Leichtathletik-WM Tag 9

Ich muß gestehen, ich verspürte schon am letzten Tag der WM Katerstimmung. So schaute ich mir den Marathon der Frauen diesmal im Fernsehen an, auch da ich so mehr vom Verlauf des Rennens mitbekommen konnte als direkt an der Strecke. Mocki lief einen schönen Lauf, doch leider war sie am Anfang doch etwas zu defensiv. Sicher hätte sie auch sonst nichts mit dem Ausgang des Rennens zu tun gehabt, aber vielleicht hätte sie ein paar Plätze weiter vorne landen können. Wie dem auch sei, der von Rußland eröffnete Vierkampf mit China, Japan und Äthiopien, aus dem Rußland als erster mit Seitenstechen aussteigen mußte, war sehr spannend und bot viele Wechsel in der Führung. Daß die Chinesin, die als letzte attackierte, erfolgreich war, gibt Mocki in ihrer Strategie vielleicht doch recht.

Daß für Deutschland an diesem Abend nichts zu holen war, war eigentlich von Beginn an klar. Schließlich gab es auch nur noch 2 Finale mit deutscher Beteiligung. Doch das war nicht schlimm; die deutschen Athleten hatten uns in den vergangenen Tagen mit einem wahren Medaillenregen verwöhnt. Enttäuschungen gab es eigentlich keine, dafür jede Menge postiver Überraschungen.

Ich weiß nicht, woran es liegt, daß ich jetzt über so wenig von diesem Abend schreiben will. Vielleicht an der wehmütigen Stimmung, weil ich wußte, daß diese großartige Veranstaltung an diesem Abend zu Ende gehen sollte und irgendwo im Unterbewußtsein schon ahnte, daß mich am  nächsten Tag die Arbeit erwartete.

Faszinierend war der 5.000m-Lauf. Vor der WM hieß es ja noch Bekele würde nur über die 10.000m starten, doch nun war er auch über 5.000m dabei. Es überraschte, daß er sich von Anfang an sehr aktiv an der Führungsarbeit beteiligte. Noch überraschender war es, daß der Lauf trotz dessem oder sogar deswegen sehr langsam war. Bekele schien sich voll auf seinen Endspurt zu verlassen. Ob er so etwas noch einmal wagt, weiß ich nicht, denn das Duell, das ihm Bernard Lagat aus den USA bot, war grandios. Lagat hatte Bekele auf der Zielgeraden schon überholt, als dieser noch ein paar allerletzte Körner Kraft mobilisierte und Lagat niederrung. Wahrscheinlich war Bekele nach den vielen Wettkämpfen nicht mehr zu einer Topzeit in der Lage und entschied sich daher für diese Taktik. Meinen Glückwunsch dafür, daß sie aufging – wenn auch nur hauchdünn.

Daß auch das 800m-Rennen der Männer mit Mbulaeni Mulaudzi von einem südafrikanischen Mann gewonnen wurde, bot natürlich reichlich Anlaß zum Schmunzeln, wobei ich mich bei Caster Semenya für diesen unangbrachten Witz entschuldigen möchte. Es war ein spannendes Rennen, bei dem ich den Eindruck hatte, daß der stärkste Läufer, der eingeklemmte Amine Laalou, leider nicht entscheidend in den Zielsprint eingreifen konnte.

Diese Beobachtung wird beim 1.500m-Rennen der Frauen interessant. Hier möchte ich nicht in der Haut der Jury stecken. Ja, Natalia Rodriguez hat Gelete Burka umgestoßen, und jeder im Stadion hat es gesehen. Was nicht jeder erkannt hat, ist, daß Burka nicht konsequent innen lief, also eine Art Minimalschlupfloch bzw. zumindest den Anreiz zum Innenpassieren für Rodriguez bot. Wäre Burka ganz innen gelaufen, stellte sich die Frage nicht und Rodriguez gehörte, wie von einigen Zuschauern praktiziert, ausgepfiffen. Meines Erachtens trägt Burka durch den von ihr praktizierten Laufstil jedoch eine gewisse Mitschuld. Die Entscheidung zur Disqualifikation der Ersten Rodriguez halte ich jedoch für konsequent. In der Vergangenheit wurden Läufer bereits für deutlich geringeren und unabsichtlichen Körperkontakt disqualifiziert.

Die Begeisterung bei den 4*400m der Frauen wirkte diesmal etwas weniger stark, und daß obwohl ich diesmal auch aufstand – es war ja immerhin ein Finale. Zu deutlich war wohl, daß das deutsche Quartett hier nichts mit der Entscheidung zu tun hatte.

Mit den 4*400m der Männer und einem überlegenen Sieg der amerikanischen Staffel um Kerron Clement ging die WM dann für mich zu Ende. Auf die Abschlußfeier verzichtete ich dann doch, um meine Abreise etwas einfacher zu gestalten.

Es waren herrliche Tage, wunderschöne Wettkämpfe, eine friedliche und begeisternde Atmosphäre. Es gab unterhaltsame Athleten, große Kämpfe und beeindruckende Leistungen. Die Leichtathletik hat alles gezeigt, was sie zu bieten hat, und wer das neun Tage lang verfolgt hat, ist aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Gerade deshalb ist es schade, daß so wenig Besucher da waren. Gerade bei jungen Zuschauern hätte dieses Ereignis eine ungeheure Begeisterung auslösen und sie für die Leichtathletik faszinieren können. Mir hat es auf jeden Fall so gut gefallen, daß die EM 2010 in Barcelona einen sehr ernsten Gedanken wert ist, in der Hoffnung dort ebenso heitere Tage zu verbringen.

