Fingerübung-0816

Bitte gib mir nur ein Wort
und ich starte genau dort
und führ es immer weiter fort
Klingt das langweilig wie Sport

Viel mehr ist es auch nicht
Wie ich führ dich hinters Licht
Manchmal entwickelt sich so eine neue Schicht
und dein Wort bekommt ein neues Gesicht

Klingt das etwa vermessen
oder hast du dein Wort schon vergessen
Ich hab es unheimlich schnell aufgegessen
um nicht zu sagen beiläufig gefressen

So tu ich die Wörter verschlingen
und ohne sie dazu zwingen
beginnen sie auf einmal zu singen
weil sie einfach nur gut klingen

Also bitte gib mir nur ein Wort
Ich versprech es kommt auch nicht zum Mord
Dein Wort bleibt bei mir an Bord
und endet als Beute in meinem Hort

Große Pause

Damit ich nicht so aufbrause
mach ich lieber große Pause
Ich schreibe nur wenig auf
meine Finger haben keinen Lauf
Auch wenn die Synapsen sich drehen
kommen keine Zeilen zum Entstehen
Was soll’s denk ich bei mir
schreib ich eben nichts hier
Ich mache lieber große Pause
und geh raus aus dem Hause
Die Viertelstunde wird mich erfrischen

So kann ich wieder Neues auftischen

lass mir fräsche Reims einfallen

ohne unsinnig zu schwallen

Doch schnell ist ein Monat vergangen

und ich habe keine Idee gefangen

Wurde mein Interesse geweckt
habe ich es dennoch gesteckt

So wurde die große Pause immer länger
ich hab wohl einfach einen Hänger

Dichten – was sonst?

Einfach nur mal kurz etwas aufschreiben
sehen wie Worte es miteinander treiben
sie sich innig miteinander verbinden
und wie selbstverständlich zueinander finden
ist als Kunst nicht besonders groß
doch manchmal ist einfach nichts los
Und gibt es keine Chance sich zu kräftigen
muß man sich doch irgendwie beschäftigen
Warum also nicht mit Worten spielen
und mit einem auf das nächste zielen
Wenn sie sich vorteilhaft begegnen
tust du sie gewissermaßen segnen
Denn ihr Treffen erzeugt Gemeinsamkeit
und vertreibt die Einsamkeit
Sie erhalten einen höheren Wert
solang der Reim sich nicht wehrt

Länge ist kein Maß für Schönheit

Egal wie sehr ich auch dran feil
des letzten Gedichts zweiter Teil
wird dadurch nicht besser
und entwickelt sich zum ungeliebten Stresser
Auf sonnendurchflutete Altstadtgassen
krieg ich nichts Poetisches zu fassen
Der Zweifel der am Nutzen des unterbrochnen Trainings nagt
ist nichts was stilistisch hervorragt
und nichts was dich inhaltlich weiterbringt
Wie so denn dann ein akzeptables Gedicht gelingt
Vielleicht funktioniert ja Reduktion
indem ich den Leser vor dem zweiten Teil verschon
(zu spät)

And now to something completely different…

Ohne Ziel begonnen
wird der Text einfach weiter gesponnen
Wer weiß schon wie es weitergeht
und welcher Vers am Ende steht
Soll ich nach schönen Metaphern suchen
endet das Gedicht mit wildem Fluchen
denn wie soll ich ein Bild finden
wenn sich bisher nur die Zeilen verbinden
doch noch keinen Inhalt enthalten
Wie wird sich der Text weiter gestalten
Wird der Text für mich sprechen
oder werd ich ihn abbrechen
weil es mir nicht gefällt
daß er keinen Inhalt enthält
Warum ist mir Inhalt so wichtig
durch ihn wird ein Text erst vielschichtig
Er verleiht ihm eine weitere Dimension
Nur mit ihm gibt es eine echte Intention
Schön schreiben ist zwar bereits nicht leicht
doch nur mit Eleganz hat man noch nichts erreicht
Wie ein eitler Pfau
bleibt der Text doch eher lau
Er ist zwar hübsch anzublicken
doch er tut Nichts verschicken
Wohin werden sich die Zeilen noch hinwenden
Werden sie eine Botschaft aussenden
oder weiter nur fehlendes Talent verschwenden
Besser ich lass es einfach hier enden

Lord Chandos die 2.

Lieber Lord Chandos,

seien Sie traurig gegrüßt. Wieder einmal muß ich Ihnen schreiben, und es ist in der Tat ein Muß, daß ich Ihnen schreibe. Es gibt viele Gründe, nicht zu schreiben.

In diesen Tagen lernen wir, daß manche gerne so tun, als ob sie schreiben, obwohl sie in Wirklichkeit nur abschreiben.

Doch dies ist nicht der Geist des Schreibens, den ich und sie anstreben. Die Liebe zum Wort, zur Idee und zum Sprachbild sind es, die ich mit dem Schreiben zelebrieren will. Jetzt frage ich mich, warum mir dies in den letzten Wochen so schlecht gelingt. In der Vergangenheit war es meist die Inspiration, die mir fehlte. Mangelnde Kreativität erscheint mir heute als dankbarer Grund, nicht zu schreiben, denn immerhin weiß man nicht, was man nicht schreibt.

