Leichtathletik-WM Tag 5

So heute komme ich wohl wieder nicht um das Thema herum. Ich habe mich heute nur einmal über Gold für Deutschland gefreut – bei der Siegerehrung für Steffi Nerius. Leider hat nicht das ganze Stadion gesungen. Vielleicht hatte man angesichts der vielen leeren Ränge, Angst etwas verloren zu klingen.

Robert Harting Äußerungen nach der Quali, finde ich unerträglich. Ein solcher Athlet ist kein gutes Vorbild für unsere Jugend, und vielleicht muß man froh, daß es so viele leere Plätze und so viele nicht anwesende Kinder gab, die seinen Sieg sehen hätten können, falls es nicht der Sieg irgenwelcher Substanzen war. Wer im Falle Robert Hartings von der Unschuldsvermutung spricht, der möge sich an Hartings Forderung nach der Freigabe von Dopingmitteln erinnern. Oder an seinen Trainer Werner Goldmann, bei dem die Suche nach Namen+Doping immerhin auf stolze 39.500 Google-Ergebnisse kommt.  Ein solcher Sportler kann der DLV nicht wollen, und ich hoffe, daß der DLV nach dem WM-Titel Hartings nicht einknickt und diesen plötzlich als Aushängeschild voran trägt.

Schade war natürlich der traurige Abschied von Franka Dietzsch, die in der Quali deutlich ausschied. Ihr hätte ich einen schöneren Abschluß der Karriere gewünscht. Vielleicht haben wir mit der gut aufgelegten Nadine Müller aber auch bereits ihre Nachfolgerin im Ring gesehen.

Der Zehnkampf war natürlich der prägende Wettkampf des Tages. Zunächst sah es ja so aus, als würde Trey Hardee einen Start-Ziel-Sieg verbuchen, insbesondere nachdem er sich im Kugelstoßen um fast 1m gegenüber seiner bisherigen Bestweite verbesserte, doch der Ukrainer Kasyanov bot ihm die Stirn, überholte ihn beim Hochsprung und baute den Vorspung beim 400m-Lauf aus. Das wird sicher ein spannender 2. Tag. Für die deutschen Athleten scheint es mir ein durchwachsener Wettkampf zu sein. Nicht wirklich schlecht, aber es gelingt ihnen leider auch nicht, sich von der Stimmung beflügeln zu lassen. Vielleicht ist der Druck nach dem tollen Wettkämpfen von Julia Mächtig und Jennifer Öser im Siebenkampf zu hoch. Tragisch scheint mir der Wettkampf für den Titelverteidger Roman Sebrle zu verlaufen. Er hielt sich lange gut, und war als letzter Athlet noch im Hochsprung verblieben, mußte dann aber anschließend bereits im ersten 400m-Lauf antreten. Damit haben ihm die Organisatoren keinen Gefallen getan. Sebrle war völlig platt und lag noch lange nach einer hohen 49er-Zeit total erschöpft am Boden.

Viel Gesprächsstoff bietet offensichtlich die 800m-Sieger(in) Caster Semenya. Im Stadion war ihr Geschlecht jedoch kein Gesprächsthema, sondern nur ihr toller Lauf, den sie von vorne laufend und das Tempo sehr hoch haltend souverän gewonnen hat. Dazu zunächst einmal meinen Glückwunsch. Verdammen kann ich sie oder ihn noch an einem anderen Tag.

Das 1500m-Finale war ein taktisches Rennen mit einem spannenden Finish. Ich weiß noch nicht, ob ich mich darüber freuen soll, daß ein eingekaufter Athlet für Bahrain eine Goldmedaille erlaufen hat und daß ein mit dem Paß gelockter Athlet für die USA Bronze. Letztendlich spielt die Nationalität keine Rolle. Den Erfolg sichert sich der Athlet. Genau deshalb freut mich die deutsche Goldmedaille direkt aus dem dreckigen Dopingsumpf kein bißchen, auch wenn Polen uns im Medaillenspiegel sonst natürlich noch mehr abgehängt hätte.

Das 100m Hürden Finale der Frauen bot wieder ein Jamaicanisches Clubsandwich, diesmal aber mit Canadian Bacon in der Mitte statt American Style.

Leider war dies dank Robert Harting nach Sonntag wieder ein Tag, an dem ich sauer nach Hause ging. Den Provokateur Harting wird das vermutlich freuen, aber diese Freude gönne ich ihm sogar. Wenn es etwas Positives daran gibt, daß ich den Donnerstag Abend nicht live im Stadion verfolgen kann, dann wohl, daß ich Hartings Siegerehrung verpasse. Leider halt auch das Hochsprung- und Zehnkampffinale.