Leichtathletik-WM Tag 8

Nicht deutete an diesem Tag auf den Regen des Vortag hin. Bei für die Zuschauer angenehmen Temperaturen und Sonnenschein startete der Marathon der Männer um 11:45, was für die Läufer dann natürlich schon fast zu spät war. Für mich bot es genug Zeit, um nach einem morgendlichen Lauf an die Strecke zu kommen. Ob es nun gut war, daß der Marathon komplett in der Stadt verlief und sein Ziel am Brandenburger Tor statt im Stadion hatte, oder nicht, ist eine schwierig zu beantwortende Frage.
Die vier Runden boten den Zuschauern die Gelegenheit, die Läufer häufiger hautnah zu sehen. Dies war in Göteborg aber auch möglich trotz Zielankunft im Stadion. Andererseits waren so keine Zuschauer im Stadion und dafür mehr Zuschauer an der Strecke, welche die Läufer zusammen mit den ohnehin marathonbegeisterten Berlinern anfeuern konnten. Aus eigener Erfahrung weiß ich auch, wie geil ein Zieleinlauf durch das Brandenburger Tor ist, wobei ich mich als Deutscher dabei natürlich auch emotional stark an das Tor gebunden fühle. Für den Zuschauer von Nachteil war jedoch die geringe Anzahl an Leinwänden entlang der Strecke, so daß man den Marathon eigentlich nur am Brandenburger Tor durchgängig verfolgen konnte. Auch nervig waren die unnötig strengen Streckenposten, die ein Überqueren der Straße fast unmöglich machten, obwohl es große Zeitfenster zwischen den Läufern gab. Solche Kontrollen würde ich mir mal bei einem vollen Marathonfeld wünschen.
Mit einigen anderen stand ich an der Siegessäule und machte es mir in den, da das Feld immer weiter auseinanderriß, stetig kürzer werdenden Pausen auf dem Rasen bequem. So hatte ich zwar einen sehr faulen und beschaulichen Vormittag, erfuhr von dem Sieger Kirui aber erst aus dem Fernsehen mit deutlicher Verspätung.

Im Anschluß an den Marathon erfolgte übrigens auf der gleichen Strecke ein 10km-Rennen für Hobbyläufer, der sogenannte Champions-Run, von dessen Organisation mir Mitlaufende sehr Schlechtes berichteten. Schade eigentlich. Schließlich gibt es in Berlin wahrlich genug Know-How, um große Laufveranstaltungen zu organisieren. Mich hatte insbesondere der Preis gestört, den ich als Abzocke empfand. Den Lauf als Charity-Run zu bezeichnen, empfand ich als zusätzlichen Hohn. Von den 27€ Startgeld gingen sage und schreibe 2€ an eine Hilfsorganisation, deren guter Name damit so in den Schmutz gezogen wurde, daß ich ihn lieber nicht nennen will. Hätte der Lauf das Gleiche gekostet und wären 12€ an eine Wohltätigkeitsorganisation gegangen, wäre ich wahrscheinlich gerne gelaufen. Immerhin ist mir so das Chaos erspart geblieben.

Der Abend sollte der Abend der Verletzten werden. Doch das konnte zunächst noch niemand wissen. Zunächst sah es so aus, als sollte es vor allem der Abend werden, an dem das Olympiastadion tatsächlich nahezu vollständig gefüllt war. Aber obwohl es seit Wochen hieß, daß dieser Abend ausverkauft sei, blieben doch noch vielleicht 5.000 Plätze frei. Auf jeden Fall war es ein anderes Publikum, das mir etwas weniger Leichtathletik-versiert und etwas mehr national begeistert erschien. Natürlich wurden auch in den Vortagen, die deutschen Athleten besonders angefeuert – auch von mir – aber die Relationen zu dem Anfeuern fremder Athleten schien zu stimmen und gewährte auch diesen einen fairen Beifall für gute Leistungen sowie Unterstützung bei dem Erzielen solcher. Das Publikum war eben auch überaus sportlich. So leid es mir tut und so sehr ich damit wohl auch eine Einzelmeinung verkörpere: die 4*400-Staffel der Frauen war für mich beinahe der negative Höhepunkt. Für den Vorlauf der deutschen Staffel stand das ganze Stadion die volle Zeit. Sicher war das eine tolle, vielleicht sogar einzigartige, Stimmung, aber wenn ich das mit dem müden und nicht mal ernsthaft bemühten Applaus für den frisch gebackenen Weitsprungweltmeister Dwight Phillips vergleiche, möchte ich mich bei diesem eigentlich für das Publikum entschuldigen.

Wettkampf des Abends war für mich aber weder der 4*400m-Vorlauf noch das Weitsprungfinale sondern der Hammerwurf der Frauen. Anita Wlodarczyk muß es mir verzeihen, daß ich zuerst von der sensationellen Leistung von Betty Heidler schwärme. Sie bot einen wahnsinnigen Wettkampf. Sie fing mit einer Superweite von knapp über 75m an und steigerte sich mit jedem weiteren Wurf bis zur persönlichen Bestweite und neuem deutschen Rekord von 77,12m. Nur ein Wurf von ihr fiel aus der Reihe und blieb knapp unter 75m. Die Größe dieser Leistung wird deutlich, wenn man bedenkt, daß Heidler sich mit jedem ihrer 5 Würfe über 75m die Goldmedaille verdient hätte…, ja wenn nicht die Polin Anita Wlodarczyk in dem einzigen Nicht-Heidler-Wurf des Abends über 75m einen neuen Weltrekord aufgestellt hätte. Abgerundet wurde das Hammerwerfen von einem tollen 4. Platz der zweiten Deutschen Kathrin Klaas, die sich nur knapp geschlagen geben mußte. Fairerweise muß ich betonen, daß der Polin sicher noch weitere gute Würfe zuzutrauen gewesen wären, hätte sie sich nicht bei den Jubelsprüngen über den Weltrekord ihren Knöchel verstaucht. So mußte sie auf weitere Würfe verzichten und bewies aber Humor als sie zur Kür des 6. Versuchs antrat und den Hammer spielerisch aus dem Stand etwa 30m weit warf. Dies war also der erste Teil des Abends der Verletzten.

