Weinprobetrinken Toskana

Neulich in der U-Bahn wurde ich Zeuge eines Gesprächs, in dem sich 3 Jugendliche über die Dinge des täglichen Lebens unterhielten, ihr nächstes Pokalspiel, wie cool es doch wäre, mal Kockboxen zu trainieren und wie schade, daß sie das Bein dafür nicht hoch genug kriegen würden. Den Mädels wäre das bei anderen Körperteilen wohl weniger schnuppe, aber der eigentliche Brüller kam erst, als sie sich verabreden wollten und einer meinte, sie sollten sich nächsten Donnerstag treffen, da ja dann Feiertag sei. Darauf entspannte sich folgender Wortwechsel:

„Feiertag. Echt, ist da Feiertag Digga?“

„Ja, Mann da ist Vatertag.“

„Krass. Ist Vatertag  immer Feiertag?“

„Keine Ahnung.“

„Hä, ist Muttertag dann auch immer Feiertag?“

Noch heute beglückwünsche ich mich für meine Reaktionsschnelligkeit, in diesem Augenblick schnell genug die Hand vor den Mund bekommen zu haben, um  das natürliche Losprusten zu verhindern und das unvermeidliche Grinsen hinter der Hand zu verbergen.

Wie dem auch sei, der kommende Donnerstag ist Vergangenheit, und ich habe Christi Himmelfahrt zwar nicht mit einem gut mit Alkohol gefüllten Bollerwagen, aber mit einer kleinen Weinprobe verbracht. Schon in der Vergangenheit hatte ich von der Weinbar St. Pauli gelesen und sie als eher unkomplizierte Weinbar abgetan, die man bei Gelegenheit mal aufsuchen könnte.

Die Gelegenheit ergab sich durch das Weinprobetrinken Toskana, bei dem ich 6 Weine aus der Toskana für den Schnäppchenpreis von 5€ vorgesetzt bekam. Die Weinbar liegt am Neuen Kamp in Sichtweite zur Gästekurve des Millerntorstadions, insofern ein guter Anlaufpunkt für eines der zwei Auswärtsspiele vor meiner Haustür, zumal es auf der Karte auch Pfälzer Weine gab.

Der Eindruck einer unkomplizierten Weinbar bewahrheitete sich vor Ort. Eine einfache Einrichtung, keine echte Küche; hier stehen Wein und der soziale Treffpunkt imZentrum. Die Weine sind im offenen Ausschank in 0,1l Gläsern zu beziehen, und es wird kein Wert darauf gelegt, irgendwelche Namen auf der Karte zu hinterlassen, wobei man sich trotzdem über einen Pinot Noir von Christmann freuen kann.

Die von mir zuvor aufgeworfene Verbindung zum Fußball kommt auch in den Bildern an der Wand zu Tage, und einer der Betreiber machte auch keinen Hehl daraus, dem Kern der Pauli-Fans anzugehören.

Aber es geht hier ja nicht um Ambiente, Fußball, Pauli oder den FCK sondern um Alkohol, dem ich mich in den folgenden Verkostungsnotizen jetzt wieder zuwende.

(1) Vernaccia di San Gimignano DOC 2008 Azienda Agricola Canneta
Nase: intensive Muskatnote, etwas Rhabarber
Mund: leichte Säure, etwas herb, Graipefruit 80 CP

(2) Contessa di Radda Chianti Classico DOC 2003 Agricoltori del Geografico, 95% Sangiovese, 5% Canaiolo
N: Pflaume, Melisse
M: relativ dicht, kräutrig, etwas Schokolade, gute Länge 83 CP

(3) Sassabruna Rocca di Montemassi 2004 Castello d’Alba Sangiovese
N: Vanille, dezente Kirsche, feine Würze
M: sehr rund, kräftig, Kirsche, geschliffene aber kräftige Tannine, sehr gute Länge, würzig 86 CP

(4) Villa die Capezzane Carmignano 2003 Tenuta di Capezzano 80% Sangiovese, 20% Cabernet Sauvignon
N: recht dezent, Schokolade, Cassis
M: deutliche Frucht, rund, leichte Säure, ordentliche Länge 81 CP

(5) Panzanello Chianti Classico Riserva 2003 Azienda Agricola Panzanello Sangiovese angereichert mit Merlot und CabS
N: eher dezent, fruchtig, würzig
M: sehr schöne Dichte, intensive Frucht, fast süßlich, extraktreich, etwas alkoholisch, kräftig 88 CP

(6) Vino Nobile di Montepulciano DOCG 2004 Azienda Agricola Poliziano 80% Prugnolo Gentile angereichert mit Merlot, Canaiolo und Colorino
N: recht dezent, Schokolade, würzig
M: dicht kräftig, süßliche Frucht, rund, Schokolade, gute Länge 89 CP

Das war nicht der erste Wein, den ich von Poliziano getrunken habe, und so richtig begeistert hat mich noch keiner davon, auch wenn dieser unzweifelhaft sehr gut gemacht ist und ein sehr harmonisches Geschmacksbild bietet. Heimlicher Sieger des Probetrinkens war für mich aber der Sassabruna (3), der für seinen Preis ein sehr schönes Genußerlebnis bietet.

Sehr gut an der Probe gefallen hat mir, daß es eine Probe mit gereiften Weinen und nicht eine Probe der aktuell frisch auf die Flasche gezogenen Tropfen war. Auf alle Fälle ist das Weinprobetrinken eine empfehlenswerte Veranstaltung, die meist am 2. Donnerstag des Monats stattfindet.

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