Leichtathletik-WM Tag 2

Der Ärger ist noch frisch. Als Zuschauer fühle ich mich verarscht, mißbraucht und betrogen. Ob das jetzt ein Klimax oder ein Antiklimax ist, möge jeder für sich entscheiden. Vermutlich ist es nur wahllos aneinandergereiht.

Das 100m-Finale hat mir den Rest gegeben. Wer bei dieser Zeit noch ernsthaft glaubt, daß da kein Doping im Spiel ist, den bewundere ich um sein Vertrauen. Falls Sie als Leser das tun, melden Sie sich bitte bei mir. Vielleicht könnte ich Ihnen noch einen Gebrauchtwagen verkaufen – tadelloser Zustand und unfallfrei versteht sich ;-)

So fest wie andere Leute an Jesus Christus glaube ich daran, daß Tyson Gay und Usain Bolt gedopt sind. Und daß, verehrter Leser war ein Klimax. Hat sich eigentlich jemand in letzter Zeit gefragt, wieso die, vermutlich auch vollgepumpten Athleten der letzten Jahrzehnte, ob sie nun Carl Lewis, Leroy Burrell oder Maurice Green hießen, für jede Hundertstel unter 10 Sekunden sich bis ans Äußerste quälen mußten, so sehr, daß man ihnen, die von mir unterstellten Vergehen, fast schon entschuldigen konnte.

Und dann kommt da Usain Bolt und verbessert den Weltrekord zuerst mit offenen Schnürsenkeln und ein Jahr später in einem Wettkampf, in dem er während des Laufs nach der Laufzeit und seinen Nachbarbahnen schaut. Diese Lockerheit, mit der er seine Erfolge erzielt, gepaart mit der Großspurigkeit seines Auftretens, ist es die mich so aufregt. Ich sehe, daß ich als Zuschauer betrogen werde, bzw. glaube es zu sehen (um mich juristisch etwas gegen Puma abzusichern) und fühle mich durch diese blöden kindischen Spielchen und Gesten verarscht. Da ich als zahlender Zuschauer meinen Beitrag an der Weltrekordprämie leiste, fühle ich mich auch mißbraucht, denn dadurch finanziere ich ungewollt dieses biochemische Wettrüsten.

Kommen wir zum Positiven: Unseren Siebenkämpferinnen! Das war echte Dramatik. Jennifer Öser hat mich sehr begeistert. Jessica Ennis war es, die diesen Siebenkampf auf unaufgeregte Art und Weise von Anfang bis Ende souverän dominierte. Doch dahinter kämpften bis zum Schluß sechs Athletinnen um die Medaillen. Öser überzeugte bis zum abschließenden 800-Lauf mit konstant guten Leistungen, ohne in einer Disziplin die anderen Athletinnen zu distanzieren. Beim 800m-Lauf stockte uns Zuschauern der Atem als sie bei 360m stürzte. Was folgte, kann ich als Läufer gut nachvollziehen. In so einem Moment gewinnt die Wut, und es wird dermaßen viel Adrenalin ausgeschüttet, daß man selbst einen Leoparden, ach was sag ich, selbst Usain Bolt, einholen kann. Julia Mächtig wartete auf Jennifer, um sie ans Feld heran zu führen, doch die war zu geladen, um sich auf irgendwelche Taktiken einzulassen. Mit einer unglaublichen Energieleistung wurde sie noch 4. des Laufs und zog noch an der zweitplazierten Polin vorbei. Herzlichen Glückwunsch. Ich ziehe meinen Hut vor sieben so großartigen Leistungen und einem echten Kämpferherzen.

Ebenfalls voller Dramatik war das Kugelstoßen, in dem Nadine Kleinert über sich hinaus wuchs. Daß sie am Ende “nur” 2. wurde, war bei all den tollen Versuchen, die sie zeigte und bei dem Klasse-Duell, daß sie sich mit der Neuseeländerin leistete nebensächlich. Dieser Wettkampf hat richtig Spaß gemacht und das Publikum begeistert.

Es gebe natürlich noch einiges zu berichten, etwa von den Speerwerferinnen, bei denen sich an diesem Tag die Reihenfolge der besten 3 Deutschen umdrehte und Obergföll ihre Weltjahresbestleistung verlor, oder von dem unglücklichen Charles Friedek, oder von Verena Sailer, einer Deustschen im 100m-Finale, doch von 100m habe ich jetzt erstmal genug.