Der Abend der Verletzten sollte sich beim 4*100m Staffellauf fortsetzen. Die US-Amerikanerinnen sollten diesmal einen besonders schmerzhaften Wechsel erleben. Als die 3. Läuferin Muna Lee den Stab entgegennahm, spürte sie eine üble Verletzung und sprang humpelnd in Richtung Bande. Diesmal waren Sanitäter zur Stelle und mußten sie minutenlang behandeln. Die Staffelläuferinnen bewiesen dabei einen tollen Teamgeist und wichen nicht von ihrer verletzten Kameradin und begleiteten sie auch ins Stadioninnere. Da boten US-Staffeln in der Vergangenheit schon Gelegenheiten für andere Bilder. Als die drei Unverletzten kurz darauf zurück kommen mußten, verabschiedeten sie sich winkend und lächelnd vom Publikum. So sehen die Sieger der Herzen aus.
Durch den Ausfall der US-Staffel konnte die deutsche Staffel sensationell Bronze gewinnen. Für dieses Finale stand ich auch gerne auf. Verena Sailer stürzte dabei ins Ziel und zog sich schwere Schürfwunden zu, so daß sie die Ehrenrunde und die verdienten Standing Ovations mit einem schmerzverzerrtem Lächeln genießen mußte. So viel zum 2. Teil des Abends der Verletzten.

Der dritte Teil des Abends der Verletzten war der Stabhochsprung. Sowohl beim Hochsprung als auch beim Stabhochsprung konnten wir in den vergangenen Tagen Favoriten beim Pokern sehen, die daran teilweise scheiterten. Als Steven Hooker verkündete, erst bei 5,80m einzusteigen, war jedoch klar, daß er mit einem anderen Blatt pokerte als Elena Isinbaeva oder Ariane Friedrich. Hooker hatte Nichts in der Hand und setzte alles auf dieses miese Blatt. Es war nicht überraschend sondern folgerichtig, daß Hooker angesichts der erfolgreichen Konkurrenz seinen Einstieg sogar noch einmal hinaus schob. Die Frage war einfach nur, wieviele Sprünge Hookers schmerzender Körper ihm erlauben würde. Er wußte, daß ihm ein Sprung zum Sieg reichen mußte, und so war es weiterhin konsequent, als der Franzose Mesnil 5,85m übersprang seine zwei verbleibenden Versuche nach 5,90m zu verschieben. Als Hooker dann tatsächlich 5,90m im 1. überquerte, ging ein Raunen durch die Menge. Hooker selbst konnte seinen Triumph nicht fassen und schien fast schuldbewußt, als er den Franzosen Mesnil und Lavillenie gratulierte. Sein Trainer vergrub lange Zeit ungläubig das Gesicht in den Händen. Ein toller Erfolg für den sympathischen Australier.

Für mich gab es einen weiteren Magic Moment an diesem Abend, der das Besondere an Leichtathletik-Weltmeisterschaften beinhaltete. Binnen zwei Minuten warf die Polin Anita Wlodarczyk Weltrekord, stand der Weitspringer Dwight Phillips als Weltmeister fest und gingen die 5.000m Läuferinnen in die letzte Runde, an deren Ende die Kenianerin Vivian Cheruiyot triumphieren sollte. Diese Überschneidung, ja gar das Überschlagen der Ereignisse, war ganz typisch für diese WM, bei dem einem keine Sekunde langweilig war und man immer wieder vom nächsten Ergebnis überrascht wurde. So ging es auch der Wetrekordlerin Anita Wlodarczyk, die nur mit Mühe von den Streckenposten davon abgehalten werden konnte, mitten im Finale des 5.000m Laufs die innere Laufbahn zu überqueren.

Leichtathletik-WM Tag 7

Wie der Vortag, war auch der Freitag sehr vom Wetter geprägt. Morgens wurde ich von einem extremen Gewitter geweckt, bei dem die Blitze in der direkten Umgebung einschlugen. Der gleichzeitige Niederschlag war dann sehr stark, so daß selbst der ausgetrocknete Boden die Feuchtigkeit nicht vollständig aufsaugen wollte.

Ich verzichtete darauf, mir die 50km der Geher anzuschauen, und beschloß lieber selbst laufen zu gehen. Das Wetter war am späten Vormittag so schwül, daß mein Netzhemd bereits nach 10 Minuten am Körper klebte und ich so stark geschwitzt habe, wie zuletzt in der Sauna. Dennoch war dies mein erster Lauf seit der Verletzung, den ich der Kategorie Ausdauer zuordnen kann. Nach 25km in gut 2 Stunden hatte ich fast das Gefühl, daß eine gewisse Normalität im Laufen zurückkommt.

Ich kam ins Stadion, als die erste Qualifikationsgruppe der Speerwerfer zu Ende ging. Ich konnte einen kurzen Schauer über dem Rasen niedergehen sehen, der aber nur ein Vorspiel sein sollte. Nachdem die zweite Gruppe der Speerwerfer sich eingeworfen hatten und die Hochspringer zum Aufwärmen in Stadion gekommen, fing ein langanhaltender heftiger Regen an. Das Programm ging zunächst weiter. Die Hochspringer verkrochen sich unter kleinen Schirmen, während der Anlauf der Speerwerfer immer rutschiger wurde. Die Weitspringerinnen hatten verhältnismäßig Glück, da ihre Anlage durch die Dachkonstruktion geschützter war. Nach zwei Durchgängen wurde die Qualifikation der Hochspringer unterbrochen, während die Hochspringer schon längst wieder in den Katakomben verschwunden waren. Nur die Weitspringerinnen mußten ihren Wettkampf durchziehen.

