Bundestagswahl 2009

Nicht einmal mehr drei Wochen bis zur Bundestagswahl. Auch wenn die ganze Stadt (Hamburg) zugepflastert mit Plakaten ist, habe ich dennoch das Gefühl noch nie so wenig interessiert an einer Bundestagswahl gewesen zu sein. Gleichzeitig habe ich das Gefühl noch nie einen so laschen Wahlkampf wie vor dieser Wahl erlebt zu haben.
Welches der beiden Gefühle, von denen mir Verhaltensforscher sicher sagen würden, daß es keine Gefühle sind, mich mehr beunruhigen sollte, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Das erste, ich bleibe mal beim Ausdruck Gefühl, obwohl ich eigentlich an dieser Stelle emotionslos bin, hieße, das mir unsere Demokratie scheißegal wäre. Wenn dem wirklich so wäre, würde ich mich gerne so lange verprügeln, bis ich mich der Mehrheitsmeinung meiner Fäuste gebeugt habe. Das zweite Gefühl hieße, daß die Parteien nicht daran glaubten, irgend etwas verändern zu können und sei es den Wählerwillen. Dafür würde ihnen der Arsch versohlt gehört.
Gehen wir also davon aus, daß mich beide Gefühle trügen, oder zumindest meine Interpretationen falsch sind und betreiben etwas Ursachenforschung. Was ist geschehen? Deutschland erlebte eine echte Revolution und ein historisches Ereignis, daß die Massen bewegte und vereinigte. Nein, nicht die Fußball-WM 2006. Ich spreche von der Wiedervereinigung. Bei diesen Bildern beschleicht mich übrigens immer noch eine Gänsehaut, der Drang die Tränen unterdrücken zu müssen und somit echte Gefühle. Wir erlebten eine Politik, welche die historische Chance ergriff, die ihnen durch die Revolution in der DDR gegeben wurde.
Was folgte, waren acht Jahre der Verarsche. Wir erlebten eine Politik, die sich abmühte aberwitzige Versprechen abzugeben, von denen sie (hoffentlich) wußte, daß sie nicht haltbar waren. Wir erlebten eine Politik des Stillstands mit gleichzeitigem Niedergang des neuen Teils der Republik. Die versprochenen blühenden Landschaften erscheinen auch heute noch als Hohn. Sicherlich hat sich die Infrastruktur in den neuen Bundesländern massiv verbessert, doch Teer und Asphalt waren für mich nicht unbedingt mit Kulturpflanzen verbunden, ebenso wenig wie das Unkraut, das in diversen verlassenen Dörfern und Fabrikgeländen sprießt. Man kann der damaligen Politik vielleicht noch zu Gute halten, daß sie auch an dem föderalen System unseres Landes scheiterte und das ein oder andere Reformvorhaben nicht gegen eine ideologisch noch sehr weit links eingestellte SPD unter Oskar Lafontaine durchsetzen konnte. Doch gleichzeitig bewegte sich die politische Führung um Spendenskandalkanzler Helmut Kohl… gar nicht. Eine aktive Politik fand nicht statt. Die Wähler wurden frustrierter. Weil sie sich (von allen Parteien) verarscht fühlten, weil sich nichts tat oder weil sich nur etwas zum Schlechteren tat.
Dann kam der Machtwechsel, und Rot-Grün kam an die Macht. Ich hatte in dieser Zeit tatsächlich das Gefühl, daß sich etwas tat. Die politischen Methoden waren zum Teil mehr als fragwürdig, wenn man an die im Bundesrat gekaufte Steuerreform oder an die doppelte Stimmabgabe Brandenburgs im Bundesrat oder an die Kopplung eines Kriegseinsatzes mit einer unnötigen Vertrauensfrage denkt. (Gewissen gegen Vertrauen und danach ein Gläschen Sekt auf das Vertrauen egal wie viele Soldaten sterben. Da wird mir heute noch schlecht.) Doch die Politik schien tatsächlich etwas umsetzen zu können. Als die Agenda 2010 verkündet wurde, hatte die damalige Opposition es schwer ideologische Bedenken vorzubringen, wie ihre Vorgänger, schließlich war die Agenda ihr doch sehr nahe. Was heraus kam, war eine Handvoll von Reformen, die in die richtige Richtung gingen, aber handwerklich, sprich im Detail, richtig schlecht konstruiert waren. Die Rot-Grüne Regierung verlor nicht zuletzt wegen der Agenda 2010 ihre eigene Stammbasis und auch die Wahlen.
Statt Jamaika oder einer Ampelkoalition erlebten wir eine große Koalition. Und wieder passierte – Gar nichts. Doch es kam tatsächlich zu einem Aufschwung, von dem die ganze internationale Beobachtung überzeugt ist, daß er auf die Reformen aus der Regierungszeit Schröder zurückgeht. Die CDU schien sich an nichts zu erinnern, was sie vor der Wahl gefordert hatte und machte nicht einmal den Versuch die mühsam unter der Vorgängerregierung ins Rollen gekommene Reformbewegung voranzutreiben. Die SPD agierte derweil wie ein Gummiball, hin – und her gerissen zwischen  Agenda 2010 und alten sozialistischen Idealen. Gleichzeitig war sie stets bemüht sich selbst zu zerfleischen, sehr zum Wohlgefallen der CDU und einer Kanzlerin, die sehr danach bestrebt war ihrem Ziehvater dem Spendenbaron oder doch besser Lügenbaron oder doch besser Mann des Ehrenworts in Behäbigkeit nachzueifern. Es ist kein Wunder, daß eine so schwache und hörbar schnarchende Regierungspartei wie die CDU neben einem so miserablen und inkonsequenten Haufen wie der SPD noch gut abschneidet. Sehr verärgert hat mich auch, daß der einzige Bereich, in dem die CDU tatsächlich etwas umgesetzt hat, der unter „Ich habe niemals einen Koffer voller Geld von Frau Baumann bekommen“-Schäuble ist und hier eine Haltung propagiert wird, die meines Erachtens zumindest gegen die Gedanken unser Verfassung verstößt.
Ich vermute ja doch, daß mich mit den meisten Bürgern zumindest das Gefühl der Enttäuschung über unsere Politiker verbindet. Dieses Gefühl der Enttäuschung wird beinahe zur Verzweiflung, wenn ich mir unsere Opposition anschaue. Irgendwelche wirren Köpfe (LINKE), fast genauso viel Inkonsequenz wie in der SPD gegenüber der eigenen und ansatzweise richtig wahrgenommenen Verantwortung (GRÜNE) oder eben Leute, die man ähnlich wie die CDU nicht wählen kann, wenn man noch einen Funken Anstand im Körper hat (FDP).
Dementsprechend kann ich knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl immer noch nicht überzeugt sagen „Die wähle ich.“, und das ist bei einer so wichtigen Entscheidung, die für die nächsten 4 Jahre Bestand hat, wirklich frustrierend. Vielleicht hat das Gefühl, das vielleicht ja gar keins ist, daß es ohnehin ziemlich egal ist doch etwas Tröstliches.