Andere würden sagen, Mangel an Kreativität sei sogar gut um zu schreiben, doch sie mißverstehen, daß ein Buch von rund 400 Seiten mit 1.200 Fußnoten und 80 teils ellenlangen nicht gekennzeichneten Passagen fremder Autoren kein Schrifterzeugnis sonder ein zusammengesetztes Puzzle oder vielleicht freundlicher ausgedrückt eine Kollektion, ein Best-Of-Album ist.

Doch ich schweife schon wieder ab, lieber Lord Chandos. Derzeit fehlt es mir gar nicht an Kreativität. Eine Vielzahl von Ideen – na gut, ich will nicht angeben: anderthalb Handvoll – wartet derzeit auf ihre Vollendung, entweder im Form einer einfachen Notiz mit Anbau in meinem Kopf oder schon zur Hälfte fertiggestellt. Dieser letzte Punkt ist es, der mich als Lüger entlarvt, wenn ich behaupte, daß mir die Zeit zum Schreiben fehlt. Es scheint wohl eher die Disziplin zu sein, die ich vermissen lasse. Was kann es geben, das mich vom Schreiben abhält? Da ich ernsthaft nur Faulheit und Mangel an Ernsthaftigkeit anführen kann, bitte ich Sie um Hilfe.

Was kann ich tun, um wieder mehr Zeit dem Schreiben zu widmen und mich weniger mit der Abschiebung von Schuld und Verantwortung bei den zahlreichen Skandalen in meinem Ministerium zu widmen. Nachdem ich kürzlich eine deutliche Reduzierung der mir Unterstellten durch den Verzicht auf freiwillig Gezwungene, äh… Eingezogene, durchgesetzt habe, gehen mir langsam die mich rettenden Sündenböcke aus. In einem Albtraum verteidigten meine Untergebenen alle abgeschriebenen Worte einer staatstragenden Dissertation, und am Ende fehlte ein Mann, um das Schlußwort des Fazits zu beschützen, so daß mich die Taliban doch noch erwischten.

Oh, ich schweife schon wieder ab und fühle mich schon wie ein guter Berg. Vielleicht ist auch dies Zeichen des Mangels an Konzentration und Disziplin. Lieber Lord Chandos, es ist allerhöchste Zeit. Bitte helfen Sie mir!

Drum prüfe wer sie ewig bindet

Wird die Suche nach dem fehlenden Wort
erst einmal zum Ausdauersport
passiert es schnell daß man sich verwählt
weil nur noch das Ankommen zählt

Ist die Inspiration erst einmal fort
werden Worte zwangsvermählt
denn es gibt kein Gefühl mehr an diesem Ort
und es ist egal wie sehr der Reim sich quält

Kann man sich in der Ehe nicht leiden
läßt man sich einfach wieder scheiden
doch ein schlechter Reim läßt sich nicht teilen

Es hilft auch nichts ihn modisch aufzustylen
Die Wörter müssen weiter leiden
Man kann sie nicht mehr heilen

Schreibmaschinen

Früher an den Schreibmaschinen
tat man sich jedes Wort verdienen
Kein Zurücksetzen und kein Entfernen
schon der erste Versuch griff nach den Sternen
Kam die Tinte erstmal aus den Bändern
ließ sich nur noch schwer etwas ändern
Der Versuch die Worte sorgsam zu wählen
hieß oftmals sich lange vor den Tasten zu quälen

So wurde mit unendlich viel Bedacht
manche Nacht mit langem Warten durchwacht
Der Kampf um Inspiration geriet zur Schlacht
denn auch Erschöpfung hat sie nicht vorbei gebracht

Des Schreibers höhere Sorgfalt
verlieh seinen Zeilen häufig mehr Gehalt
Sich bereits vorm Schreiben zu korrigieren
hinderte ihn Mist zusammen zu schmieren
Heute läßt man häufig seine Worte stehen
ohne sie sich noch einmal anzusehen
denn die zur Korrektur benötigte Zeit
beleidigt die eigne Eitelkeit

Lieber Lord Chandos…

Ein paar Tage nichts geschrieben
Wo sind die Gedanken hängen geblieben
Wieso öffnete sich nicht die kreative Saat
Kein Antiklimax endete in Wort und Tat

Ich weiß nicht was nicht hat getrieben
drum such ich ja ihren weisen Rat
Wem kann ich die Schuld zuschieben
damit ein geistiger Frühling naht

Zum Glück hatte ich einen Vorrat angelegt
der die leeren Tage meines Blogs pflegt
Die Ideen gewonnen an fremden Stätten

tuen sich nicht in neue Reime betten
Und weil ich nicht sehe daß mein Füller sich bewegt
müßt Ihr lieber Lord Chandos mich gnädigst retten