Nachdem auch die Weitspringerinnen vom Wetter erlöst wurden, indem sie ihre Qualifikation beendeten, kam es zu einer langen Pause und einer deutlichen Verschiebung des Zeitplans. An derem Ende bemühten sich die Helfer die Hochsprung- und Speerwurfanläufe trocken zu kriegen.

Bei den Laufbahnen war nun zu beobachten, daß die äußeren Bahnen trockener waren als die inneren, was uns für das auf Bahn 8 startende DLV-Quartett über 100m optimistisch stimmte. Der Optimismus war jedoch leider nicht gerechtfertigt, da der zweite Wechsel nicht klappte. Der dritte deutsche Läufer war einfach zu früh losgelaufen.

Die Veranstalter bemühten sich jetzt, die Laufwettbewerbe möglichst zügig durchzukriegen. Der interessanteste Wettbewerb war aber natürlich der Hochsprung, der viel Dramatik bot. Der deutsche Raul Spank zeigte dabei einen tollen Wettkampf. Für mich war die Staffelung der Höhen nicht ganz nachvollziehbar. Bei 2,18m zu starten fand ich ganz schön defensiv, so daß die Steigerung auf 2,23m durchaus zu verstehen war. Danach aber bei derart widrigen äußeren Bedingungen die Latte erneut um 5cm höher zu legen, war sehr überraschend. Es kam dann auch zu dem Kuriosum, daß alle zwölf noch im Wettbewerb befindlichen Springer im 1. Versuch die 2,28m rissen und es insgesamt nur vier über diese Höhe schafften. Daß mit der nächsten Höhe von 2,32m erneut eine deutliche Steigerung der Höhe vorgenommen wurde, war bemerkenswert. Der kuriose Wettkampf ging weiter, da alle vier diese Höhe schafften. Daß die Latte nun auf 2,35m gelegt wurde, war jetzt zu erwarten und entsprach auch eher den Abständen, die ich vermutet hätte. Leider scheiterten alle vier an der Höhe. Das Publikum zeichnete sich bei diesem Wettbewerb aber aus. Seine Stimmung war von der Regenpause nicht eingetrübt worden, und es feierte alle Hochspringer. Für Raul Spank muß es eine Gänsehautathmosphäre gewesen sein. Doch das Publikum feuerte auch seinen ärgsten Konkurrenten um die Bronzemedaille, den Polen Sylwester Bednarek unvermindert an. Von einer deutsch-polnischen Rivalität wollte das Publikum also offensichtlich nichts wissen. Ein sehr versöhnlich Abschluß war, daß sich beide am Ende die Bronzemedaille teilten. Daß sich die beiden sofort nach Bedanareks letztem Versuch umarmten, bot die Gelegenheit für eines der schönsten Bilder der WM.

Für schöne Bilder sorgte auch Usain Bolt. Auch wenn ich meine Meinung über ihn nicht revidieren will, kann ich doch auch ein paar positive Sachen über ihn sagen. Bevor die Abendveranstaltung begann, alberte er mit dem Maskottchen Berlino herum, um für Stimmung im Stadion zu sorgen. Anschließend nahm er sich sehr ausführlich Zeit für die Autogrammwünsche seiner Fans und unterbrach das Schreiben der Autogramme erst aus Respekt vor den Geehrten bei der ersten Siegerehrung des Tages. Bei allem, was ich von Usain Bolt halte, komme ich trotzdem nicht umhin, dieses Verhalten tatsächlich als vorbildlich zu bezeichnen, insbesondere für einen Superstar am Tag seines Geburtstags.

Leichtathletik-WM Tag 6

Heute kann ich leider nicht allzu viel zu den Wettkämpfen schreiben, da ich gegen 16 Uhr das Stadion verlassen mußte und anschließend nur noch vom Verlauf der Wettkämpfe erfahren habe, weil Kai mich netterweise per SMS auf dem Laufenden hielt.

In der Vormittagsqualifikation beeindruckend war Betty Heidler, die den Hammer zu einer neuen Weltmeisterschaftsrekordweite warf. Hier dürfte es also noch eine Medaillenchance für Deutschland geben.

Wie bereits am Vortag kam der Zeitplan durch die Zehnkämpfer im Verzug. Auch wenn die Organisation den Zeitplan alles in allem erstaunlich gut einhält, habe ich mich an dieser Stelle doch gefragt, wieso es zu einer so schlechten Kalkulation kommt, und ob man das nicht besser hätte machen können. Am Vortag war die Verzögerung durch den Hochsprung entstanden, also einen zugegebenermaßen unberechenbaren Wettbewerb, dessen Dauer eben insbesondere von der Anzahl der Versuche der Athleten abhängt. Heute entstand die Verzögerung jedoch beim Diskuswurf, einem Wettbewerb, in dem klar ist, daß jeder Athlet drei Versuche hat, und der Wettkampf im Anschluß beendet ist. Dies wirkte dann doch etwas merkwürdig, zumal es mit dem 800m-Vorläufen nur einen Laufwettbewerb gab, auf den die Kampfrichter Rücksicht nehmen mußten, indem sie für kalkulierbare Unterbrechungen sorgten. Es sei auch die Frage erlaubt, ob sich die Zehnkämpfer wirklich eine volle Stunde in bester Mittagshitze für den Stahbhochsprung einspringen müssen. Dies hätte man vielleicht auch verkürzen können. Bis zum Stabhochsprung hatte sich Trey Hardee auf jeden Fall die Führung im Zehnkampf zurückerobert.

