sehr gute Länge 90 CP
Les Plantières de Haut Brion 2004, Bordeaux Pessac Leognan
N: floral, würzig, erdig, Feuerstein
M: cremig, Karamell, würzig 89 CP
Als zweiten Gang gab es gebratene Jakobsmuschel mit Sesam auf Wakamealgen und Zitronengrasschaum. Wakamealgen hatte ich bisher noch nicht gegessen, doch dieses scharfe Gemüse stellt ein echtes Geschmackserlebnis dar. Die Jakobsmuscheln sowieso.
Auch für dieses maritime Essen gab es eine weiße Begleitung.
Meursault Clos de la Barre 2002, Burgund, Comtes Lafon
N: Toast, würzig, steinig, Honig
M: würzig, intensive Mineralik, ordentliche Dichte, gute Länge 91 CP
Laville Haut Brion 1990, Bordeaux Pessac Leognan
N: viel Holz, rauchig, Leder
M: starke Dichte, Würze, etwas aufdringlich, sehr stark vom Holz geprägt, nicht meine Art Wein 86 CP
Der dritte Gang war eine Steinpilzconsommé mit Perlhuhnbrust und Wachtelspiegelei. Die logische Kombination zu den Steinpilzen schienen rote Burgunder zu sein, doch letztendlich trennten wir diesmal Essen und Wein, so daß diese nicht miteinander kombiniert wurden.
Chambertin Grand Cru 1999, Burgund, Rossignol-Trapet
N: sehr feine Waldbeere
M: sehr dicht, schöne Frucht, zunächst leicht alkoholisch, gewann mit Luft mehr und mehr Substanz, 92 CP
Corton Crancé 1993, Burgund, Louis Latour
N: Waldbeeren, pilzig, erdig, würzig
M: sehr fruchtig, feine Würze, rund, erdig 90 CP
Pommard 1979, Burgund, Jaboulet Vereherre
N: Tomaten, Himbeere
M: Maggi, recht leicht, feine Würze 87 CP
Obwohl wir bereits erlesenste Speisen und Tropfen verkostet hatten, waren wir noch weit davon entfernt genug zu haben. So bekamen wir nun als vierten Gang die gebratene Gänsestopfleber auf Kartoffelpüree mit Portweinschalotten und Honigäpfeln. Der Klassiker der Weinempfehlung zu Foie Gras ist ein Sauternes und diesen gab es dann gleich zweimal. Björn erwies sich dabei als Meister des Unterstatements – war sein schlicht mit Sauternes angekündigter Wein doch in Wirklichkeit
der Chateau dYquem 1990, Bordeaux – Sauternes
N: starke Bortrytisprägung
M: rund, schöne Dichte, aber gleichzeitig erstaunlich leicht, filigran 94 CP
La Tour Blanche 1990, Bordeaux – Sauternes
N: Nüsse, kandierte Früchte
M: dicht, würzig, intensiv, kräftig, 93 CP
Für mich als Freund des Süßweins waren diese beiden Tropfen echte Highlights, deren Anblick in tiefer Bernsteinfarbe alleine schon das Herz höher schlagen lässt.
Wer glaubt, daß wir mit diesen Süßweinen am Ende waren, der weiß nicht wozu 10 Weinfreunde fähig sind. Und da der Chefkoch Michael Kötterl von Schloß Hohenstein mit uns tafelte war bei vier Gängen natürlich noch nicht Schluß. Das Cassissorbet, das es als 5. Gang gab, wurde höchst originell in einer Schale aus Eis transportiert. Diskussionen über die Wiederverwenbarkeit dieses Geschirrs wurden vom Gastgeber mit einem Hinweis darauf beantwortet, dass der im Sorbet steckende Löffel ein Lolli sei. Begeisterung rief auch die Knallbrause hervor, die auf das Sorbet gestreut war. Diese kreative Kombination brachte eine deutliche Verjüngung in die Weinrunde, da man sich unweigerlich in seine infantile Phase zurückversetzt fühlte. Und es gab tatsächlich auch einen Wein dazu
Heitz 1979, Kallifornien Napa Valley
N: Cassis, Leder
M: Maggi, würzig, hat die besten Tage hinter sich 86 CP
Durch das Sorbet mit frischer Energie versorgt, hatten wir genug Kraft geschöpft, um mit dem 6. Gang den vermeintlichen Hauptgang anzugehen, einen Lammrücken im Dijonsenf-Knusperkrüstchen mit Bohnen-Pilzragout und Ahornjus. Wieder eine sehr herrliche Assemblage, einerseits höchst klassisch andererseits mit dem Ahornjus innovativ. Als Weine gab es dazu eine Cos-Vertikale der Jahre 79, 95 und 98.
