Morgens in der Bahn hörte ich, wie Schülerinnen über den bevorstehenden Besuch eines Politikers an ihrer Schule sprachen, für den sie zehn Fragen an den Politiker vorbereiten sollten. Wie sich herausstellte war das für sie keine einfache Aufgabe – trotz Internetsuche nach Fragen an Politikern und thematischen Vorschlägen der Lehrer. Ich kam ins Grübeln und muss sagen, dass mir sehr schnell zehn Fragen eingefallen sind.
- Warum sind Sie in die Politik gegangen?
- Verstehen Sie, dass viele Bürger den Eindruck haben, die meisten Politiker würden nur wegen einer politischen Karriere in die Politik gehen?
- Warum kommen in Parteien Menschen an die Spitze, die den Eindruck erwecken, nicht an der Sache, sondern an Macht und Popularität interessiert zu sein?
- Wie können Politiker dazu gebracht werden, in ihrem Handeln langfristig statt nur bis zur nächsten Wahl zu agieren?
- Sollten Politiker besser Positionen vertreten, von denen sie selbst überzeugt sind, anstatt sich nach Meinungsumfragen und Wahlanalysen auszurichten?
- Wie können Politiker vor einer einseitigen Lobby-Beeinflussung geschützt werden?
- Wie schwer belastet Korruption die Politik – vor allem auf lokaler und regionaler Ebene?
- Behindern das Beamtentum und der administrative Apparat wirksame Reformen für mehr Effizienz in der Verwaltung und gegen Bürokratie?
- Mit welchen Maßnahmen wollen Sie auf die Herausforderungen des Klimawandels reagieren – sowohl solchen, die in Ihrer Macht stehen, als auch global Erstrebenwerten?
- Mit welchen Maßnahmen wollen Sie auf die Herausforderungen des demografischen Wandels reagieren?
Verflucht! Zehn Fragen langen mir nicht einmal ansatzweise. Zugegeben, Frage 5 ist suggestiv und unfair. Dennoch glaube ich, dass es vor allem Fragen sind, die ein Politiker sich in regelmäßigen Abständen selbst stellen sollte. Ich habe nämlich die Hoffnung, dass am Anfang vieler politischer Karrieren keine kühle Berechnung, sondern Idealismus stand.
Der negative Grundtenor der Fragen verdeutlicht, dass ich durch die mediale Selbstpräsentation des politischen Spitzenpersonals keine gute Meinung von der Allgemeinheit der Politiker habe. Umso überraschender ist es für mich, dass ich auf den direkt gewählten Landtagsabgeordneten in meinem Wahlkreis tatsächlich stolz bin und mich freue, dass gerade er mich und den Landkreis vertritt. Und auch von dem direkt (wenn auch nicht von mir) gewählten Bundestagsabgeordneten meines Wahlkreises weiß ich nichts Negatives zu berichten. Anders als bei anderen MdBs kenne ich bei ihm z.B. keine Geschichten, die auf persönliche Bereicherung hinauslaufen.
Erschreckend ist jedoch, dass diese anderen MdBs Legislaturperiode für Legislaturperiode wiedergewählt wurden. Vielleicht sollten Politiker einmal 10 Fragen an die Bürger stellen, wobei die Erste sein könnte: Wieso seid Ihr nur so dumm?