Das heute etwas anders war, merkte man direkt beim Betreten des Olympiageländes. Zum ersten Mal gab es Schlangen vorm Eingang und das bereits am Morgen. Das Stadion wirkte insgesamt besser besucht. Gleichzeitig war die Stimmung heute deutlich schwächer als an den Vortagen. Dies hatte meines Erachtens verschiedene Faktoren. Zum einen das Wetter mit sehr hohen Temperaturen, welche die Zuschauer träge machten, dann die Wettkampfgestaltung, bei der es anders als an den Vortagen nur wenig Konkurrenz zwischen verschiedenen Disziplinen gab, so daß der Zuschauer tatsächlich Pausen wahrnahm. Eine Reihe vor mir las jemand sogar die Zeitung. Das wäre an den Vortagen undenkbar gewesen. In der Mittagshitze merkte man dann auch an den Schlangen vor den Fastfood-Ständen, daß heute mehr Zuschauer als an den vergangenen Tagen kamen. Es bleibt zu hoffen, daß der erhöhte Publikumszuspruch die letzten 3 Tage anhält und die Stimmung wieder ansteigt.

Leichtathletik-WM Tag 5

So heute komme ich wohl wieder nicht um das Thema herum. Ich habe mich heute nur einmal über Gold für Deutschland gefreut – bei der Siegerehrung für Steffi Nerius. Leider hat nicht das ganze Stadion gesungen. Vielleicht hatte man angesichts der vielen leeren Ränge, Angst etwas verloren zu klingen.

Robert Harting Äußerungen nach der Quali, finde ich unerträglich. Ein solcher Athlet ist kein gutes Vorbild für unsere Jugend, und vielleicht muß man froh, daß es so viele leere Plätze und so viele nicht anwesende Kinder gab, die seinen Sieg sehen hätten können, falls es nicht der Sieg irgenwelcher Substanzen war. Wer im Falle Robert Hartings von der Unschuldsvermutung spricht, der möge sich an Hartings Forderung nach der Freigabe von Dopingmitteln erinnern. Oder an seinen Trainer Werner Goldmann, bei dem die Suche nach Namen+Doping immerhin auf stolze 39.500 Google-Ergebnisse kommt.  Ein solcher Sportler kann der DLV nicht wollen, und ich hoffe, daß der DLV nach dem WM-Titel Hartings nicht einknickt und diesen plötzlich als Aushängeschild voran trägt.

Schade war natürlich der traurige Abschied von Franka Dietzsch, die in der Quali deutlich ausschied. Ihr hätte ich einen schöneren Abschluß der Karriere gewünscht. Vielleicht haben wir mit der gut aufgelegten Nadine Müller aber auch bereits ihre Nachfolgerin im Ring gesehen.

Der Zehnkampf war natürlich der prägende Wettkampf des Tages. Zunächst sah es ja so aus, als würde Trey Hardee einen Start-Ziel-Sieg verbuchen, insbesondere nachdem er sich im Kugelstoßen um fast 1m gegenüber seiner bisherigen Bestweite verbesserte, doch der Ukrainer Kasyanov bot ihm die Stirn, überholte ihn beim Hochsprung und baute den Vorspung beim 400m-Lauf aus. Das wird sicher ein spannender 2. Tag. Für die deutschen Athleten scheint es mir ein durchwachsener Wettkampf zu sein. Nicht wirklich schlecht, aber es gelingt ihnen leider auch nicht, sich von der Stimmung beflügeln zu lassen. Vielleicht ist der Druck nach dem tollen Wettkämpfen von Julia Mächtig und Jennifer Öser im Siebenkampf zu hoch. Tragisch scheint mir der Wettkampf für den Titelverteidger Roman Sebrle zu verlaufen. Er hielt sich lange gut, und war als letzter Athlet noch im Hochsprung verblieben, mußte dann aber anschließend bereits im ersten 400m-Lauf antreten. Damit haben ihm die Organisatoren keinen Gefallen getan. Sebrle war völlig platt und lag noch lange nach einer hohen 49er-Zeit total erschöpft am Boden.

Viel Gesprächsstoff bietet offensichtlich die 800m-Sieger(in) Caster Semenya. Im Stadion war ihr Geschlecht jedoch kein Gesprächsthema, sondern nur ihr toller Lauf, den sie von vorne laufend und das Tempo sehr hoch haltend souverän gewonnen hat. Dazu zunächst einmal meinen Glückwunsch. Verdammen kann ich sie oder ihn noch an einem anderen Tag.

Das 1500m-Finale war ein taktisches Rennen mit einem spannenden Finish. Ich weiß noch nicht, ob ich mich darüber freuen soll, daß ein eingekaufter Athlet für Bahrain eine Goldmedaille erlaufen hat und daß ein mit dem Paß gelockter Athlet für die USA Bronze. Letztendlich spielt die Nationalität keine Rolle. Den Erfolg sichert sich der Athlet. Genau deshalb freut mich die deutsche Goldmedaille direkt aus dem dreckigen Dopingsumpf kein bißchen, auch wenn Polen uns im Medaillenspiegel sonst natürlich noch mehr abgehängt hätte.

Das 100m Hürden Finale der Frauen bot wieder ein Jamaicanisches Clubsandwich, diesmal aber mit Canadian Bacon in der Mitte statt American Style.

Leider war dies dank Robert Harting nach Sonntag wieder ein Tag, an dem ich sauer nach Hause ging. Den Provokateur Harting wird das vermutlich freuen, aber diese Freude gönne ich ihm sogar. Wenn es etwas Positives daran gibt, daß ich den Donnerstag Abend nicht live im Stadion verfolgen kann, dann wohl, daß ich Hartings Siegerehrung verpasse. Leider halt auch das Hochsprung- und Zehnkampffinale.