Cos dEstournel 1998, Bordeaux St-Estephe
N: Cassis, Pfeffer
M: Bitterschokolade, würzig, nicht stimmig 86 CP
Cos dEstournel 1995
N: Nelken, würzig
M: ausgezehrt, zugleich fleischig 85 CP
Cos dEstournel 1979
N: Cassis, Hagebutte
M: feine Würze, schöne Tannine, erdig 90 CP
Nachdem die Cos-Vertikale doch eher enttäuschend war, blieb die Frage nach den Konsequenzen. Nie wieder Cos? Cos mindestens 30 Jahre liegen lassen? Im Nachgang tendiere ich eher zu der ersten Möglichkeit, denn auch der 79 wurde mit der Luft eher schlechter als besser.
Da jeder Weinfreund mindestens 3 Flaschen Wein oder Champagner mitgebracht hatte, gab es aber noch mehr als genug Wein für uns, so daß wir eine Zwischenverkostung einlegten. Zunächst traten zwei große Rotweine gegeneinander, wobei der 94er Mouton Rothschild krankheitsbedingt mit einem leichten Korkschmecker keine Konkurrenz war. Aber es gab ja noch:
Ausonne 1982, Bordeaux Pomerol
N: Heidelbeere, Pfeffer
M: Schokolade, fleischig, würzig, sehr gute Dichte 93 CP
Nach diesem Aufeinandertreffen der Giganten, bei dem der eine leider einen schlechten Korken erwischte, kam nun eine von Artur mitgebrachte 95er Horizontale hochklassiger Pomerol.
Vieux Chateau Certan 1995, Bordeaux Pomerol
N: Cassis, Leder, Kartoffeln
M: würzig, erdig, Schokolade 89 CP
Chateau Clinet 1995, Bordeaux – Pomerol
N: Heidelbeere, Veilchen
M: kräftig, dicht, würzig, erdig, mineralisch 91 CP
Certan de Mey 1995, Bordeaux – Pomerol
N: Cassis, erdig, marmeladig
M: Schokolade, dicht 90 CP
La Conseillante 1995, Bordeaux – Pomerol
N: Brombeere, Schokolade
M: Schoko, würzig, erdig, kräftige Tannine, hervorragende Länge 91 CP
Anschließend wurden meine Notizen spärlicher. Daß es als 7. Gang eine Dessertvariation gab und abschließend auch noch eine Käseplatte freigegeben wurde, zu der es einen 81er Chateau dYquem möchte ich nicht verschweigen. Der mit dem Yquem konkurrierende Muskateller Eiswein von Bründlmayer schaffte zwar noch einen Eintrag in mein Notizbuch, der allerdings unvollständig blieb. Erwähnen kann ich noch
Tertre du Rotebouef 1989, Bordeaux Saint Emilion Grand Cru
N: Paprika, Cassis, erdig
M: sehr fein, rund, kräftige Tannine, sehr gute Länge 92 CP
Ein fantastisches Treffen, für das ich Max vom Herzen danke. Es war, wie bei ihm nicht anders zu erwarten, perfekt organisiert. Ein besonderer Dank geht natürlich auch an unsere Gastgeben.
Ich hatte sehr viel Spaß, mit allen über Wein, Essen und die Welt zu philosophieren, und ich habe meinen ersten englischen Wein gekostet. Mit der Möglichkeit einen Chateau d’Yquem zu trinken, ging für mich ein Traum in Erfüllung. Eine solch geballte Sammlung gereifter Weine durfte ich noch nicht verkosten. Am Ende war ich dann auch ziemlich erschlagen und muß das gestehen, was ich natürlich nicht gestehen will. Es war fast schon zu viel des Weins. Ich habe denn auch die schlimme Befürchtung, den einzelnen Weinen nicht die Aufmerksamkeit gespendet zu haben, die sie verdient gehabt hätten und zu erleben, wie sie sich im Laufe eines Abends verändern. Da es aber nie zu viel guten Wein geben kann, ziehe ich diesen Gedanken sofort zurück und denke an den 90er dYquem, den 99er Chambertin Grand Cru und den 82er Ausonne, an Jakobsmuscheln mit Wakamealgen, an unendliche Mengen Fingerfood und an Knallbrause auf Cassissorbet.