Entschuldigung 1. Teil

Der ein oder andere Leser mag sich aufgrund der unbeschriebenen Tage ja Sorgen um mein Wohlbefinden gemacht haben. Vielleicht hat er sich sogar die folgenschwere Frage gestellt, ob ich es denn mehrere Tage am Stück ohne Verkostungsnotiz aushalte.
Ich bedanke mich auf jeden Fall für das Mitgefühl und kann Euch versichern, daß die Sorgen zum jetzigen Zeitpunkt vollkommen unbegründet sind. Die erste Schaffenspause legte ich im österreichischem Ehrwald ein, wo ich zwar vorzüglichen Rotwein konsumierte, allerdings wie es sich gehört, ausschließlich zu Tisch. Anders als bei anderen Gelegenheiten verhielt ich mich zur Abwechslung mal zivilisiert und holte nicht mein Notizbuch hervor. Zu trinken gab es u.a. den 2006er Blaufränkisch Chevalier DAC Reserve vom Rotweingut Iby aus dem Mittelburgenland und den durchaus bekannten Arachon eine Cuvee aus Blaufränkisch, Merlot, Zweigelt und Cabernet Sauvignon. Der Chevalier war der zugänglichere der beiden Weine und damit wohl auch der für das Restaurant bessere geeignete. Der Arachon war dagegen einer jener Weine, die mit Luft zulegen und nach und nach neue Facetten offenbaren. Also auf jeden Fall ein spannender Wein, bei dem es lohnt, ihn über einen Abend zu verfolgen. Die Höhenluft setzte mir aber zu, so daß ich nicht allzu aufmerksam war. Ich hoffe, die Leser sind geneigt, mir dies zu verzeihen.
Am Münchner Flughafen checkte ich vor der Rückreise ins norddeutsche Küstenvorland, gemeinhin auch Hamburg genannt, noch im Dallmayr Café ein. Feinschmecker und Weintrinker wissen, daß es hier nicht nur Kaffee gibt sondern auch:

Chablis Domaine Chèvre 2006

Strohgelbe Farbe, Birne, Wachs, blumig
Sehr ungewohnt: fruchtig, leichte Säure, frisch, schwacher Schmelz, gute Länge, leicht mineralischer Nachhall.

nicht unbedingt Chablis-typisch, aber sehr gefällig

Escherdorfer Lump Sivaner Kabinett trocken, 2007

Strohgelbe Farbe, sehr fruchtig, leichtes Pfefferl
Saftig, leichte Säure, fruchtbetont, geradlinig

netter Wein, aber doch ziemlich belanglos, zum Durchschnittskrimi am Abend, falls man den Fernseher partout nicht abschalten kann.
Der zweite Schluck besitzt doch etwas mehr Rasse und Würze. So verträgt er auch die Chips zum Krimi.

Wenn die Angaben zur Wiedererkennung der Weine nicht wirklich ausreichen, so liegt das nicht an meinen Bemühungen sämtliche vorhandenen Informationen von den Karten aufzuschreiben.

Der Weingenießer

Die Natur wissenschaftlicher Genießer
ähnelt doch sehr der gewöhnlicher Spießer
Sie pressen den Wein in vorgefertigte Schablonen
als könnte man in einer Flasche wohnen

Schnell sieht man wie so jemand verbiestert
stößt er auf unbekannte Kombinationen
Beleidigt wird dann der unglückliche Eingießer
zählt der Wein nicht zu bekannten Epigonen

Hohe Punktzahlen werden abwertend genannt
Das merkwürdige Vokabular ist nur ihm bekannt.
So drischt er wütend auf den Tropfen ein

Nach dem Probieren ist er noch immer angespannt.
und verflucht schließlich den unseligen Wein
dabei schmeckte er eigentlich fein

Weinfest

Es ist meist kein besondrer Wein
nach dem die durstigen Kehlen schrein
Fast ist’s gleich ob weiß oder rot
Solange weiter Trockenheit droht

Hauptsache Flüssigkeit kommt rein
Auch gestreckt mit Wasser zur Not
Lecker muss das dann gar nicht sein
Zur Neutralisation gibt’s halt ne Scheibe Brot

Von geselligen Freunden auf langen Bänken eingesperrt
Während das Deo des Nachbarn die frische Luft verzehrt
Erfreut man sich am volkstümlichen Gelage

Wer sich gegen steten Nachschub nicht wehrt
Der erlebt das Ende des Fests womöglich als Blamage
Verlässt er es doch sirenenbegleitet auf einer Trage

Motto der Website

Wenn Hamburg den Welt-Astra-Tag feiert, komme natürlich auch ich nicht am Gerstensaft vorbei und lasse die frisch eingetroffene Lieferung meines Pfälzer Haus- und Hofwinzers erst einmal stehen, um in den folgenden Tagen ausführlich davon zu berichten.

Nutzen möchte ich die Gelegenheit, mit ein paar Zeilen den Titel der Website etwas näher zu bringen.

Ist es nur eine alltägliche Flucht
oder schon eine zerstörende Sucht
Leicht trinkt man sich in elendes Verderben
und schlägt die Zukunft in traurige Scherben

Man wähnt sich noch in einer ablenkenden Bucht
Dann verfällt man des Tropfens sirenenhaftem Werben
und stürzt in eine mörderisch tiefe Schlucht
denn an Leberzirrhose kann man lange dreckig sterben

Doch beachtet man das angemessene Maß
fördert Wein den kommunikativen Spaß
Durch eine lockere Zunge kommt Schwung ins Leben

Deshalb erfreut Euch an einem vollen Glas
gefüllt mit dem edlen Saft der Reben
und versucht den Genuß liebevoll weiterzugeben

Und am Anfang war das Wort

Und darum wird es hier zu einem Großteil gehen. Geschriebene Ergüsse zu dem, was ich oder andere mir an Flüssigkeiten eingegossen haben. Auch die Sprachlosigkeit des Läufers bei Kilometer 41 will ich versuchen in Worte zu fassen. Dann und wann werde ich eine kleine Ode an dieses oder jene bisher Ungewürdigte zu Speicher bringen.

Ich hoffe, daß der eine oder die andere beim Lesen so viel Spaß hat, wie ich beim Schreiben.