Leichtathletik-WM Tag 4

Laßt uns chronolgisch vorgehen.

GOLD! STEFFI! GOLD!

Chronologisch sagte ich. Also, es begab sich im Jahre des Herrn.. Na ja so chronolgosich dann auch nicht.

Der Tag fing mit Diskurwurfqualifikation an. Zu diesem Zeitpunkt waren mir Robert Hartings wahnwitzige Äußerungen zum Thema Doping noch nicht bekannt, so daß ich mich mit ihm und über seine direkte Qualifikation freuen konnte. Doch dazu mehr.

STEFFI!

Am Dienstag war es relativ mild, unterstützt durch einen leichten Wind auf den schattigen Seiten sogar fast schon kühl, so daß die billigsten Plätze am Marathontor heute die besten waren, da sie in der Sonne und bei der attraktivsten Quali des Tages dem Hochsprung der Frauen lagen. Nicht nur der Wettkampf auch die Athletinnen waren extrem attraktiv, allen voran natürlich Blanka Vasic. Wenig vom gestählten Körper zeigte dagegen Ariane Friedrich. Ich weiß nicht, was die Beweggründe für ihr sportliches Verhalten an diesem Tag waren und tue ihr vielleicht unrecht, aber mir und auch denen, die mit mir über sie sprachen kam sie wie eine arrogante Diva vor.Ziemlich zu Beginn der bei 1,80m startenden Quali wurde vom Stadionsprecher bekannt gegeben, daß Blanka Vasic erst bei 1,85m einsteigt und Ariane Friedrich sogar erst bei 1,89m einsteigt. Der Wettkampf sprang so vor sich hin und erreichte 1,89m, ohne daß Ariane ihren Trainigsanzug meistens mit zugezogenem Kapuzenpulli, den ich zuvor noch bei keinem DLV-Athleten gesehen hatte, ausgezogen hätte. Stattdessen sah ich sie zu Kampfrichter gehen und kurze Zeit später erfolgte die Durchsage, daß sie auch 1,89m ausläßt. Wenig später ging sie auf Toilette, und während sie im Stadioninneren war, kam die Durchsage, daß sie auch 1,92m nicht springt, sondern direkt bei der Qulifikationshöhe 1,95m einsteigt. Doch bei ihrem ersten Versuch über 1,95m fiel ihr nur die Sonnenbrille nicht aber die Latte. Einen solchen Auftritt kann man sicher auch positiv als Zeichen eines großen Selbstbewußtseins deuten, doch einen Tag nach Isinbaevas Griff in den Klo bei ungünstigen äußeren Bedingungen, hatte es schon eher etwas verrückt bis Arrogantes. Wie dem auch sei, sie bleibt wohl die größte deutsche Medaillenhoffnung. Wenn ich beim Finale dabei sein könnte, würde ich aber Blanka die Daumen drücken, die von 1,85m ab jede Höhe souverän im 1. Versuch nahm.

GOLD! STEFFI! GOLD!

Ja, jetzt ist die Zeit dazu. Als Steffi Nerius ihren ersten Speer hinausschleuderte, war sicher jedem im Stadion klar, daß das schon ein richtig guter Wurf war. Spontan dachte ich: „Das kann schon eine Medaille sein. Mit etwas Glück sogar Gold.“ Dennoch habe ich bis zum Schluß mit ihr gefiebert.Ich freue mich sehr für die sympathische Steffi Nerius, daß sie mit 37 Jahren diesen großen Triumph feiern durfte. Sie erweckte immer den Anschein, eine faire Athletin zu sein, die mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben ist, wie ja auch die Sprüche auf ihren Stirnbändern zeigen. Sie ist wohl die einzige Athletin, die diesem furchtbaren Accessoire einen Sinn gibt. Jetzt darf sie ruhig einmal abheben.

Leider komme ich erst zwei Tage später zum Schreiben und muß bekennen, daß alle weiteren Entscheidungen neben Steffis Triumph etwas untergingen. Einses ist mir aber doch im Kopf geblieben. Es ist sehr interessant, wie das zeitliche Platzieren  von Wettkämpfen, sowie deren Teilnehmer Einfluß auf das Publikum haben. Während Tags zuvor das Dreisprungfinale der Frauen ziemlich unterging, begann diesmal der Abend mit dem Dreisprungfinale der Männer, so daß die Athleten die Gelegenheit bekamen, die Zuschauer für sich zu gewinnen. Die extrovertierten Springer fordertn ihren Applaus und bekamen ihn. Nur wenige Springer fanden wegen gleichzeitiger Wettkämpfe keine Beachtung.

Leichtathletik-WM Tag 3

Aus meiner Sicht wurde der Tag durch den Ausfall von Halima Hachlaf aus Marokko überschattet. Sie fiel beim 800m-Zwischenlauf in der Kurve nach 600m wie vom Blitz getroffen zu Boden. Sie hatte keinen Schlag abbekommen oder war gestolpert, sie sackte einfach nur in sich zusammen und lag reglos am Boden. Einmal noch zuckte kurz ihr rechter Arm, ansonsten war keine Bewegung des Körpers zu kommen.

Es dauerte fast 20 Sekunden bis sich Helfer zu ihr bemühten und sie anschließend auf Händen aus dem Stadion trugen. Ein Arzt war weit und breit nicht in Sicht, und die Aktion der Helfer erweckte eher den Anschein, als wollten sie möglichst schnell die Bahn für den nächsten Lauf frei bekommen. Ich fand es sehr erschreckend, wie die Organisation an dieser Stelle mit der Gesundheit der Athleten umgeht. Noch befremdlicher finde ich, daß auch heute, einen Tag danach, immer noch keine Informationen zu bekommen sind, was mit der Athletin passiert ist.

Es dauerte einige Zeit, bis ich dieses erschreckende Erlebnis kurzfristig verdrängen konnte, und ich bin eher beunruhigt, daß es mir gelungen ist, mich wieder auf die Wettkämpfe zu konzentrieren. Etwa das starke Duell der Hammerwerfer Primoz Kozmus aus Slowenien und Szymon Ziolkowski aus Polen, daß der slowenische Sieger mit hervorragenden 80,84m im letzten Versuch krönte.

Im Stabhochsprungfinale sollte man eigentlich den Triumph der Polin Anna Rogowska feiern, die als einzige 4,75m überquerte, doch wahrscheinlich wird auch im Nachhinein das tragische und doch selbstverschuldete Scheitern der Serienweltrekordlerin Elena Isinbaeva im Mittelpunkt des Erinnerns stehen. Zu sehr hat Isinbaeva den Stabhochsprung der letzten Jahre beherrscht, als daß man ihr ein Scheitern zugetraut hätte. Daß ihr später Einstieg in den Wettkampf ihr letztendlich zum Verhängnis wurde, wird viele womöglich mit Schadenfreude erfüllen. Daß sie nach dem ersten Fehlversuch sofort auf die nächste Höhe überging, wird ihr sicherlich von vielen als arrogante Dummheit ausgelegt. Ich beschränke mich lieber darauf, Anna Rogowska zu ihrem verdienten Sieg zu gratulieren. Schade natürlich für Silke Spiegelburg, daß es nichts mit einer Medaille wurde und sie im letzten Versuch so knapp scheitert, aber sie hat immerhin die Gewißheit, alles versucht zu haben.

Der Dreisprung der Frauen ging leider etwas unter. Neben der überlegenen Titelverteidigerin Yargeris Savigne aus Kuba fiel insbesondere die hübsche Biljana Topic mit neuem serbischen Landesrekord auf.

Die Siegerin des 3000m- Laufs wurde von den spanischen Fans in unserem Block frenetisch gefeiert. Ich mußte doch sehr lachen, als sie im Gefühl des sicheren Siegs vor Glück strahlend sich das extrem unvorteilhafte Stirnband vom Kopf schob. Neben der Glanzleistung von Marta Dominguez, ging das Scheitern der im Vorlauf noch extrem souveränen Gulnara Galkina etwas unter. Ebenso leider auch die tolle Liestung von Antje Möldner, die binnen zwei Tagen zum 2. Mal den deutschen Rekord verbesserte, nach 6 Sekunden am Samstag nun am Montag erneut um 3 Sekunden.

Für Läufer war natürlich der 10.000m Lauf ein echtes Highlight, der insbesondere durch Zersenay Tadese zum Leckerbissen wurde. Der Mann aus Eritrea setzte sich nach verhaltenem Auftakt an die Spitze des Feldes und hielt das Tempo bis zum Schluß hoch, so daß aus einem taktischen Rennen schnell ein echter Ausscheidungslauf wurde. Sehr schön für Tardese auch, daß seine Rechnung aufging. Bis zur letzten Runde hatte er die Spitze auf ein Duo verkleinert. Gegen den Spurt von Keninisa Bekele wäre er vermutlich auch bei einem taktischen Rennen machtlos gewesen. So holte er mit seinem 2. Platz die erste WM-Medaille für Eritrea. Bekele baute derweil seinen Legendenstatus aus und hat mit dem 4. Titel in Folge auch hierbei Haile Gebreselassie eingeholt.

War noch was? Ach ja 100m-Finale der Frauen. Die panamerikanischen Meisterschaften mit US-Amerikanischer Beteiligung gingen an Jamaicas Shelly-Ann Fraser.

Leichtathletik-WM Tag 2

Der Ärger ist noch frisch. Als Zuschauer fühle ich mich verarscht, mißbraucht und betrogen. Ob das jetzt ein Klimax oder ein Antiklimax ist, möge jeder für sich entscheiden. Vermutlich ist es nur wahllos aneinandergereiht.

Das 100m-Finale hat mir den Rest gegeben. Wer bei dieser Zeit noch ernsthaft glaubt, daß da kein Doping im Spiel ist, den bewundere ich um sein Vertrauen. Falls Sie als Leser das tun, melden Sie sich bitte bei mir. Vielleicht könnte ich Ihnen noch einen Gebrauchtwagen verkaufen – tadelloser Zustand und unfallfrei versteht sich ;-)

So fest wie andere Leute an Jesus Christus glaube ich daran, daß Tyson Gay und Usain Bolt gedopt sind. Und daß, verehrter Leser war ein Klimax. Hat sich eigentlich jemand in letzter Zeit gefragt, wieso die, vermutlich auch vollgepumpten Athleten der letzten Jahrzehnte, ob sie nun Carl Lewis, Leroy Burrell oder Maurice Green hießen, für jede Hundertstel unter 10 Sekunden sich bis ans Äußerste quälen mußten, so sehr, daß man ihnen, die von mir unterstellten Vergehen, fast schon entschuldigen konnte.

Und dann kommt da Usain Bolt und verbessert den Weltrekord zuerst mit offenen Schnürsenkeln und ein Jahr später in einem Wettkampf, in dem er während des Laufs nach der Laufzeit und seinen Nachbarbahnen schaut. Diese Lockerheit, mit der er seine Erfolge erzielt, gepaart mit der Großspurigkeit seines Auftretens, ist es die mich so aufregt. Ich sehe, daß ich als Zuschauer betrogen werde, bzw. glaube es zu sehen (um mich juristisch etwas gegen Puma abzusichern) und fühle mich durch diese blöden kindischen Spielchen und Gesten verarscht. Da ich als zahlender Zuschauer meinen Beitrag an der Weltrekordprämie leiste, fühle ich mich auch mißbraucht, denn dadurch finanziere ich ungewollt dieses biochemische Wettrüsten.

Kommen wir zum Positiven: Unseren Siebenkämpferinnen! Das war echte Dramatik. Jennifer Öser hat mich sehr begeistert. Jessica Ennis war es, die diesen Siebenkampf auf unaufgeregte Art und Weise von Anfang bis Ende souverän dominierte. Doch dahinter kämpften bis zum Schluß sechs Athletinnen um die Medaillen. Öser überzeugte bis zum abschließenden 800-Lauf mit konstant guten Leistungen, ohne in einer Disziplin die anderen Athletinnen zu distanzieren. Beim 800m-Lauf stockte uns Zuschauern der Atem als sie bei 360m stürzte. Was folgte, kann ich als Läufer gut nachvollziehen. In so einem Moment gewinnt die Wut, und es wird dermaßen viel Adrenalin ausgeschüttet, daß man selbst einen Leoparden, ach was sag ich, selbst Usain Bolt, einholen kann. Julia Mächtig wartete auf Jennifer, um sie ans Feld heran zu führen, doch die war zu geladen, um sich auf irgendwelche Taktiken einzulassen. Mit einer unglaublichen Energieleistung wurde sie noch 4. des Laufs und zog noch an der zweitplazierten Polin vorbei. Herzlichen Glückwunsch. Ich ziehe meinen Hut vor sieben so großartigen Leistungen und einem echten Kämpferherzen.

Ebenfalls voller Dramatik war das Kugelstoßen, in dem Nadine Kleinert über sich hinaus wuchs. Daß sie am Ende “nur” 2. wurde, war bei all den tollen Versuchen, die sie zeigte und bei dem Klasse-Duell, daß sie sich mit der Neuseeländerin leistete nebensächlich. Dieser Wettkampf hat richtig Spaß gemacht und das Publikum begeistert.

Es gebe natürlich noch einiges zu berichten, etwa von den Speerwerferinnen, bei denen sich an diesem Tag die Reihenfolge der besten 3 Deutschen umdrehte und Obergföll ihre Weltjahresbestleistung verlor, oder von dem unglücklichen Charles Friedek, oder von Verena Sailer, einer Deustschen im 100m-Finale, doch von 100m habe ich jetzt erstmal genug.

Leichtathletik-WM Tag 1

Der erste Tag der Leichtathleitik-WM hat sich für mich sehr gelohnt. Das was mich am meisten begeistert hat ist nicht die Bronzemedaille von Ralf Bartels im Kugelstoßen, der phänomenale neue Deutsche Rekord über 3000m Hindernis durchAntje Möldner oder die hervoragenden Leistungen unserer Siebenkämpferinnen Julia Mächtig und Jennifer Oeser. Nein am meisten begeistert hat mich, daß das Programm so dicht gedrängt ist und sich die Wettkämpfe dermaßen überlappen, daß man nicht einmal dazu kommt, an die Arbeit zu denken. Das nennt man wohl perfekten Urlaub.

Das zweite Highlight des Tages war für mich, festzustellen, wie bereits ein halb gefülltes Stadion in der Lage ist, gute Stimmung zu machen. Beim Fußball weiß man ja, daß die Stimmung in der Kurve gemacht wird. Hier habe ich das Gefühl, daß sie auf der Gegentribüne gemacht wird. Das mag natürlich auch damit zusammenhängen, daß ich dort sitze.

Sportlich wurden natürlich auch Emotionen geweckt. Das Wechselspiel der Gefühle, als Peter Sack im Kugelstoßen ausschied und direkt im Anschluss Ralf Bartels seinen entscheidenden Versuch hatte, war krass. Ebenso wie die traumhafte Weite des Polen Majewski, die der Amerikaner Cantwell postwendend überbot. Die (von mir) trotz grandioser Technik schon abgeschriebene Antje Möldner, die mit einem Schlußspurt à la Baumann ihre eigene Bestzeit um sechs Sekunden verbessert. Das 10.000m Finale mit dem erwartet souveränen Äthiopischen Doppelsieg, den die kenianische Siegerin auf den letzen Zentimetern in einen kenianischen Sieg umwandelt. Ebenso wie die äthiopische Läuferin die 3km lang als 5. der Spitzengruppe beständig 2m hinter der Gruppe den Anschluß verliert, auf der Zielgeraden aber immer noch dabei ist. Die 3. Versuche unserer Sieberkämperinnen im Hochsprung, verbunden mit Spitzenleistungen. Der arme Franzose im 100m-Lauf, der den 2. Fehlstart des Feldes verursacht, todunglücklich umfällt und auf der Bahn liegen bleibt, weil er weiß, daß er ausscheidet, obwohl Michael Rodgers den 1. Fehlstart verursacht hat.

Noch ein kurzes Wort zum 100m-Lauf. Ich würde ja grundsätzlich für keinen der Athleten der Leichtathletik-WM meine Hand ins Feuer legen, dafü, daß er nicht dopt. Nicht einmal für die Läufer aus Brunei, die 12 Sekunden auf 100m brauchen. (was immer noch eine respektable Zeit ist – zumindest gut genug, um mich richtig langsam aussehen zu lassen). Aber auch wenn ich mich bemüht habe, bei den 100m Vorläufen auf andere Wettkämpfe zu achten, so muß ich doch konsterniert feststellen, daß ich noch nie ein so starkes Gefühl hatte, daß ich Doping sehen kann. Nicht einmal bei der Tour de France, wo ich weiß oder ahne, daß 99% der Fahrer gedopt sind und der eine Fahrer, der es nicht ist nur deshalb, weil sein Arzt ihn betrügt.

Dennoch ist die Leichtatheletik-WM ein wirklich geiles Event. Ich freue mich wahnsinnig auf die nächsten 8 Tage.